Nn erschütternder Schmerzensschrei unterbrach sie. Die zweite Frau schrie, fest an das Fenster gedrückt: „Mörder, Henker, was habt Ihr mit meinem Kind ge° macht? Totgemacht habt Ihr es, tot!. Esther, erschreckt durch diese Schreie, riet Jta, nach Hause zu gehen. „Was sollen Sie hier?" redete sie ihr zu.„Das kann kein Mensch aushalten. Jedesmal gibt's hier solche Ge- schichten. Und im Saal ist es noch viel schlimmer. Der eine ist tot, der andere liegt in den letzten Zügen, der dritte wird zur Operation geschleppt, und alle schreien und quälen sich und leiden wie in der Hölle. Nicht zum Anhören ist dies Weinen und Stöhnen. Gehen Sie nach Hause, Jta. gehen Sie, das ist nichts für Sie. Gehen Sie, und möge das Schicksal Sie nie mehr herführen." Jta ließ sich allmählich überzeugen und gab Esther Lv Kopeken. „Ich bin ja für das Kind wie eine Mutter," sagte jene, das Geld in Empfang nehmend,„wenn ich nicht wäre, hätte es keinen Lössel Medizin genommen." (Fortsetzung folgt.): £Jiif dem Alege zum Südpol *) Von ÜB. P. L a r s e n. Die Erreichung des Nordpols hat bereits dem Streben, auch am Südpol zum Ziele zu gelangen, einen neuen Antrieb gegeben. Schon wird in England eine Südpolexpedition unter Scott vorbereitet. Diese oder eine der nächsten Expeditionen nach der Antarktik wird gewiß den Südpol erreichen. Ist man ihm doch bei der letzten eng- lischen Expedition schon ganz nahe gekommen. Shackleton , der eng- lische Forschungsreisende, der in den Südpolarregionen am weitesten gekommen ist, beginnt neuerdings mit Veröffentlichungen über seine Fahrt, die ihn so weit über seine Vorgänger hinausführte und für seine Nachfolger so glückverheißend sich ausnimmt. So dürfte einiges über die Erforschung der Antarktis von Interesse sein. Bon einem südlichen Polarlande sprachen schon Aristoteles und Hipparch. Ptolomäus bekräftigte diese Meinung. Das Mittel- alter natürlich, das die Wissenschast in die Klöster begrub und das Denken erstickte, ließ Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung— richtiger wohl Vermutung— nicht aufkommen. Kaum jedoch war Europa entdeckt, als sich die Zweifel auch wieder einstellten. Die Frage blieb jedoch lange un- geklärt, denn die Vermutungen der Alten, aus die man sich aus- schließlich stützte, waren Phantasie(wenn fie sich auch bestätigt hat), und Expeditionen zum Südpol fanden nur selten statt: von der Geriz' (löSL) bis zu der Cooks(1773—74) kennt man nur drei oder vier. Als einer der Hauptgründe dafür ist wohl anzusehen, daß die südliche Polarregion im Gegensatze zu der nördlichen für Handel und Industrie so gut wie gar kein Interesse bot. Während man nach Norden seit dem 13. Jahrhundert Expedition um Expedition entsandte in dem Bestreben, der Schiffahrt neue Wege zu erschließen, blieb der Süden ausschließlich auf rein Wissenschaft- liche Expeditionen angewiesen, die in jener Zeit sehr selten statt- fangen. Vor allem aber schreckte wohl den Forscher die Uuwirtlichkeit der südlichen Eisländer. Nach Passieren des Polarkreises kam er znnächst in Treibeis. Das Polarland selbst ist, bekanntlich, festes Land, übertrifft an Ausdehnung bei weitem Europa und ist mit einer Eisschicht von zirka V2 Kilometer Durchmesser bedeckt. Von dieser Schicht lösen sich von Zeit zu Zeit gewaltige Eisberge ab. Sie flimmern und schillern in der Sonne in allen