tnadchen und die Backfische, die Hinterhergingcn, zerstreutensich sofort. Die Ammen standen aber noch immer da undkonnten sich nicht einigen, welche von ihnen nach der gleichenRichtung zu gehen hätten, und waren wie eine Herde klühe,die faul und langsam nach Hause traben wollen. Nach undnach zerstreuten auch sie sich. Bisweilen versanken sie imSchnee: dabei schwatzten sie laut, um sich den Weg zu ver-kürzen: die Kinder aber, von dem gleichmäßigen Schaukelneingelullt, hörten endlich auf zu essen und schliefen sanft ander warmen Brust ein.Jta ging mit Manja; sie hatte sie aus Mitleid einge»laden, bei ihr zu schlafen: und neben ihnen trollte auch dieheisere Amme, die so eifrig mit der alten Mindel geredethatte...Jetzt," sagte sie,„wird Zirel(so hieß siel den Kopfaufheben. Was sind Kinder? Wer braucht sie? Nur dieReichen. Und Zirel ist nicht reich. Seht nur meinen Bubenan. Sie denken wohl, er erkältet sich? Jawohl, erkälten! Sodumm ist er nicht, wenn er auch so dünn ist, wie eine Steck-nadel. Nun, habt Ihr jemals so einen dummen Kopf ge-sehen? Das ist ja ein Faß und kein Kopf: und fressen tuter, daß er mir das Mark aus den Knochen saugt."(Fortsetzung folgt.)!Von der rjcimat und der fremde.Von Ludwig F i n ck h.Bekonntlich ist das Reisen am schönsten, wenn man sich nachHerzenslust verschlagen und herumtreiben läßt, den Schicksals-winken auf Erden, wie das Reisen auf der Erde. Man kommtdabei hinter die heimlichsten Schönheiten, die sich scheu versteckenund nie am Wiege liegen. Ein zigeunerliches Pilgern, und einFest für Herz und Augen ist das Reisen. Es ist eine rechte ttunst,die man wahrhaft verstehen muß, wie irgend ein Handwerk, dieKunst: aus dem Stegreif zu reisen.Vielleicht liegt sie mir im Blute. Schon mein Vater liebteeine Fußwanderung im Schwarzwald, gewürzt durch den heim-lichen, verlockenden Vorsatz, recht bald einen Wagen, ein Ein-spanncrle, unterwegs zu erwischen und sich hineinzusetzen. Dashat einleuchtende Vorzüge. Einmal strengt man sich nicht un-nötig an, macht sich nicht müde und kommt geschwinder ans Ziel,zweitens spürt man so eine auf der Straße aufgelesene Kutscheganz verschwindend im Geldbeutel; und mein Vater ist berühmtdurch seine Fußtouren im Einspänner. Einen Tropfen Land«streicherblut müßte jeder Wanderer in seinen Adern haben, derden ganzen Sinn des Manderns gewissermaßen künstlerisch er-fassen will. Man darf sich nicht mit dem Bewußtsein auf dieWanderschaft machen, Glied dieses Volksstammes und Bürger jenesLandes zu sein.man muß sich loslösen von seinem Erdbrocken,Zugvogel werden, untertauchen in das fremde Land und Volk; manmuß Harun al Raschid sein und Ahasver, Eigentümlichkeiten undKniffe� verstehen, und darf sich nicht auf seine Gewohnheiten undauf sein Europäertum versteifen. Man muß mit dem TürkenTürke sein.Ich werde mir einmal einen grünen Zigeunerwagen kaufen,mit Stube und Küche, der Rauch steigt aus dem Rohr, und werdezwei kleine Esclchen vorspannen, meine Bernhardinerhunde neben-herlaufen lassen und durch die Wiesen und Länder kutschieren,nichts als meine Geige bei mir und mein Herz. Ich werde geigenund Lieder singen, und Märchen erzählen und Geschichten