als NmverMtSlebrer KebeutendeZ geleistet. Aber der Ruf von alle dem wäre nicht über einen verhältnismäßig engen Kreis hinan»» gedrungen. Wenn beim Anblick des Mommien-Denkmals sich nicht so viele wie bei den meisten anderen Berliner Denkmälern fragen werden, was der da eigentlich getan, um ein Monument zu ver« dienen, so liegt das an dem Monument, das sich Mommsen selber schon vor mehr als einem halben Jahrhundert errichtet hat, an der Römischen Geschichte', deren erster bis dritter Band 1854 bis 1856 herauskamen und ihrem Verfasser rasch seinen Weltruf erwarben. An dem berühmten Wer! ist vom sozialistischen Standpunkt aus nicht wenig auszusetzen. Schon Marx hat imKapital' auf die vielen ökonomischen Verwechselungen Mommsens hingewiesen. In der Tat erscheinen bei Mommsen altrömische Verhältnisse vielfach rn einer Weise modernisiert, die nicht der historischen Wirklichkeit ent- spricht. ES ruft schiefe Vorstellungen hervor, wenn er in den Klassen- kämpfen der römischen Revolutionszeit Konflikte zwischen Kapital und Arbeit erblickt, die Banden Dolabellas als diedamaligen Kommunisten' anspricht und dergleichen Dinge mehr. Auch hat der liberal-manchesterliche Standpunkt erheblich zur Färbung der Tal- fachen beigetragen. Bei alle dem ist aber das Mommiensche Buch in seiner Art ein klassisches Werk, das zu den Zierden unserer Literamr gehört. Die glänzende Darstellung, die geniale Stoff- beherrschung, der lebhafte Wirklichkeitsfinn. die rücksichtslose lln- abbängigkeit des Urteils unterscheiden das Mommseuiche Werk vor- teilhast von so ma«chen deutschen Geschichtsbüchern, die unerträglich trocken sind. anS den �kritischen Zweifeln nicht herauskommen, von der Weltfremdheit ihrer Verfasser zeugen, und von mannhafter Ge- sinnung nicht viel verspüren lassen. Gerade in dieser letzten Hinsicht sticht Mommsen sehr zu seinem Borteil von manchem anderen deutschen Historiker ab. Der freiheitliche Standpunkt deS Politikers von 48 lugt auch auS seinem Werke, das im tollen Jahre konzipiert wurde, überall hervor. Und so ist dieRömische Geschichte" überhaupt ein Kind der 48er Revolution, an der Mommien als Journalist und Redner im besten liberalen Sinne tätigen Anteil genommen hat. Wegen des freilich sehr anfechtbaren GenielultuS, den Mommsen mit Julius Cäsar treibt, hat man ihn wohl unter die Fürsprecher des Cäsarismus gerechnet. Um sich dagegen zu verwahren, schob er in die zweite Auflage seines dritten Bandes eine Stelle ein, in der es unter anderem heißt:Nach dem gleichen Naturgesetz, weshalb der geringste Organisnms unendlich mehr ist als die kunstvollste Maschine, ist auch jede noch so mangelhaste Verfassung, die der freien Selbstbestimmung einer Mehrzahl von Bürgern Spielraum läßt, unendlich mehr als der genialste und humanste Absolutismus: denn jene ist der EntWickelung fähig, also lebendig, dieser ist. was er ist, also tot.' Mommsen hat auch nicht den geringsten Respekt bor der bloßen Legitimität, sondern verficht das Recht auf Revolution. Wo er von den Gracchen bandelt, erklärt er:Für die Geschichte gibt eS keine Hochverratsparagraphen; wer eine Macht im Staate zum Kampfe aufruft gegen eine andere, der ist gewiß ein Revolutionär, aber vielleicht zugleich ein einsichtiger und prciSwürdiger Staatsmann.' An eine Schilderung der reaktionären Wirtschaft nach Sulla knüpft Mommsen einen allgemeinen Grundsatz, der für seine Auffassung so charakteristisch ist, daß er verdient hätte, als Sinnspruch an dem Denkmal angebracht zu werden. Da heißt es nämlich zuerst, daß eine Regierung wie diese aufhört, legitim zu sein, und wer die Macht dazu, auch das Recht habe, sie zu stürzen, und weiter:Zwar ist es leider