dm er von dem damals Vervreltetsten Hhglenelehrvuch für die Schule, dem im Jahre 1792 erschienenen Gesundheits« Katechismus des LeibmedikuS der Gräfin Wilhelmine Luise von Schaumburg-Lippe , Dr. Bernhardt Christoph Faust veranstaltet hat. In den Verl chiedenen Schulordnungen wurde nämlich Berücksichtigung der GesimdheitSlehre gefordert; so heißt eS z. B. in der Ordnung für die Stadtschulen von Darmstadt aus dem Jahre 1802: »Mit der Lektion der Naturlehre ist abwechselnd Gesundheits- lehre, doch hauptsächlich in diätetischer Rücksicht, zu verbinden. ... Nach den verschiedenen Jahreszeiten, und besonderen Veranlassungen wird der Lehrer das Nötige vorzunehmen tvisien, zum Beispiel im Sommer vom Baden und von der Vorsicht dabei, im Monat August von der Verkältung, bei großer Kälte von den Vorsichtsmaßregeln gegen das Erfrieren der Glieder und von den Mitteilungen zu deren Wiederherstellung usw. reden, auch muß er in jedem halben Jahre die Wiederbclebungsmittel der Ertrunkenen, Erstickten und anderer Scheintoter vortragen, und sind dazu Struves Tabellen aus dem Schulfonds anzuschaffen und auf- zuhängen. Außerdem wird sich der Lehrer zur angelegenen Pflicht machen, die Jugend für den Glauben an Scharsrichter. Ouack- falber und Marktschreier, überhaupt für die Torheit derjenigen zu verwahren, die in Krankheiten inimer ihr Vertrauen am liebsten auf solche Personen setzen, die am wenigsten Beruf dazu haben.' Hausgesundhcits-Katechismus war nun das Buch, daS solche» Unterweisungen vor hundert Jahren am häufigsten zugrunde gelegt wurde; es bestand aus zwei Abteilungen: „Von der Gesundheit' und„Von Krankheiten'. Die sechzehn Ab- schnitte des ersten Teils enthielten 109 Fragen; sie handelten u. a. von der Gesundheit und ihren Kennzeichen, von der Wartung kleiner Kinder, von der Luft, der Reinlichkeit, der Kleidung, den Wohnungen, vom Brote und den Speisen, dem Wein und Branntwein und dem Tabak. Die zweite Abteilung mit acht Abschnitten und 94 Fragen be- schästigte sich u. a. mit dem Verhalten in Krankheiten und Fiebern, mit den ansteckenden Krankheiten, dem Verhalten nach Krankheiten, den Schulen. Von der Art des Buches möchten wir nur noch durch zwei Proben ein Bild geben. 171». Sind Leckerbissen den Kindern schädlich? Ja. Leckerbissen, fette, teigige Mehl- oder Obstkuchen oder Back- und Zuckerwerk und alle süßen Sachen find den Kindern sehr schädlich. 171d. WaS schaden die Süßigkeiten? Sie sind nicht nur dem Körper ungesund, sondern die Kinder werden dadurch auch zur Leckerhaftigkeit verwöhnt, sie Iverden weichlich, empfindlich, eigen- sinnig, halsstarrig und selbstsüchfig. Alles sollen ihnen süß sein und alles soll nach ihrem Kopfe gehen; und da in der Welt vieles sauer ist, und vieles nicht nach ihrem Kopfe geht, so werden es mißmutige, mißvergnügte, Unglück- liche Menschen. 867b. Wie könnte die Obrigkeit an den mehrsten Orten die ansteckenden Krankheiten und den Tod unzähliger Menfchen verhüten? Wenn sie die ersten ansteckenden Kranken an jedem Ort von der Gemeinschaft der Gesunden inbesondere, zu diesem Zweck errichtete Krankenhäuser absonderte; so würden an diefen Ocrtern sich ansteckende Krankheiten niemals verbreiten und das Leben unzähliger Menschen würde gerettet werden.'