Pleonasmus und Tautologie in unterer Spracde. Man spricht von Pleonasmus tgriech.---- Ueberfluß). wenn mehrere gleichbedeutende Wörter nebeneinander gebraucht werden, um einen einzigen Begriff oder Gedanken zum Ausdruck zu bringen, wenn also eine unnötige Worthäusung vorliegt. Besonders drastische Beispiele dasür sind Verbindungen wie.alter Greis", „weister Schimmel",„schwarzer Rappe",.kleiner Zwerg",.grostcr Riese" usw. Elwas ähnliches ist die Tautologie sgriech.— Dasselbesagen, Wiederholung); sie besteht darin, daß nian das eben Ausgesprochene noch einmal, nur mit anderen Worten sagt. Tautologische Bildungen sind z. B.:„einzig und allein",„an und für sich",„samt und sonderö",.nie und mmmer",„wahr und wahrhaftig",„bereits schon" usw. Beide Spracherscheinungen finde» sich auch in zusammen- gesetzten Wörtern,' und zwar bei nicht mehr ver- stände nen deutschen Ausdrücken und bei u n v e r- st andenen Fremdwörtern. Für die erste Kategorie seien folgende Beispiele angeführt;, w a ck e" ist ein mittelhochdeutsches Wort, das so viel wie Stein bedeutet; da man es aber nicht mehr verstand, bildete man den pleonastischen oder tautologischen(cS ist kaum möglich, die Unterscheidung stets ausrecht zu erhalten) Ausdruck .W a ck e r st e i n", der wohl den meisten Deutschen aus dem Rotkäppchen-Märchen bekannt ist. Ebenso steht es mit der Bezeichnung .W i r s i n g k o h l" und dem Lutherschen„S ch a l k s k n e ch t"; „w i r z" heißt nämlich schon Kraut oder Kohl, und„schall " ist nichts anderes als Knecht. Das Wort„schall " steckt z. B. noch in dein anscheinend so„vornehmen" Ausdruck.Marschall", der ursprünglich nichts anderes als— Pferdeknecht bedeutet(mar >=- Mähre, Pferd). Der.Lintwurm" de? Nibelungenliedes wird oft mit der Linde in Verbindung gebracht, unter der Siegfried den schrecklichen Drachen getötet haben soll; deshalb wird auch häufig.Lind» W u r in" geschrieben. Tatsächlich hat das Wort aber eine ganz andere Bedeutung: lint(altnordisch linnr) ist gleich Schlange und w u r ni ebenfalls. Auch die Bezeichnung.Lebkuchen", bei der man un- willkürlich an leben denkt, ist tautologischer Natur, wenn die wissen- schaflliche Deutung des Wortes richtig ist; man vermutet nämlich, daß darin das lateinische libnm(— Opfer k n ch e n) steckt, so daß demnach, der Begriff des Kuchens zweimal darin entHallen ist. .Sprichwort" ist tautologisch zusammengesetzt auS Wort und dem seltenen Substantiv. s p r i ch e", das ebenfalls Wort bedeutet.—.Windschief" hat nichts mit Wind zu tun; vielmehr rührt der Ausdruck von einem alten deutschen Adjektivum (Eigenschaftswort).wind"(nordisch vindr, vind) her, das mit winden zusammenhängt und schon allein schief bedeutet. Am Rhein und in Westfalen tvird noch heute. w i n d s ch" in dem- selben Sinne gebraucht. Bisweilen wird ferner dem Namen einer SpecieS(Art) die Bezeichnung des Genus(Gattung) pleonastisch hinzugefügt. Das ist der Fall bei.Windhund", worin ebensowenig Wind steckt wie in„windschief". Vielmehr bezeichnet„ w i n t " schon allein diese Hundeart. In der Bibel und bei Rückcrt fehlt auch noch der angehängte Gattungsname Hund; nur wird das Wort hier bereits„Wind" geschrieben, was offenbar auf Volks- etbymologie zurückzuführen ist.— Ebenso verhält es sich nnt .Walfisch" statt des einfachen Wal und nnt dem bereits in Nr. 180 des Unterhaltungsblattes(Seite 718) erklärten„Maul- e s e l" oder.Maultier", wo Esel und Tier auch nur pleonastisch hinzugefügt sind.