wahr, daß eine unfähige und ver- brecherische Rcgterung lange Zeit dos Wohl und die Ehre des Landes mit Füßen zu treten vermag, bevor die Männer sich finden, welche die furchtbaren Waffen, die sie selber gegen sich geschmiedet, regieren und aus der sittlichen Empörung der Tüchtigen und dem Notstande der vielen die in solchem Falle legitime Revolution heraufbeschworen können und wollen. Aber wenn das Spiel mit dem Glücke der Völker ein lustiges sein mag und wohl lange Zeit hindurch ungestört gespielt werden kann, so ist eS doch auch ein tückilches, das zu seiner Zeit die Spieler verschlingt: und niemand schilt dann die Axt, wenn sie dem Stamm, der solche Frucht trägt, sich an die Wurzel legt.' Daß der alte Achwndvierziger. der so gedacht und gesprochen hat, jetzt von der offiziellen Welt auf die landesübliche Art gefeiert wird, darin liegt gewiß ungewollte Komik. Es soll sich nur kein Privatdozent ein- bilden, daß er nun auch in dasselbe Horn stoßen dürfe wie Mommsen . Es könnte ihm sonst noch heute gehen wie dem jungen Mommien 1851 in Leipzig , wo er zwar in dem wegen seiner politischen Be- tätigung gegen ihn angestrengten HochverratSprozetz von der Be- rufüngSinslanz die neun Monate Gefängnis deS ersten Urteils wieder abgenommen bekam, von der Regierung aberzum Besten der Uuiversilät' seines DozcnrenamteS enthoben wurde, weil er in den Maitagenöffentliches AergerniS gegeben und ein sehr schlechtes Beispiel für die akademische Jugend ausgestellt' habe. An die preußische Universität Breslau übergefiedelt. bezog er bald wegen seiner politischen Betätigung eine ministerielle Verwarnung, worauf er mit der Verwahrung antwortete, daß er sich nie, auch nur durch Stillschweigen an dem mitschuldig machen werde, waS er aus Ueberzeugung mißbillige. Diesem ManneSmut ist Mommsen bis an fein Lebensende treu geblieben. Er hat in seinen letzten fünfund- zwanzig Jahren die ganze deutsche Reaktionswirtschast der Bismarck- 'chen wie der NachbiSmarckschen Zeit immer wieder aufS rücksichtS- loseste gegeißelt. Man ließ ihn im wesentlichen ungeschoren, weil man sich wegen seiner europäischen Berühmtheit nicht an ihn herantraute: ähnlich wie sogar die ruffische Regierung die Hände von Tolstoi läßt. Wie gern man ihm aber etwas am Zeuge geflickt hätte. zeigt der Bismarcksche Strafantrag gegen Mommsen von 1882, wobei der Kanzler allerdings gänzlich hereinfiel: er hatte sich durch den von Mommsen in einer Charlottenburger Wählerversammlung erhobenen Vorwurf getroffen gefühlt, daß die Schutzzöllnerei die ge- meinste Jnteressenpolitik sei, eine Schwindelpolitik, die auf Ausbeutung der Mafien hinauslaufe; auch war dem Junker Bismarck gewiß die Wahrheit über die preußischen Edelsten und Besten nicht angenehm gewesen, daß sienichts sink als Korn- spelulanten und Branntweinbrenner'. So hat Mommien nie mit seiner Meinung hinter dem Berge gehalten, und eS ist ihm in seinen letzten Jahren eine bittere Enttäuschung gewesen, die gleiche Mannhaftigkeit nicht beim Gros seiner Kollegen anzutreffen. Als er bei Gelegenheit deS Falle? Spahn die deutschen Profcsioren aufrief zum Kampf für die Freiheit der Wiffenschast, da war der Widerhall sehr schwächlich. Er mußte sich überzeugen, daß er sehr viele seiner Kollegen überschätzt habe, wenn er glaubte.eS gehe durch die deutschen Univerfirätskreise ein Gefühl der Degra- dierung.' Noch einmal ist Mommsen dann hervorgetreten: im Dezember 1962. als die Brotwuchermehrheit des Reichstages auf dem Wege deS Rechisbniches, vermittelst des Antrages Kardorff, den Raub m Sicherheit brachte. Da forderte Mominsen zum Kampf auf gegen das o st elbische Junkertum und die ihm verbündete Kaplano» kratie. Lange