eÄvMei für ManZa. Wang er feinen Ärm um ihren Hals, riß sie an sich heran und küßte sie laut auf den Mund. Manja derlor für einen Augenblick lang die Fassung, aber dann rief fte geärgert: „Wenn Sies noch mal loagsn, reiße ich Ihnen Ihren Schnurrbart aus. Versuchen Sies nur. Ich kann solche Späße nicht leiden." Michel verfolgte mit Interesse das Vorgehen seines von ihm so bewunderten Freundes. Jta dagegen wurde immer trauriger und schlürfte schweigend ihren Tee. „Nur den Schnurrbart wollen Sie?" rief Joschka erfreut und schnitt ein freundliches Gesicht,„da ist er, wenn er Ihnen gefällt. Und jetzt her mit den Lippen." Lachend stürzte er wieder auf sie und beide fingen an sich zu balgen: sie in Verteidigung begriffen, er immer kühner auf sie eindringend. „Schnurrbart," hörte man zwischen Küssen hindurch seine Stimme,„nur den Schnurrbart will sie haben, und ich dachte, sie will meine Augen. Ich aber will die Lippen, die Lippen. Ach was für ein böser Junge I" Michel rieb sich vergnügt die Hände und lachte.„Ist das ein Prachtkerl! Und was hat er nur, daß sie sich alle an ihn hängen? Der Glückspilz, der Spitzbube!" (Fortsetzung folgt.)) lNaqdru» MiSottn.) fahrende Leute. Von Anna Reichert. .Vatter— Ciele—*, kreischte es herauf. Die vier Glieder der Familie Eisebein. Fridchen, Liese. Emil und Fink gingen, mit zwei großen Neisekörben beladen, durch den Mittagsonnen'schein zun, Bahnhof. Fink schäumte Wut: Seiffert richtete eS natürlich wieder so ein, daß er erst am Bahnhof mit der Truppe zusammentraf, um sich un, den aufsehenerregenden Zug durchs Städtchen und die Gepäckschlepperei zu drücken. Fridchen und Fink trugen den kleineren. Liese und Emil den großen, schweren Korb, in dem außer Garderobestücken noch ein Dutzend Petroleum« lampen sorgsam fverpackt waren nebst einer knallroten Bühnen- dekoration. Den Zeltbesitzern fehlte meistens das rechte Verständnis für effektvolle Ausstaffierung der Sängerinnen. Ein knallroter Hintergrund und zwölf brennende Petroleumlampen waren gute Hilfs- mittel, um schön und reich gekleidet auszusehen und festliche Stimmung zu erzeugen. Vater Eisebein trug einen Regenschirm und einen schwarzen Geigenkasten, obwohl er so wenig wie ein anderes Glied seiner Truppe den Bogen zu führen verstand. Den Geigenkasten nahm er der Reputation wegen mit. Ohne den sah seine Gesellschaft, in der die Frauen stets, auch bei lachendem Sonnenschein und glühender Hitze in dunkele Negenmäntel gehüllt einhergingen und vier Personen unier riesigen Gepäckstücken keuchten, seiner Meinung nach wie eine Zigeunerbande aus. Sein Geigenkasten erst machte sie zu Künstlern und offenbarte dem staunenden Publikum ihre Würde. — Die Komiker sämtlicher Jahrgänge schworen freilich darauf, daß er den Geigenkasten nur trug, um sich mit einigem Schein von Recht um die Last mit den übrigen Requisiten zu drücken. Cäcilie hatte Fridchcnö Karton an sich genommen; die kleine alte Dame brach unter dem Reisekorb fast zusammen, und der Karton, den man obendrauf gelegt hatte, machte ihn nicht leichter. Enm Eisebein schoß einen Wutblick auf Fridchen, als sie CäcilienS andlungSweise entdeckte. Daß ihre Kinder auch gar nicht ein- sahen, was sie sich schuldig I Bedienten die eigenen Leute I Die mußten ja aufsässig werden I Na— ihr konnte eS ja bald egal fein.— Aber dieser letzte Gedanke war auch nicht dazu angetan, sie freudiger zu stimmen. „Schreib Deinen Eltern, daß sie diesen Monat Deine zehn Mark nicht kriegen können," herrschte sie Liese an.