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zeigen. Schließlich gab man diesem Gesang eine ausdrucksvolle zieht sich auf den Stand des im Jahre 1887 bon dem Admiral Umrahmung, indem man mit Musikinstrumenten( Lauten, Flöten, Mouchez, dem Direktor des Pariser Observatoriums , angeregten Orgel usw.) eine dem Charakter des Stücks und seiner Teile ent­sprechende Begleitung ausführte. Alles, was uns heute charatteri­stisch für unsere Musik erscheint, das finden wir also schon in dieser Zeit als deutliche Anlage der späteren Entwickelung, die ihren Höhepunkt in Richard Wagner gefunden hat.

Diese Bewegung ging von Florenz aus, griff aber bald in Italien , nachdem einer der bedeutendsten Komponisten( Monte­ verdi ) fich auf diesem Gebiet betätigt hatte, weiter um sich. Und die katholische Kirche erkannte wohl. daß hier eine entwickelungs­fähige Neuerung geboren war. Anstatt sie also zu bekämpfen, ber­suchte sie vielmehr, diese Kunstform ihren Zwecken dienstbar zu machen. Hatte schon ein genialer Kardinal( Philippo Neri) zur Hebung der sinkenden Kirchenmusik künstlerisch bedeutende Musik aufführungen in römischen Betsälen( auf italienisch Ora torien genannt) veranstaltet. so übernahm man nun diese neuen Kunstformen direkt und setzte nur an Stelle von Göttern und Helden, von Zeus , Venus, Orpheus und Euridice fromme bole: man ließ Tugend und Laster, Furcht und Hoffnung und dergleichen in Person auf der Bühne auftreten, und so entstand das erste Oratorium, eine Mischung von Oper und Kirchenmusik. Es ist klar, daß der Hauptunterschied zunächst nur im Stoff bestand.

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Erst allmählich trat eine Klärung des Unterschiedes ein: das Oratorium verzichtete auf die Bühne und siedelte sich auf dem Konzertpodium an; wenn also nun die Darstellung von Ereig nissen geboten werden sollte, so bedurfte man einer Erzählung, two die Oper dem Zuschauer das lebendige Bild des Geschehens vor­täuschte. Zum Erzähler" wurde so ein Sänger, der in wenigen Worten schilderte, was sonst auf der Bühne beinahe die Hauptsache war. So kam es notwendig dazu, daß an Stelle dieses Ausfalls fünstlerischer Ersatz treten mußte. Der wurde erzielt, indem der Chor eine größere Rolle zuerteilt erhielt. als er ihn in der Oper besaß. Dort hatten die Chorsänger, die natürlich weniger virtuos zu fingen und schauspielerisch zu agieren verstanden als die " Solisten", nur eine Nebenrolle zu spielen. Nur in Ruhepunkten des dramatischen Verlaufs tamen fie zu Worte und nur in kürzeren Stücken. Da auch sie auswendig fingen und schauspielern mußten, so durfte ihre Aufgabe in musikalischer Hinsicht nicht kompliziert sein; so war der Chor das Stieftind in der Oper. Anders im Oratorium: hier, wo fein schnelles dramatisches Fortschreiten der Handlung stattfand, gab es viele Ruhepunkte. Und da war es die Aufgabe des Chors, in breit ausmalenden Schilderungen Situa­tionen, Empfindungen und selbst Geschehnisse wiederzugeben. Es ist llar, daß es sich hier um ähnliche Unterschiede handelt wie in der Dichtung: das Epos( etwa" Hermann und Torothea") ent­spricht dem Oratorium, das Drama der Oper. Der stoffliche Unter­schied ist allmählich geringer geworden, es gibt weltliche Oratorien und geistliche Dramen. Rein äußerlich allerdings ist die Oper an die Bühne, das Oratorium an den Konzertsaal gebunden. Wie es aber auch Dramen gibt, die man fast lieber liest, als auf der Bühne sieht( wie den zweiten Teil des" Faust"), so gibt es Musik­werte, die ebenso auf der Bühne wie im Konzertsaal wirken, z. B. die Legende von der heiligen Elisabeth" von Liszt .