Regenbogen- färben und gewähren einen märchenhaften Anblick, sind jedoch der Schifffahrt höchst gefährlich. Noch südlicher stößt man auf eine Eismauer. Kein Landungsplatz, kein Hafen, keine Möglichkeit des Vordringens. Selbst auf einen so kühnen Seefahrer wie den Kapitän Cook— einen Namensvetter des erwähnten NordpolforscherS— machte der Anblick einen so entmutigenden Eindruck, daß er in dem Bericht über seine Reise (1771—73) betonte, diese Gegend würde nie erforscht werden; nie- mand würde e§ wagen, weiter als er in sie vorzudringen. Die Worte des berühmten Seefahrers verfehlten ihre Wirkung nicht: man glaubte ihnen und die Expeditionen hörten für nahezu fünfzig Jahre auf. Nichts destoweniger hat es sich gezeigt, daß die süd- lichen Polarländer in Vergleich zu den nördlichen ein leichteres Vordringen gestatten. Der Nordpol und die angrenzenden Gebiete sind nichts als Eis und— Meer. Das Schiff dringt im Sommer unter Benutzung der eisfteicn Wasserflächen vor, zwängt sich durch Treibeis und Rinnen und dient, wenn es schließlich über- wintern mutz und einftiert, als Basis für die auf dem Eise fort- Einen Teil de« angeführten Materials entnehme ich dem Aufsatz von M. Engelhardt:„Der sechste Erdteil" im„Shumal Hja Wsjech". Der Verf. gesetzten Operationen. Der Weg über dieses ist jedoch ungemein schwierig: das Eis ist höckerig und geborsten, durchzogen von Rinnen und Seen, und auf lange Strecken gebirgig und über» einandergetürmt, so daß man nicht vorwärtsgehen, sondern-kriechen muß. Die Hauptsache aber: es wandert. Es treibt mit den Strö- mungen, ohne daß der Reisende es merkt. Erst wenn er soundsoviel Kilometer zurückgelegt hat und die Probe darauf macht, wird er gewahr, daß es viel weniger sind als er dachte, weil das Eis. während er nach Norden ging, mit ihm nach Süden oder zur Seite zog. Die Eisfelder der Südpolarregion dagegen sind ebener, das Fort- kommen auf ihnen leichter und vor allem: fie sind— da sie ja über festes Land gestülpt sind— unbeweglich. Den ersten Versuch in sie einzudringen unternahm nach Cook der russische Kapitän Bellingshausen , der die Anregung zu einer Reihe neuer Expeditionen gab. Er gelangte weiter als Cook, fand mehrere Inseln und Land- striche und umschiffte in zwei Jahren(1819—21) das ganze Polar» land. Ohne natürlich zu wiffen, ob es Meer oder Land war. Die bedeutsamste Expeditton nach ihm war die von Roß (1840—43). Er entdeckte das Viktoria-Land, die Eismauer— eine Mauer von 600 Kilometer Länge und 30—80 Meter Höhe—, sah hinter riesigen Eismassen Bergketten und die Vulkane Erebus und Terror, bestimmte die Lage des südlichen Magnetpols und drang bis zu fast 79 Grad südlicher Breite vor. Darauf folgte eine fünfzigjährige Pause bis zu der Expedition Borchgrevinks(1894— 95). Er unternahm von Viktoria-Land aus zu Lande(d. h. auf dem es bedeckenden Eis) Vorstöße nach Süden, brachte als erster eine Kollektion Pflanzen und Mineralien mit und schlug sozusagen eine Bresche in die Eismauer. Sehr viel konnte er nicht aus- richten, da ihm die Mittel fehlten und er seine Fahrten als Matrose auf einem Walfischfänger zurücklegte, er gab jedoch den Anstoß zu weiteren Forschungen. Zu Beginn des Jahrhunderts ent- sandten mehrere europäische Staaten fast gleichzeittg sieben Expe- ditionen zum Südpol : England— Borchgrevink und Scott, Schott- land— Bruce, Belgien — v. Gerlache, Frankreich — Charcot, Deutschland — v. Drygalski und Schweden — Nordenskjöld . Die Expeditionen ergaben eine reiche wissenschaftliche Ausbeute, wiewohl von den sieben nur eine, die englische, an der damals auch Shackleton teilnahm, einen Hafen und einen den weiteren Operationen günstigen Landungsplatz fand. Die Basis und der einzuschlagende Weg lagen so eigentlich auf der Hand. Die Expedition machte es sich zu nutze und drang so weit wie möglich nach Süden vor, bis fie 850 Kilometer vom Pol umkehren mußte: die Hunde waren ein- gegangen, der Proviant erschöpft. Schon damals beschloß Shackleton die gesammelten Erfahmngen zu verwerten. Am 1. Januar 1908 stach er mit dem Dampfer „Nimrod" von Neil-Seeland in See, landete am 22. Februar auf der Insel Erebus (Viktoria-Land) und schickte von dort aus den Dampfer zurück. Im Dezember desselben Jahres ging der„Nimrod" wieder nach Erebus ab, erwartete dort Shackleton , der inzwischen auf Schlitten zum Pol gefahren war und landete mit der Expedition am 22. März 1909 wieder in Neu-Seeland . Von Februar bis Oktober war Shackleton mit verschiedenen Forschungen unweit der Landungsstelle beschäftigt, am 29. Ottober aber machte er sich mit zwei Gefährten zum Pol auf. Der Proviant war auf 91 Tage berechnet, an Stelle von Hunden führte man kleine mandschurische Pferde mit. Diese in der nördlichen Mandschurei heimische Rasse ist an Schneestürme und Fröste gewöhnt; außerdem aber rechnete man mit der Erschöpfung des Proviants und zog in dem Falle Pferdefleisch dem Hundefleisch vor. Außer Pferden hatte Shackleton noch Motorschlitten, die sich jedoch zur Fahrt über das Eis als unbrauchbar erwiesen. So begann die Reise. Die Rinnen im Eis erschwerten da? Vordringen ungemein, an einer Stelle wurde während eines Tages knapp V- Kilometer zurückgelegt. Dazu kamen die Schneestürme, deren einer die Reisenden zwang, drei volle Tage, in die Schlaf» säcke gehüllt, im Zelt zu liegen. Stellenweise wurden Proviantstationen für den Rückweg er» richtet. Drei Pferde waren bereits geschlachtet, das vierte der- unglückte in einer Rinne, so daß die Forscher die Schlitten schließlich auf dem Rücken tragen mußten. Am 9. Januar machten fie 170 Kilometer vom Südpol Halt: der Mangel an Proviant und ihre Erschöpfung zwangen zur Umkehr. Die Rückreise vollzog sich leichter, da sie den Wind im Rücken hatten. Während der Hinweg 73 Tage gedauert hatte, dauerte der Rückweg nur 52 Tage, zusammen also 125 Tage, in denen sie 2850 Kilometer zurücklegten. Auf dem Wege zum Pol entdeckte Shackleton acht Bergketten, riesige Eisberge, Kohlenlager und eine gewaltige Hochebene im äußersten Süden. Der Südpol liegt seinen Berechnungen nach 3000 bis 3500 Meter über dem Meeresspiegel. Die im Lager zurückgebliebenen Teilnehmer der Expeditton unternahmen inzwischen eine Fahrt zuin südlichen Magnetpol, den sie unter 72 Grad 25 Minuten südlicher Breite und 156 Grad 25 Minuten östlicher Länge fanden. Am 22. März kehrte Shackleton von der Expedition zurück. Sie ist eine der bemerkenswertesten aller bisher unternommenen nicht nur in Hinblick auf die zurückgelegte Distanz und die geographischen Entdeckungen, sondern vor allem in bezug auf den unerwarteten Erfolg, an den vor einem Jahr noch niemand geglaubt
Ausgabe
26 (23.9.1909) 185
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