„Du mußt einen Sommerhut haben und ein paar gute Taschentücher für die Bühne." Lieses kugelrunde Augen sahen erschrocken ins Weite. Da würde der Vater wieder schön mit der Mutter zetern! Der Bater war nur schwer zu bewegen gewesen, Liese als Sängernovize für ein Jahr fortzugeben, und nur das Zureden der Mutter hatte eS schließlich vermocht, daß er dem Drängen des Agenten nachgab und LieseS flehentliche Bitten, sie den Weg zu dem unsagbaren Glanz und Reichtum einer Sängerinnenkarriere gehen zu lassen, erhörte. Freilich, so vornehm und prächtig, wie sich Liese das Leven eines Geschöpfes gedacht, das. in Samt' und Seide ge- kleidet, vor Hunderten von Menschen auf strahlend erleuchteter Bühne stand und sang, so herrlich war ihr Leben vorderhand nicht. Schwere Dienstbotenarbeit füllte alle Wochentage außer einer Stunde am Abend aus, wo Liese unter Frau Eisebeins Leitung, ihren Schimflf- Worten und viel nachhelfenden Püffen und Schlägen Couplets nebst zwei Fuß- und drei Armbewegungen eingedrillt wurden. Aber der Samstag und Sonntag entschädigten für alle Mühsal des Alltags. Vom Samstag und Sonntag träumte Liese in jeden, Augenblick des Tages und fühlte sich wie eine verzauberte Prinzessin, wenn sie an die Herrlichkeit ihres Auftretens, ihres Schreite»? und Singens auf der Bühne in Lackschuhen und Kostüm und das Klatschen der Zuhörer dachte. Und welche Triumphe sie feierte! Wie ihr gehuldigt wurde! Neulich hatte sie einer beim Einsammeln dringend zu einem Stell- dichein geladen; ein anderer hatte ihr ein Täfelchen Schokolade ge- schenkt. Und wie oft sie einer in den Ann nahm, das ließ sich schon gar nicht mehr zählen. Auch Bier bekain sie jetzt fast regelmäßig spendiert, wenn auch nur ein oder zwei GlaS. Hermine bekam im Laufe eineS Abends mindestens fünfzehn Glas Bier und bis zu acht Tassen Kaffee— sogar, wenn sie eS wünschte, mit Kuchen. Ja— Hermitte! I— „Mutter," sagte Eisebcin im CoupS,„wir können waS sparen, Ciele und ich steigen in Mägdesprung aus und gehen zu Fuß nach Harzgerode . Ihr fahrt mit dem Gepäck bis hin." „Hm— hm—" machte Frau Eisebein sehr mißtrauisch und dachte angestrengt nach. Wenn ihr Mann vom Sparen sprach, dann hatte er doch entschieden einen Hintergedanken. „Ich kann auch zu Fuß gehen," erbot sich Seiffert. Fink sah ihn giftig an.„Bleiben Sie man ruhig beim Gepäck. Meinen Sie, ich nähm Ihnen alle Arbeit ab?" „Seien Sie bloß still, Fink," bestimmte Frau Eisebein drohend. „Wenn Herr Seiffert gehen will, kann er gehen. Und Sie tragen mit Fridchen den Korb. WaS einer zu tun hat. das Hab ich zu befehlen und nicht Sie.— Erwartungs- voll sah sie auf Seiffert. Nun mußte er doch sehen, wie sie ihm die Stange hielt. Er imponierte ihr etwa? und so einen guten Komike» hatten sie noch nie gehabt; den verlor man nicht(jern.— Aber Seiffert sagte nichts. Aergerlich wandte sich Frau Elsebein ab. ES war ganz nett, mal einen feineil Herrn im Hause zu haben, aber diese vornehmen Leute hatten doch oft eine eNige Art, einen zu be- handeln. Und überhaupt— warum betrachtete sie denn eigentlich den Seiffert als etwas BeffereS? So bescheiden, wie der war!