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Es ergibt sich aus allem, daß eine scharfe Trennung zwischen Oper und Oratorium, so deutlich die Unterschiede in den aus­gesprochenen Hauptwerten zutage liegen, doch nicht zu ziehen ist. Beide Formen gehen durch zahlreiche verbindende Zwischenglieder ineinander über, ähnlich wie auch in der Natur der Uebergang zwischen Pflanze und Tier mur langsam erfolgt. Während das höchste Glied in der Tierreihe, der Mensch, von der Pflanze um eine Unendlichkeit entfernt ist, gibt es Wesen, von denen man auch heute nicht mit Sicherheit sagen fann, ob sie der Pflanzenwelt, ob der Tierwelt angehören. So gibt es auch oratorienartige Werke von so dramatischer Kraft, daß sie auf der Bühne eine starke Wirkung ausüben. und Opern von so feiner subtiler Ausführung, daß sie auch im Stonzertsaal entzüden. Und nicht nur in der modernen Musik! Auch viele Werte von Händel sind szenisch aufgeführt worden oder aufführbar. Im Belsazar" z. B. find manche Stellen( wie die Flammenschrift an der Wand erscheint und andere) zweifellos direkt aus der Phantafie des Opern tomponisten geschaffen; auch die lebhafte, dramatisch bewegte Art, wie in diesem Wert der Chor in die Handlung eingreift, weist auf die Bühne hin. Daß Hauptmann in den Webern" ja geradezu den Chor" die Masse des Volts zum Träger der Handlung gemacht hat, sei noch nebenbei erwähnt.

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Kleines feuilleton.

Aftronomisches.

Werkes, für dessen Vollendung eine bierzigjährige Arbeit vorgesehen ist. Der ganze Himmelsatlas ist auf 22 054 Starten berechnet, nicht eingerechnet einen aus 11 127 mit Beobachtungen versehenen Nebenkarten bestehenden Katalog. Bis jetzt find 2400 Karten auf­genommen und 2250 bereits veröffentlicht. Die an diesem gewaltigen Werk beteiligten Observatorien sind folgende: Orford, Greenwich , Potsdam , Paris , Bordeaux , Toulouse , Helsingfors , Rom , Catania , Sydney Perth Melbourne Kapstadt , Tacubaya, St. Fernando und Pordoba. Die Zahl der mit der Arbeit der Auf­nahmen, der Entwickelung der Klischees, der Herstellung der Ab­züge und dem Druck beschäftigten Personen beträgt. rund tausend. Von den 150 Millionen Sternen, auf die die Welten des uns zu­gänglichen Teiles des Universums geschätzt werden, kommen etwa 50 Millionen, also etwa der dritte Teil auf die Himmelstarte. Die Arbeit vollzieht sich auf den genannten Observatorien in gleicher Weise. Wenn die Stadt im Schlaf versinkt und die ge­wöhnlichen Sterblichen von ihren Mühen ausruhen, betritt der Aſtronom den tuppelförmigen Raum, in sem ber equatorial­apparat auf einem festgemauerten Sodel montiert ist. Alle auf ben 18 Observatorien zur Verwendung kommenden Apparate sind gleich. Es ist ein Doppelinstrument, deffen beide etwa Meter lange Rohre durch das Dach der Kuppel hindurch gegen den Himmel gerichtet sind. Das zur Beobachtung und zur Einstellung dienende Rohr mißt genau 3.60 Meter; das nur zur Photographie dienende Instrument 3,43 Meter. Das Objektiv des ersteren hat 25, das des letzteren 34 Zentimeter Durchmesser. Mit diesem Apparat kann der Astronom den Lauf sämtlicher Sterne mit Aus­nahme der um den Pol herum vom Aufgang bis zu ihrem Unter­gang verfolgen.