ausAfrika. Keinen Pfennig wird mich die Reise kosten. Aber LandUnd Eingeborene werde ich kennen und lieben lernen.Hier ist mein Evangelium zu reisen.Binde dich nie. Du mußt immer los und ledig sein auf derReise. In aller Ungezwungenheit dich bewegen. Rundreise und Fahr-karten sind vom Uebel, sie kommen stets teurer als einfache Fahrt,denn du bist gebunden an Weg und Stunden. Du kannst nichtsabändern, keinen Abstecher machen, wenn's dich reizt, es sei denn,daß du die Karte fahren läßt.Zum zweiten: Sei ziellos im kleinen. Entwirf deinen Planin großen Zügen, mit festgelegten Abschnitt- und Endpunkten.aber überlaß das Einzelne dem Augenblick. Gib dich dem Lebenhin. Böblingen; heute über acht Tage Rom, dazwischen Umbrien;in drei Wochen Sidi Okba; in zwei Monaten Böblingen. Scheuedich nie, einem Einfalle zu folgen, irre, soviel du kannst. So wirstdu zehnfaches Leben haben.Zum dritten: Laß deinen Koffer zu Hause. Ein einzigesGepäckstück, eine Schachtel mu Handgriff und ein Rucksack genügtdurch die Welt. Stopf hinein, was du unumgänglich brauchst anKleidung und Wäsche, wirf das Gebrauchte weg und kauf unter-Wegs frische. So schleppst du dich nicht mit Ueberfluß.Weiter: Nimm niemals Bewirtung auf festgelegte Zeit;Kension kommt, bist du kein Paragraphenschaf, teurer noch als dieRückfahrkarte. Verlache die große Gasthaüstafel, setz dich be-scheiden an dein Tischlein und sieh dich um.'Zuletzt: Nimm, wo du Post erwartest, deinen Paß aus derTasche und laß ihn vom Konsul oder Wachtmeister visieren. Daßes dir nicht gehe, wie mir in Marseille.Zwei Tage vor Weihnachten traf ich dort ein und fuhr aufdie Post, um Geld zu erheben.'..Bedauere, der Paß ist nicht visiert."„Ruhig Blut, der deutsche Konsul wird's ordnen."„Der Konsul ist nicht hier, über die Feiertage ist keine Ge-schäftsstunde, kommen Sie in drei Tagen wieder."Und ich hatte zwei Stunden für Marseille fällig. Ich fuhrwieder zur Post und ließ mich zum Generaldirektor melden.Es geht nicht. Das Gesetz verlangt es. Wir dürfen Jhneftnichts aushändigen. Uebrigens, wenn Sie zwei Bürger bringenkönnen, die Sie kennen>— das würde genügen.Ich atmete auf; draußen stand der Droschkenkutscher, das warder eine, dort drüben lag eine Destille, das war der andere, derWtzrt.„Gewiß, geben Sie uns fünfzehn Franken, so kennen wir Sie."Das war mir trotzdem zu unverschämt. Ich dankte den Herren,ging zur Post und ließ das Geld nach Stuttgart umadressieren;meine Fahrkarte hatte ich in der Tasche, aber ich konnte mir nichtversagen, dem Herrn Postmeister auf den Tisch zu schlagen undzu bemerken, daß die Franzosen auf der Post noch preußischer alsdie Preußen seien.- 1Denn in Berlin wär's leichter �gegangen. Dafür bürgt mein?Erfahrung. Ich hatte die Universität bezogen, hatte meine Papierein Ordnung bis auf die Jmmatrikel, die ich erst in einigen Tagenerhalten konnte, und erwartete postlagernd Geld. Der Schalter«beamte zuckte die Achseln, Militärpaß—„nein",„Hier habe ichjBriefe an mich."—„Bedaure."„Hier ist meine Unterschrift. Ueberzeugen Sie sich, daß ichvor Ihren Augen diese Schriftzüge schreibe."„Gewiß, aber die Vorschrift ist nicht erfüllt."