— Sie grübelte vergebens darüber nach. Finks lange Nase war ganz spitz geworden vor Aerger. In ihm kochte eS wieder einmal. Diese Alte! Na, er wollte ihr's schon mal bei Gelegenheit geben. Lange hatte sie ja überhaupt nichts mehr über ihn zu sagen. Hermine würde schon eine andere Prinzipalin abgeben. Er stellte sich vor Hermine, die ans einem der Reisekörbe saß und vergebens von Seiffert Unterhaltung erhoffte. Verliebt sah er auf sie nieder. Wenn er bloß wüßte, wie er eS anfangen mußte, um auch bei ihr zu reüssieren, wie so viele andere; bis jetzt hatte sie sich immer über ihn lustig gemacht, wenn er mal zärtlich wurde. Mein Gott, wenn er doch das unglouliche Glück haben würde, von ihr geheiratet zu werden I Wenn sie erst Direktorin war, mußte sie doch einen Mann haben. Und er kannte doch daS Geschäft. Vater Eiicbein war doch auch geheiratet worden, gleich als Fran Eisebein Wilwe geworden war. Und der hatte gar nichts vom Geschäft ver- standen. Eine Anstreicherwerkstatt hatte er im Städtchen gehabt und Konkurs gemacht, weil er zuviel fiir die Kunst gewesen ivar, Bilder gemalt, Geigen und Mandolincn gekauft und verkaust hatte und zu jeder Borstellung der Truppe Eisebein mitgereist war. Freilich, daS fetztere war wohl Schläue gewesen, dachte Fink. Beimachen wollte er sich und in der Nähe halten— daß den alten Eiscbein, d. h. den richtigen, genannt der junge Eisebein, einmal der Schlag oder ein ähnliches Malheur treffen würde bei seinem vielen Schnapstrinken und der kollerischen Gemütsart, das stand ja fest. Natürlich, bei» machen und in der Nähe halten mußte man sich. Und darum wollte er sich ruhig vom Agenten von der Liste streichen lassen. Hier lebte sich's lange gut— und wer konnte wissen, wie sich noch alles machen würde. Wenn er Hermines Mann war, konnten sie das Geschäft für schweres Geld verpachten; dann hatten sie das nötigste schon, ohne nur einen Finger zu rühren. Und dann, wenn er Geld hatte und sich Garderobe anschaffen konnte, dann suchte er sich lauter glänzende Engagements, die Ruhm und Ehre brachten. Er fühlte in seine Brusttasche— ja, der Kontrakt aus dem Lübecker Engagement, wo er fünf Mark pro Abend be- kommen hatte, war wohlverwahrt. Er wollte Hermine dieses Siegel seines vergangenen und zukünftigen Ruhmes heute mal wieder bei Gelegenheit zeigen— und auch der Alten: die schien manchmal zu vergessen, was sie an ihm hatte. Es lag nur an seinem abge- schabten Rock , daß er jetzt mit so einer Stelle vorlieb nahm. Wenn er erst die achtzig Mark für einen neuen schwarzen Anzug zusammen- gespart hatte, dann würde er's ihnen schon zeigen, auf was für Bühnen er gehörte. Dann— heidi.— Aber, Gott, nein— er wollte ja hier bleiben, aushalten— abwarten— HermineS Mann werden. Er kehrte zn dem AuSaangspunkt seiner Träume zurück. Richtig, heiraten, Geld haben, auf die feinsten Bühnen gehen. Und Hermine? Sinnend sah er auf sie nieder. Nun, als Soubrette würde sie anderswo kein Engagement bekommen. Sie hatte zu ftüh auf die Bühne gemußt und ihre Stimme überschrien. Aber m den vornehmen Balllokalcn konnte sie in den lebenden Bildern mitwirken. Hermine als Königin im Trikot! Glänzende Erfolge und Gagen würde sie haben. Es war ja schon längst ein Jammer, daß sie in diesem Nest festsaß und für diese Truppe arbeitete— so schön wie ste war. Und so eine Frau würde er haben! Während Fink ungestört ZllkunftShoffnungen spann, mußte sich Liese ihre Träume durch Frau Eisebeins schlechte Laune stören lasten. „Wehe Dir, wenn Du noch einmal stecken bleibst und den ersten halben VerS noch mal singst. ES ist ja nicht zu sagen» wie dumm Du bist. Man schindet sich halb tot, um Dir waS bei-
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26 (4.9.1909) 172
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