— Die gleiche Erscheinung liegt bei dem Namen„Weichselkirsche " vor. bei dem man unwillkürlich an den Weichsel ström denkt, während in Wirklichkeit der mittel- hochdeutsche Ausdruck wihsel(althochdeutsch: wlhsela) schon an sich diese saure Kirsche bedeutet.— Auch„ T u f st ei n" ist eine pleonastisch»tautologische Bildung: diese Steinart hieß ün Griechischen t o p b o s, im Lateinischen t o p h n s oder tofus, woraus im heutigen Italienisch„tufo" geworden ist. Der angehängte Genusname Stein ist also überflüssig. Schließlich seien noch einige Beispiele genannt für die ein- gangs erwähnte zweite Kategorie derartiger Sprachbildungen: tautologisch oder pleonastisch umgebildete Fremdwörter. Dahin gehören Bezeichnungen wie die häufig in Zeitungen und von schlechten Schriftstellern gebrauchte„Guerilla-Krieg"; das spanische Wort„guerilla" heißt nämlich schon allein so viel wie„kleiner Krieg". Auch der oft gehörte Ausdruck„das(oder ein) Eldorado" ist nicht korrekt; denn das. gleichfalls spanische »«l dorado" bedeutet schon. d a S Goldland". kleines Feuilleton. Astroxomisches. Ein Meteor im Sonnenschein. Ein Meteor von so großer Helligkeit, daß es sogar bei Tage und bei vollem Sonnen- schein in auffallender Weise sichtbar ist, gehört zu den großen Seltenheiten, nnd es wird nur wenig Leute geben, die einen solchen Anblick einmal genossen haben. Der bedeutendste lebende Kenner der Meteoriten überhaupt, Profeffor Denning, faßt in der„Nature " die Mitteilungen über ein derartiges Naturereignis zusammen, das sich am 6. Oktober, etwa&U Uhr vormittags, über dem mittleren England gezeigt hat. Das Meteor wurde an ver- schiedenen Plätzen eines sehr ausgedehnten Bezirks wahrgenommen, doch lauten die Angaben über seine Flugbahn begreiflicher- weise unbestimmt, weil am Tageshimmel die Anhaltspunkte für ihre Verfolgung fehlen, wie sie in der Nacht durch die Sterne dargeboten werden. Außer dem starken Glanz wird die langsame Bewegung des Meteors hervorgehoben, das für einen freilich langen Flug ungefähr 4 Sekunden brauchte und einen leuchtenden Schweif von kurzer Dauer hinterließ. Ein Augenzeuge in Bristol berichtet, daß es schließlich raketenartig explodierte. ES tauchte am südlichen oder südöstlichen Himmel auf, wahrscheinlich auS einem der Sternbilder des Löwen, der Jungfrau oder des Bootes. An einem andern Platz wurde ein lautes Geräusch 4 Minuten nach dem Verschwinden des Meteors wahrgenommen, was auf eine Entfernung von rund 80 Kilometer schließen läßt. Der Schall einer Explosion wurde noch an zahlreichen anderen Orten vermerkt und war hier und da so stark, daß Türen und Fenster zitterten und die Leute auS ihren Häusern stürzten in dem Glauben, daß ein Erdbeben geschehen sei. Das schließliche Zerplatzen erfolgte wahrscheinlich in der Nähe der Stadt Northampton und der Himmelskörper muß über London selbst oder über seine nächste Umgebung hinweg geflogen sein. Außerdem werden Berichts über drei ansehnliche Meteore aus Dänemark verzeichnet, deren eines mit einem auffallenden Geräusch verbunden war, das dem Zischen von entweichendem Dampf glich. Erziehung und Unterricht. Die Konfession Slosigkeit der Schule hat sich in Frankreich , wie Ferdinand Buisson , der frühere Ministerialdirektor nn französischen Unterrichtsdepartement, in den„Dokumenten des Fortschritts" schreibt, derart nnt der allgemeinen Landessitte ver» schmolzen, das; niemand daran denkt, sie wieder rückgängig zu