hatte er ein eingewurzeltes Vorurteil gegen die Sozialdemokratie gehegt, so daß er sich sogar zeitweilig fiirS Sozialistengesetz ausgesprochen hatte. Aber als frei und fähig zn lernen, kam er dahin, bei grundsätzlichem Festhalten am Liberalismus doch der Sozialdemokratie gerechter zu werden. Er nahm nun auch keinen Anstand, in dem offenen Brief vom Dezember 1902 feine Ueberzeugung offen auszusprechen. Als einziges Heilmittel gegen die Reaktion empfahl er leinen liberalen Parteifreunden bekannt­lich vergebens eine Koalition mit der Sozial» demokratie unter Ausschluß derSchein- liberalen'. Wenn er noch erlebt hätte, wie der Freisinn, weit entfernt von allen Gedanken an ein Bündnis mit den Sozialdemokraten, sich den Junkern in die Arme warf, kein Zweifel, Mommien hätte auch seinen Parteigenossen als bloßen Scheinliberalen den Rücken gekehrt. Weniger schmiegsam als so mancher andere blieb er den freiheitlichen Idealen seiner jungen Jahre treu, in denen er einmal, als Teilnehmer an einer Hamburger Straßendemonstration vom Frühling 1848 eine Verwundung erlitt. Er war eben kein bloßer Stubengelehrter, wie man nach dem Denkmal leicht annehmen könnte, sondern ein vollsaftiger Mensch, dem nichts Menschliches fremd blieb, und deshalb war er auch bloß imstande, dieRömische Geschichte' zu schaffen. ES ist nicht möglich, den Gelehrten Mommsen von dem Demo- kraten zu sondern. Es ist derselbe Achtundvierziger, der die Römische Geschichte' geschrieben und der heutigen offiziellen Welt abgesagt hat. Von dem, waS Deutschlands herrschende Klaffen trieben, hatte seit langen Fahren nichts mehr seinen Beifall. Wenn sich jetzt eine gemischte Gesellschaft von hochmögenden und ver- mögenden, betitelten und bemittelten Leuten feiernd vor dem Denk« mal des Mannes zusammengefunden hat, der für die in die alte Staatsmaichine eingepreßten Geister, die Schreibmaschinen der Bureaus, für die hoffnungslose Feigheit und die kopfschüttelnde Klug- heit der nachhinkenden Kleingeister nie etwaS übrig hatte, so spotten sie ihrer selbst und wiffen nicht wie.». o. Kömglicbc fiobeit.*) Dieser Roman spielt nur in den höchsten Sphären derer, die sich im Leben nur die eine Mühe gegeben, geboren zu werden, und er klingt in eine fürstliche Hochzeit aus, die nicht nur das Glück zweier Menschen, sondern gleich eines ganzen Landes besiegelt, und doch gibt es in der ganzen neueren Literatur kein Buch, das die Pfefferbüchse eines schonungsloseren Spottes über dem mon- archischen Beruf schwenkte, als dieses. Lebten wir in den Tagen der Mainzer Zentraluntersuchungsiommifsion, die Häscher wären aufgescheucht hinter diesem Buch her, und sein Verfasser, Thomas Mann , dürfte sich die Welt aus der Perspektive irgendeiner bundesstaatlichen Festungskasematte ansehen. Freilich ist es kein Fürstenspiegel, wie er wohl dem radikalen bormärzlichen Bürgertum Wohlgefallen hätte; es ist kein Werk, das in Flammenschrift an seiner Stirn das Donnerwvrt: In tyrannazl trüge, und es ermangelt gar sehr aller anklägerischen Leidenschaft und aller pathetischen Akzente alles dessen ist, wo es sich um fürstliche Gewalten handelt, die bürgerliche Klasse von beute aus guten Gründen kaum mehr fähig. Aber doch löstKönig- liche Hoheit' Erschütterungen aus, die das monarchische Gefühl in die Luft sprengen allerdings nicht mit Dtinamit, sondern mit herzlichem Lachen. Diese Wirkung erzielt der Roman nicht etwa damit, daß er imSimplicissimus'stil karikiert: Thomas Mann ist kein Karikaturist, und in den Spiegeln, die er aufstellt, erscheint das Leben nicht verzerrt, wohl aber stark betont in seinen be- ') Königliche Hoheit, Roman von ThomaS Mann . Verlag von S. Fischer in Berlin