Zunächst handelt es sich um die Einstellung des Instruments, eine um den Apparat rings herumlaufende Galerie ermöglicht es im Verein mit der Drehbarkeit der Kuppel, das Doppelinstrument mit Leichtigkeit nach jeder beliebigen Himmelsrichtung einzustellen. Der Apparat gehorcht trop seines Riefenumfanges dem Drucke einiger Finger. Sobald das Instrument genau auf die aufzu­nehmende Sterngruppe eingestellt ist, wird mit der Exponierung der Platten begonnen. Jede der Platten es find alle 16 zu 16 Bentimeter groß, bleibt 40 Minuten exponiert, während welcher der Astronom die Sterngruppe durch das Parallelrohr genau be­obachtet. Dreimal wird die gleiche Platte exponiert, so daß in­folge der während dieser Beit vor sich gehenden Ortsveränderung der Sterne drei dicht nebeneinanderliegende Bilder jedes ein finen Sternes entstehen. Dies Verfahren wurde nach langen Versuchen ausgewählt, um Irrtümer, die infolge von Fehlern in der Platte entstehen konnten, unter allen Umständen zu vermeiden. Nach der Exponierung wird das Negativ unter den größten Vorsichts­Das Negativ wird zur Vervielfältigung maßregeln entwickelt. auf Kupfer übertragen, und von diesem werden die Abzüge für die Karte und den Katalog gemacht.

Die Astronomen in Europa und Afrika arbeiten genau zur felben Stunde und wenn sie beim Herannahen des Morgens er­müdet den Apparat berlassen, dann beginnen die Kollegen" bei den Antipoden in den Observatorien von Uruguay und Argen­ tinien

ihre Kartenarbeit.

Es sind wundersame Gebilde, die aus den Händen dieser Astronomenphotographen hervorgehen. Ob es eine 16 zu 16 Benti­meter große mit unzähligen großen, fleinen und allerkleinsten hellen Punkten überdeckte einfache Sternentarte ist, die den leuchtenden Weltenstaub des Universums darstellt, oder ob es sich um Einzel­bilder handelt, wie um den aus Funken gewobenen Sternentranz der Lhra oder die rotierenden Lichtnebel im Perseus , immer steht man davor wie vor den Wundern des Unendlichen.

Das Interessanteste an dieser Himmelstarte ist, daß sie höchst wahrscheinlich sehr unzuverläffig ausfällt und eine Garantie für den derzeitigen Zustand in den Himmelsräumen auf keinen Fall bieten kann, mit anderen Worten, daß noch lange nicht gesagt ist, daß alle Sterne, die auf der Karte registriert werden, auch wirklich noch vorhandene Inventarstücke des Univerfums find. Um dies zu begreifen, braucht man nur zu bedenken, daß das Licht der Sonne 8 Minuten 13 Sekunden bis zur Erde braucht, das Licht des der Sonne am nächsten gelegenen Sternes, nämlich des Alpha im Centauren aber bereits vier Jahre zu dieser Reife benötigt. Das Licht des Sirius braucht troß der Geschwindigkeit eines Lichtstrahls bon 75 000 Meilen in der Sekunde dennoch volle 16 Jahre und das des Polarsterns 40 Jahre. Andere Sterne fenden ihre Licht strahlen in erst hundert, andere in erst tausend und andere erst in zehntausend Jahren bis zu uns herab. Es ist also ebenso leicht möglich, daß die jeßt aufgenommene Sternfarte Sterne noch nicht enthält, die existieren, wie es möglich ist, daß sie das Bild von Sternen wiedergibt, die bereits zu existieren aufgehört haben.

Nichts tann einem den Begriff der Unendlichkeit und des un­endlichen Wechsels im Universum eher beibringen als die einfache Tatsache, daß es trotz 40jähriger Arbeit zahlreicher Gelehrten mit den genauesten Apparaten nicht möglich ist, eine wirklich zuber­lässige Himmelstarte herzustellen, und daß vor den ungeheuren Entfernungen des Weltenraums auch die zu den exaktesten Wissen schaften gerechnete Astronomie nur annähernd exakte Resultate liefern tann. Landgrebe.

Eine Sternenkarte. Abseits vom Tageslärm der Straßen, abseits von einer geräuschvollen Industrie vollzieht sich in stillen hellen Nächten ein Wert, an das die Aftronomen von achtzehn über die ganze Erde zerstreuten Observatorien arbeiten: Gine photographische Himmelskarte. Der im vergangenen Sommer in Paris abgehaltene sechste Kongreß der Himmelstarte hat nun feine Verhandlungen veröffentlicht. Das wichtigste daraus be Verantw. Redakteur: Richard Barth , Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Berlegsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW