Bemerkung.«S fei fo wenig Denkwürdiges passiert, daß eS sich nicht lohne, don diesem Jahre etwas zu berichten, es sei denn, man wolle aus der Zeitung die lobhudelnde Beschreibung der Funda- mente und Ballen übernehmen, die Nero zum Bau seines Amphi- theaters beim Marsfelde verwenden ließ; aber, fügt er hinzu, es bestehe doch im Interesse der Würde des römischen Volkes die Einrichtung, daß so belanglose Ereignisse nicht in die Geschichts- werke(Annalen), sondern nur in die Zeitung(Tägliche Akten) auf- genommen würden. Vielleicht spielt er hier auf einen jener aller- orten bekannten patriotischen Historiker an, die einen höfischen Erundsteinlegungsrummel für eine Etappe der Weltgeschichte halten. Die römische Zeitung war datiert nach Tag, Monat und Konsul(der immer ein Jahr im Amt war). Zuerst kamen größere Mitreilungen aus Volksversammlungen, in der Kaiserzeit auch aus den Verhandlungen des Senats und der Gerichte, dann Stadt- Neuigkeiten und Anzeigen aus dem Privatleben. Der Satiriker Petronius gibt uns in einem Roman auch die Karikatur einer Zeitungsnummer. Er stellt es so dar, als hielte sich der Milliardärprotz Trimalchio eine eigene Zeitung über die Vorkommnisse innerhalb seines unermeßlichen Grundbesitzes. Die ironische Stelle lautet:„Ein Aktuar las folgendes vor, gleichsam wie tägliche Akten: Den LS. Juli, Auf dem Cumanischen Landgut, das dem Herrn von Trimalchio gehört, wurden heut geboren 30 Knaben und 40 Mädchen; in den Scheuern wurden eingebracht 500 000 Scheffel Weizen; gezähmt wurden bOO Ochsen. Am selben d. M. wurde ans Kreuz(Galgen) geschlagen der Kossäte Mithridat, weil er über das angeborene Genie unseres gnädigen Herrn eine zweifelnde Bemerkung gemacht hatte. Am selben d. M. wurden 100 000 Sesterzen bar bei der Bank deponiert, weil man das viele Geld nirgends mehr unterbringen kann. Am selben d. M. gabs ein Schadenfeuer im Pompcjuspark, das im Gebäude des Ver- Walters Nesta ausbrach.— Nanu? unterbrach hier Trimalchio, seit wann Hab ich denn den Park gekauft? Im vorigen Jahr erst, sagte der Aktuar, deshalb ist er auch noch nicht in Rechnung gesetzt. Da schwoll Trimalchio vor Wut auf und schrie: wenn mein Kapital Grundstücke erwirbt, will ich davon schon innerhalb eines halben Jahres in Kenntnis gesetzt werden, usw." Man sieht aus dieser Karikaturprobe deutlich, daß die antike Zeitung sich des aus- geprägten Telegrammstils bediente. Auf die Tätigkeit des Reporters wirft eine Stelle bei Sueton einiges Licht. Da heißt es, Augustus habe von einer stilistisch unvollkommenen Rede Caesars geäußert, sie sei wohl von Aktuaren, die nicht recht hätten mitkommen können, nachgeschrieben worden, nicht aber von Caesar selber herausgegeben. Hierzu ist zu bemerken, daß die alten Römer schon stenographierten, aber nicht so perfekt wie wir. Uebcr Herstellung und Verbreitung der antiken Zeitung fehlen uns leider genauere Angaben. Man kann sich aber durch Vergleichung mit ähnlichen Einrichtungen etwas Aufschluß ver- schassen. Wichtige Aktenstücke wurden in Metall graviert; da? römische Staatsarchiv bestand aus Tausenden von Bronzeplatten. Oeffentliche Inschriften wurden auch in Stein gemeißelt, i Eilige oder minder wichtige Publikationen aber kamen ins Album(zu deutsch : weißes Brett). Dies war eine mit Gips weiß angestrichene Holztafel, auf der mit schwarzen oder roten Buchstaben geschrieben wurde. Auch Häuserwände dienten, erlaubt oder unerlaubt, diesem Zweck. Man darf also annehmen, daß auch die täglichen Akten in dieser Weise veröffentlicht wurden. Wer Lust hatte, machte sich hiernach Notizen in die wächserne Tafel, die jeder bei sich führte. Auch gab es Leute, die Cicero in seinen Briefen Operarii nennt, die das Abschreiben der Akten gewerbsmäßig gegen Lohn betrieben, also eine Art von Zeitungsverlegern. Wir wissen auch, daß Ab- schriftcn in die Provinz an die Statthalter und die Armee gingen; in England oder Mesopotamien z. B. war man natürlich nicht schlecht gespannt auf Nachrichten aus der Reichshauptstadt. Von der redaktionellen Vertuschungspolitik noch ein Beispiel: Es ist überliefert, Augustus habe ausdrücklich anordnen müssen, es solle in den Akten die Meldung erscheinen, er, der Kaiser, habe das von seiner Gattin Livia geborene Kind dem Claudius Nero zustellen lassen. Der Redakteur hatte diese ganze unsaubere FcHnilien- geschichte unterdrücken wollen. Livia war nämlick die vierte Frau des Augustus und er hatte sie sich von deren Mann, eben dem Claudius Nero, abtreten lassen, obwohl sie bereits von demselben im sechsten Monat sckwanger war. Wie man sieht, genierte die Sackte den Augustus sehr wenig. Auch der Kaiser Commodus war so frech, daß er alle seine schändlichen Streiche noch expreß im Stadtanzeiger bekannt machen ließ. Die Eroberung cles feltlanäes.*) Man nimmt an, daß die Erde einmal ein feuerflüssiger Ball war, der seine Wärme in den Weltraum hinausstrahlte und sich schließlich mit einer erstarrten Kruste von Urgestein bedeckte. Als diese äußerlich bis uicker 100 Grad abgekühlt war, mußte das Wasser, das bis dahin in ungeheuren Wolkenmassen den Planet umlagerte, sich auf der ganzen Oberfläche niederschlagen. Gewaltige *) Entnommen aus„Anleitung zur Beobachtung der Pflanzen- Welt" von F. Rosen.(Wissenschaft und Bildung Band 42.) Geb. 1,25 M. Verlag von Quelle u. Meyer in Leipzig . Regengüsse überschwemmten das Land, und dazwischen mögen die ersten freundlichen Sonnenstrahlen durch die gereinigte Atmo» sphäre bis zum Erdkörper gelan xt sein. So entstand das Urmeer. Ktein Zweifel, es bedeckte die ganze Erdoberfläche. Denn die Wassermasse der Ozeane ist so groß, daß sie heute nackt, wo sie stellenweise über 10 000 Meter tief ist, aus» reicht, um fast drei Viertel unseres Planeten zu decken. Damals aber mutz die Erdkruste leidlich eben gewesen sein, denn die ge- birgsbildenden Mächte, der Vulkanismus, die Faltung der Schichten infolge von Zusammenziehung des Erdinnern, und endlich die Erosion(Auswaschung) der Gesteine durch das Wasser— sie alle begannen erst ihre Tätigkeit. Im Urmeer denken wir uns die ersten Pflanzen entstanden, als die Atmosphäre sich so weit gelichtet hatte, daß die Sonne den neuen Geschöpfen ihre Kraft leihen konnte. Als aber die Ursprung» lich glatte Erdoberfläche allmählich mehr Relief erhielt, wurde das Urmeer eingeengt. Klippen, Inselgruppen stiegen auf und wuchsen zu Kontinenten heran, das Wasser aber zog sich mehr und mehr in die Klüfte zurück, die wir heute Ozeane nennen. Diese Um» wälzungen konnten auf das Leben der Pflanzen und Tiere nicht ohne Folgen bleiben, wuchs doch chre Zahl immer weiter, während ihr Wohnplatz sich verkleinerte. Freilich, das weite Meer bot immer noch einen ungeheuren Raum, aber all die neu entstandenen Tiefen, in welche das Licht nicht mehr eindringen konnte, waren den Pflanzen und den meisten Tieren verschlossen. Und auch die Oberfläche über den Abgründen war nur den Arten als Wohnort tauglich, die sich dauernd schwebend erhalten konnten, und das waren unter den Pflanzen nur wenige. Alle, die Ruhepausen auf dem Grunde des WasserS durchmachen mußten, oder gar ange- klammert auf festem Stand lebten, waren an seichte Stellen und an die Küstenlinien gebunden; noch heute ist das Leben hier tausendmal reicher vertreten als in der Hochsee. Die Küsten» pflanzen aber wurden gewiß oft in Lagunen eingeschlossen, die allmählich durch das Wasser des Festlandes ausgesüßt worden und alle Verbindungen mit dem Meer verloren; so mußten sich immer wieder Pflanzen und Tiere an das Sützwasserleben gewöhnen, wenn sie nicht ausstarben. Im ersteren Falle erhielten sie die wirksamste Vorbereitung für das Landleben, denn Teiche und Seen, Bäche und Ströme haben einen sehr wechselnden Wasserstand. Was hier dauernd leben will, muß zu wasserarmer Zeit die tiefsten Stellen aufsuchen können, wie die Fische, oder es muß befähigt sein, zeit- weiligcs Austrocknen zu ertragen. So wirken neue Verhältnisse in den Binnengewässern auf die Lebewesen ein. Die einen starben aus; sie bildeten die große Mehrzahl. Andere gewöhnten sich ein, und manche Pflanzen lernten längere Zeit ohne fließendes Wasser auszukommen, blieben aber im Grunde genommen Wasserpflanzen. Das zeigen uns heute noch Botrhdium und Baucheria; sie leben außerhalb des Wassers, hüten sorgsam ihren Vorrat an Zellsast, entnehmen auch wohl mit ihren Haftschläuchen Wasser aus dem Boden, aber ihre Fortpflanzung durch Zoosporen oder Geschlechtszellen ist nur möglich, wenn sie überflutet werden. Andere Organismen endlich beginnen die neuen Verhältnisse des Landlebens sich zunutze zu machen, emanzipieren sich auch in der Fortpflanzung von dem mütterlichen Element und gewinnen im Wind— ursprünglich ihrem schlimmsten Feind— einen kräftigen Helfer, der ihre Keime transportiert. Die wunder- lichen Schleimpilze, die wir früher kennen lernten, zeigen unS einen solchen Versuch, der bemerkenswert genug ist. Nach der Besicdelung des Urmeeres mit Pflanzen und Tieren hat es in der Geschichte unseres Planeten kein Ereignis von solcher Bedeutung gegeben, wie die Eroberung des Festlandes durch die Organismen. Denn alsbald verlegte sich der Schwerpunkt des Lebens. Im Kampf mit einer rauheren Umgebung stiegen die Festlandsbewohner zu ungeahnten Höhen der Entmickelung auf. Aus dem mineralischen Boden sogen sie ihre Kraft, die Gase der Atmo» sphäre machten sie sich dienstbar, und darüher wurde ihnen die uralte Nährmutter, die See, fremd, ja zur Feindin. Was aber draußen im Wasser geblieben ist, erscheint uns Landbewohnern wie eine fremdartige Welt, und wir denken kaum daran, daß wir es sind, die sich verändert haben, dem Altgewohnten fremd ge» worden find. Im Aufbau� der beiden Reiche der Tiere und der Pflanzen besteht ein gewisser vielleicht nicht zufälliger Parallelismus. Noch während des Wasserlebens haben beide Organisationen gewonnen, die ihnen das Landleben wenigstens einigermaßen ermöglichten, und hier und dort sind bald einzelne Arten, bald größere Gruppen Landbewohner geworden. Aus beiden Reichen warf die Natur aber zweimal eine ganze, gewaltige Welle von Organismen mit dauerndem Erfolg ans Land; die erste brachte niedere Lebewesen, von Pflanzen die Pilze, von Tieren die Insekten; die zweite führte die höchsten Klassen auf das Land, die Reihe der Moose, Farne, Blutenpflanzen und der Amphibien, Reptilien, Vögel und Säuge- tiere. In fossilen Resten werden unS die Pilze und die Insekten etwa zu gleicher Zeit, im Carbon bekannt. Zwischen beiden Gruppen findet man auch fernerhin mannigfache Vergleichspunkte. Beide find durch eine große-Artenzahl und Legionen von Individuen aus- gezeichnet, beide halten in ihren Abmessungen etwa die Mitte zwischen den Kleinen und den Großen unter den Lebewesen. Sie teilen sich in die gleiche Nahrung; faulende organische Substanz, die sie den Bakterien streitig pachen, beherbergt Maden und Pilze.
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26 (5.11.1909) 216
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