—„Hier indiesem Buche ist mein Bild. Bin ich's, oder bin ich's nicht?">'„Sie sind's, aber es genügt nicht.".Himmelherrgottsakrament."Ich ging auf die Straße zum nächsten Schutzmann und klagteihm meine Not. Er lächelte. Bitte kommen Sie mit. Er führtemich auf die Wache und stellte mir auf Grund meines Militär-passe? eine Nadfahrkarte aus mit dem Steckbrief: Haare braun,Augen blau, Figur groß; besondere Kennzeichen: keine. Nunbekenne ich mich zu beinahe schwarzen Haaren, braunen Augen,bin mittelgroß, habe eine Reihe besonderer Kennzeichen und fahrenicht Rad. Aber die Karte kostete nichts, sie konnte auf jedenpassen und ich erhielt anstandslos mein Geld ausgehändigt.Ich komme nun zum Kern meiner Ausführungen. Ich wolltenämlich erzählen, wie die Heimat mitgeht auf Reisen, wie sie sichan unsere Sohle heftet mit einem Stückchen Erde, auch wenn wirnichts von ihr wissen wollen und wie sie uns verfolgt, auch wennwir sie fliehen.Bekümmert und des alten Leides müde, wollte ich den Staubvon den Füßen schütteln, in die Welt hinausziehen unter fremdeMenschen und buntere Völker, irgendwohin, wo es warm war undheiß und golden. Ich fror an Deutschland und seinem Leid undseiner kalten Nüchternheit, ich haßte es, denn ich hatte es zu langegeliebt und ich hoffte nun, eine Spanne Zeit kein deutsches Wortund kein deutsches Gesicht zu sehen. Ich war in Camogli undRuta, ich trank in Florenz und Fiei'ole, und der Himmel war mirgnädig. Eines Abends, als ich in Ajaccio Trauben aß, im Wein-berg, vernahm ich Musik; Soldaten zogen vom Feld herein undich freute mich. Nun habe ich das Pech, daß gerade immer, woirgendwo ein Zug mit Musik kommt, die Musik gerade vor meinemPlatz aufhört zu spielen, wahrscheinlich, weil ich mich so unbändigauf sie freue, eine Minute später fängt sie dann wieder an. Dies-mal tat sie mir den Gefallen und Hub gerade vor meinem Platzwieder an; die Instrumente fuhren an die Lippen, der Kapell-mcister hob den Stock— jetzt kommt das korsische Lied— undmächtig fiel das Blech ein:„Mein Herz, das ist ein Bienenhaus.">— In Ajaccio auf Korsika.Lachend wandte ich mich, in Tränen lachend über diesenLeiergruß der Heimat. Ich dachte noch an das deutsche Volksliedund an die Zugkraft des Gassenhauers, beneidete den Komponisten,schämte mich und legte mich schlafen. Aber als ich in acht Tagendarauf in Konstantine, in Algerien, in Nordafrika, erwachte, gingein Kabhlenbäckerbube am Fenster vorüber und pfiff mit En-thusiasmus:„Haben Sie nicht den kleinen Kohn geseh'n?"Armes deutsches Volkslied, verhülle dein Gesicht, ein Kabhlen-bäckcrbube pfeift dich nicht.In Biskra, am Rand der Sahara, traf ich als erstes Vergiß»meinnicht auf dem Platze vor dem„Cafe Arabe" ein Karusscl mitOrgel, Zelttuch von Strohmevcr in Konstanz(Baden); mein Herzvergaß höher zu schlagen. Und unter den Negermusiken in denCafes, unter den Gesängen der heulenden Derwische und derOuled-Nails, der süßen Tänzerinnen, drückte sich ein wanderndesdeutsches Orchesterlein herum von Geige, Viola und Brummbaßund spielte Walzer von Strauß; schäbiger Frack und Halsbinde.Als dann schließlich eines Abends ein Herr aus der Ecke einesCafes, wo ich mich ganz am Herzen des arabischen Volkes wähnte,