� Faust ist 1842 gestorben; sein Grab in Bnckeburg trug später einen Denk- stein mit der Widmung: Dem deutschen Manne, dem warmen Freunde der Menschheit, dem Wohliäter der Jugend weiht diesen Stein die dankbare Schuljugend BückeburgS.' Astronomisches. Der MarS am 24. September. Am 24. September er- reicht der Planet MarS seine größte Erdnähe in der sogenannten Opposition, d. h. in der Stellung, in der die Erde gerade zwischen Sonne und Mars steht. Seit dem Jahre 1892 ist der MarS nicht auf so geringen Abstand in den Bereich unserer Fernrohre gelangt. Schon seit einigen Monaten kann man keine himmelskundliche Fachzeitschrift ausichlagen, in der nicht eine Reihe von Veröffentlichungen über den MarS enthalten wäre, weil eben viele Beobachter diese günstige Gelegenheit ausnutzen. Die Entfernung zwischen der Erde »ind dem Mars während der Opposition kann sehr verschieden sein, nämlich zwischen 66 und etwa 93 Millionen Kilometer. Der Unter- schied ist so groß, daß der scheinbare Durchmeffer des Planelen, wie er von der Erde aus gesehen wird, bei deffen größter Nähe fast doppelt so groß ist, als während der größten Entfernung, nämlich 25 gegen 13 Bogcnsekunden. Selbstverständlich treten die aller- günstigsten Verhälwiffe dann ein, wenn während der Opposition gleichzeitig der Mars in der größten Sonnennähe, die Erde in der größten Sonnenferne steht. Deshalb würde die ideale Gelegenheit eintreten für eine Opposition etwa in der letzten Ailgustwochc und dies war ungefähr im Jahr 1377 der Fall, als der MarS die größte Erdnähe für das ganze neunzehnte Jahr- hundert erreichte. Die ungünstigsten Umstände würden bei einer Opposition im Februar eintreten, und dies geschah im Jahr 1901. Wie bedeutsam diese Unterschiede für die Praxi« der astronomischen Beobachtung sind, wird am besten durch die Tatsache veranschaulicht, daß in dem genannten Jahre 1377 die ersten der so berühmt gewordenen Marskanäle durch Schiaparelli entdeckt wurden und fast gleichzeitig damit auch die beiden Marsmonde durch Asaph Hall , der Dcimos und PhoboS , benannt nach den beiden Rosien vor dem Kriegswagen des homerischen MarS . Bei der diesjährigen Opposition wird sich der MarS der Erde auf rund 68,3 Millionen Kilometer nähern, jedoch ist der Ab- stand am 18. September um etwa 260000 Kilometer geringer. 5kach dem Durchgang durch die Opposition niinml dann der Abstand fort- gesetzt zu, der scheinbare Durchmesser des Planeten demgemäß ab. Am 24. September— gemeint ist übrigens damit die bürgerliche Zeit, während die Opposition nach astronomischer Zeit am 23. September 22 Uhr erfolgt— mißt dieser scheinbare Durchmesser des Planeten 23,9 Bogenseknnden. Am 1. November wird er bereits auf 17.8, am 1. Dezember auf 12.7 Bogensckunden herabgegangen sein. Günstig ist für die diesjährige Beobachtung auch der Umstand, daß der Planet sich zur Zeit der Opposition ziemlich hoch über dem Horizont befindet. Für die Breite von Berlin erhebt er sich bis gegen 36 Grad, für die der Flagstaff-Sternwarte, wo ihm sein be- I anderer Liebhaber, Profeffor Lowell, mit dem größten Eifer zu Leibe gehen wird, mehr als 60 Grad über den Horizont. Der Planet wendet der Erde seinen Südpol zu, indem die Erde sich zur Zeit der Opposition etwa 20 Grad unter der Ebene des Mars - äguators befindet. Da kurz zuvor auf dem MarS die sommerliche Sonnenwende für die südliche Halbkugel eingetreten ist, so muß sich die Schneekappe um den Südpol des Mars bereits im Zu- stände der Schmelzung und Auflösung befinden, WaS auch bereits von verschiedenen Beobachtern berichtet worden ist. Wir wollen nun also den Astronomen für diese Zeit nur ein recht wolkenloses Wetter ,md eine klare, sichtige Luft wünschen, damit die seltene Gunst des Horoskops, die sich erst nach Jahrzehnten wieder- holen wird, recht ausgenutzt werden kann und vielleicht neue Auf- klärungen über die so viel besprochenen Rätsel des Mar? gebracht werden mögen. Medizinisches. Ein neues Arzneimittel. Die Pflanzenwelt der Erde ist doch noch längst nicht so gründlich und erschöpfend durch- forscht, daß nicht noch ziemlich häufig entweder ganz neue Pflanzen entdeckt oder an schon bekannten Gewächsen neue Eigen- schaften aufgefunden werden, die dem Menschen in irgendeiner Weise von Nutzen sein können. Jetzt richtet die„Pharmazeutische Union' die Aufmerksamkeit der Apotheker und Aerzte auf den Wert einer Frucht, die bisher ein wenigstens in Europa un- beachtetes Dasein gefristet zu haben scheint. Es handelt sich um eine in Mexiko heimische Pflanze, die, nach ihrem Wissenschaft- lichen Namen, Casimiro» editlis, zu schließen, irgendetwas von den Eingeborenen als eßbar Betrachtetes an sich zu haben scheint. Sie gehört zu der natürlichen Ordnung der Rutazeen oder Rauten» gewächse, deren Vertreter schon viele Arzneimittel geliefert haben. Zu derselben Familie werden übrigens auch die Orange und Zitrone gerechnet. Die Früchte der mexikanischen Rautenpflanze haben die Wirkung, schmerzstillend, beruhigend und einschläfernd zu wirken und sollen in Südamerika schon längere Zeit dafür be- kannt und auch benutzt worden sein. Dr. Robin hat sich etwas davon verschafft und zwei Jahre lang Versuche damit gemacht, und äußert sich jetzt fast begeistert über die Wirksamkeit dieses unserer Medizin bisher ganz fremd gebliebenen Pflanzenstoffcs, nament- lich zur Erzielung von Betäubng und zur Hebung von krampf» artigen Erscheinungen. AuS den Früchten wird ein Auszug her». gestellt und dieser in Dosen von 1 bis 2 Teelöffeln verabreicht. Nach 2 oder 3 Stunden tritt ein ruhiger, traumloser Schlaf ein, der alle Aehnlichkeit mit dem natürlichen Schlaf besitzt. Er dauert 6 oder 6 Stunden, und die Kranken erwachen ohne Kopfschmerz. Ermüdungsgefühl oder Uebelkeit. Der Stoff ist so harmlos, daß er auch bei alten Leuten sowie bei Nieren- und Nervenleidenden empfohlen werden kann, jedoch ist eine gewisse kräftige Wirkung, wie sie ja den meisten kräftigen und daher heilsamen Pflanzen» stoffen anhaftet, bei großen Gaben zu befürchten, und man sollte daher über zwei Teelöffel niemals hinausgehen. Man wird den weiteren Untersuchungen deS Saftes der Casimiroa mit Er- Wartung entgegensehen, denn es scheint nach den noch sonst in den medizinischen Fachschriften erschienenen Berichten, daß eS. sich hier um einen sehr einflußreichen Pflanzenstoff handelt. Bevor er aber eine ausgiebige Verwendung finden kann, wird man genauer wissen müssen, in welcher Art seine Wirkung zu- stände kommt und welche Organe dabei vorzugsweise beeinflußt werden. Nach der Angabe mexikanischer Aerzte übt der Saft eine lähmende Wirkung auf die Atmung aus, und das wäre bedenklich; .jedoch haben die französischen Forscher dieser Angabe wider- sprachen. Immerhin haben sie wiederum eine Beeinträchtigung des Herzmuskels bemerkt, die eine Ausnutzung der Arznei bei Kranken, die mit ihrem Herzen nicht in Ordnung sind, ausschließen würde. Von anderer Seite ist wiederum hervorgehoben worden. daß der Saft eine Wirkung auf das Hirn besitzt, rasch ein Ab- nehmen der Sinnes- und Geistestätigkeit verursacht und auf diese Weise die Schmerzempfindung aufhebt. Große Tosen sollen fast vollständig und langdauernde llnempfindlichkeit herbeiführen, aber auch Merkmale schwerer Vergiftung bedingen. Sicher scheint so viel zu sein, daß durch den Saft die Temperatur des Körpers herabgesetzt, die Atmungsbewegungcn vermindert und die Zahl und Energie der Herzschläge beeinträchtigt wird; ferner läßt auch die Blutspannung nach, und es tritt eine Erweiterung der Ge- säße ein. Auf alle Fälle läßt sich damit rechnen, daß die Medizin nach gründlicher Forschung und bei der nötigen Vorsicht in der Anwendung mit einem so kräftig und in bestimmter Weise wirkenden Stoff etwas Bedeutendes wird anzufangen wissen. Verantwortl. Redakteur: Emil Ungcr, Berlin.— Druck u. Verlag: Borwärt« Buchtruckerei u.PerI-g»anstaltPaul Singer S-Eo.. Berlin LW.
Ausgabe
26 (23.9.1909) 185
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