machen; ein Menschenalter hat genügt, um die völlige Trennung von Kirche und Schule in Frankreich zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Vollzöge sich heute ein politischer Um- scbwung, der die Macht wieder aus den Händen der radikalen Partei nehme, auch ihre Gegner würden nicht daran denken, den Katechismus wieder in der Schule lehren zu lassen oder Priester nnd Ordens- schwestern wieder dahin zurückzuberufen. Die weltliche Schule ist dürckaus nicht so unpopulär, als man ehedem gemeint hat, ja, heute hat sogar die Kirche ihren Widerstand aufgegeben und verkündet feierlich, daß gerade die völlige Neutralität der Schule in religiöser Beziehung ihr selbst genehm, ihr eigenes Ziel sei; nur die Durch- dringung des Unterrichts mit antireligiösen Gedanken wolle sie ver- hindern. Gewiß wird vielfach— und mit Recht— gesagt, daß dieser Standpunkt nur taktischen Beweggründen entspringe und daß die Kirche, käme sie jemals wieder in Frankreich zur Herrschaft, zweifellos zur konfessionellen Schule zurückkehren werde. Aber eben diese Taktik der Kirche zeigt, daß sie jeden Gedanken an eine der- einstige Wiedererlangung der Herrschaft aufgegeben und sich mit der Neutralität der Schule bereits versöhnt hat. Niemand wagt es, deren Konfessionslosigkeit offen zu bekämpfen. Auch bisher wurden über die Beseitigung der alten Schranken hinaus noch nicht jene positiven Maßregeln getroffen, die das Werk der konfessionslosen Schule auch in moralischer Hinsicht zu einem wahrhaft positiven gestalten könnten. Wohl hat man sofort versucht, einen Moral Unterricht einzuführen, aber eine wirkliche Methode ist bis jetzt noch nicht in ihn gebracht. Jules Ferrh pflegte zu sagen:.Begnügen wir uns mit der guten alten Moral unserer Bäter", und tatsächlich hat man sich damit begnügt. Man gab den Lehrern die Freiheit, in ihnen prakttsch erscheinender, empirischer Weise an Hand von Beispielen aus dem praktischen Leben und der Geschichte den Kindern die Grundsätze der Selbstzucht und Nächstenliebe, Bürgerpflicht und Vaterlandsliebe einzuprägen. Jene Grundsätze der Moral, wie sie sich im Laufe der Jahr- hunderte ausgebildet haben und von den Erwachsenen als selbstverständlich angenommen werden, sollen als ebenso selbst- verständlich auch der neuen Generation überliefert werden: ein Be- wahren der alten christlich-moralischeu Kultur ohne deren dogmatische Grundlagen, nicht die Schöpfung einer neuen Moral respektive deren Anpassung an die neuen sozialen Verhältniffe und die neuen wissenschaftlichen Wahrheiten, wird versucht. Mehr und mehr wird dies als ungenügend empfunden. Wir fordern, daß der neue Moraluntcrricht nicht bloß denselben Zielen diene wie der religiöse Unterricht von ehedem, sondern daß er neue Werte schaffe, daß er auf die Veredelung der Sitten des Volkes eine» entscheidenden Einfluß ausübe. Das aber wird nicht möglich sein, so lange der Moralunterricht weiter in der bisherigen Weise rein empirisch-traditionell gegeben wird, so lange nicht die neue Moral der sozialen Solidarität, welche Gemein- gut der Edelsten des französischen Volkes geworden, auch offen und bewußt als Moral des Staates betrachtet und in de» Schulen gelehrt wird. Berantm. Redakteur: Emil Nuger, Grunewald.— Druck u. Verlag: Vorwärts Buchsruckerei u.PcrlngsanstaltZaul Singer ch«o.. Berlin L W.
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26 (20.10.1909) 204
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