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Und der Gerichtshof zog sich zurlid, und als er wieder, nach recht turzer Zeit, in den Saal trat, verkündete der Vorsitzende mit fchönem, ruhigem Ernst das Urteil.
Ruhe zu verlieren, haben Sie fonft noch etwas zu Ihrer Berteidigung| Bauchgefieder und einer einförmig braunen Kopf befizen, war bet anzuführen? Nein? Dann zieht sich der Gerichtshof zur Beratung unserem Exemplar der Schnabel auf der Oberseite und an den zurüd 1 Rändern dunkelrot, auch das Kopfgefieder schimmerte in dem fupferroten Glanze des männlichen Geschlechtes, und die Federn der Unterseite waren weiß und graubraun gefledt. Der äußere Habitus sprach für einen Zwitter, zum größten Erstaunen ergab jedoch die Sektion das vollständige Fehlen von Reimdrüsen; tro eingehender mikroskopischer Untersuchung war leine Spur eines Eierstodes oder Hodens nachzuweisen. Das Tier war im wahrsten Sinne des Wortes ungeschlechtlich. Anders bei dem Reh, das trob seines Gehörns fich als ein rein weibliches Tier entpuppte. Es ver bient noch hervorgehoben zu werden, daß die Ricke bereits in ihrem aweiten Lebensjahr das Gehörn auffezte und es, ohne daß es je gefegt oder abgeworfen wurde, bis zu dem im sechsten Lebensjahre erfolgten Tode trug.
Der Angeklagte ist zu drei Jahren Zuchthaus, Ehrverluft auf gleiche Dauer, bei gulässigkeit der Polizeiaufsicht verurteilt. Eine Straf milderung fonnte bei der wiederholten Rückfälligkeit des Angeklagten nicht eintreten, um so mehr, als das Gericht die Robeit in Rechnung gezogen hat, mit welcher der Angeklagte gerade zur Weihnachtszeit einem braven Elternpaar ihr fleines Kind geraubt hat. Deshalb war er, wie geschehen, zu verurteilen.
Sehr viel häufiger als bei den Wirbeltieren kommen gelegent liche Zwitterbildungen bei den Insetter und anderen niederen
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( 3 mitterbildung im Tierreich.) Von Dr. C. Thesing.
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ftechender Geschlechtsunterschied ausgeprägt ist, können bisweilen sehr auffallende Mißbildungen auftreten. So fennt man, ähnlich wie wir es vorher bei dem Dompfaff kennen lernten, Ameisen, Bienen, Käfer und Schmetterlinge, bei denen die eine KörperVor einer Reihe von Jahren zeigte Professor b. Reichenow hälfte rein weiblich, die andere männlich ist. Die Trennungsgrenze in einer Situng der Berliner Gesellschaft naturforschender braucht aber durchaus nicht immer der Mittellinie zu folgen. Auch Freunde den ausgestopften Balg eines Gimpels oder Dom- für diese Tiere möchte ich ein Beispiel wenigstens anführen. In pfaffs bor, dessen eine Brusthälfte in der roten Farbenpracht Seft 21 der Entomologischen Zeitschrift" gibt ein Züchter bon des Männchens prangte, während die andere Körperseite das schlichte Seidenspinnerraupen( Bombyx mori ) etwa folgenden weibliche Grau aufwies. Es war ein eigentümlicher Anblick. Die Bericht: In einer Zucht von 25 000 Raupen fand sich eine, die Scheidungslinie verlief genau in der Mitte des Körpers, so daß der genau zur Hälfte, und zwar rechts schwarz und lins weiß gefärbt Beschauer, je nachdem er das Tierchen von der rechten oder linten war. Das Tier verpuppte sich und zur richtigen Zeit schlüpfte ein Seite betrachtete, einen männlichen oder weiblichen Dompfaffen vor gut ausgebildeter Spinner aus, der genau entsprechend der Farb fich zu haben glaubte. Der Gedanke lag nahe, daß es sich bei dem berteilung rechts männlich und links meiblich war. Tiere um eine Zwitterbildung handelte. Leider war damals eine Bisher haben wir Zwitterbildungen immer nur als frankhafte exakte Entscheidung unmöglich, da Professor von Reichenow Erscheinungen fennen gelernt, ramentlich bei zahlreichen niederen nur den Balg zugesandt erhalten hatte und eine anatomische Unter- Tieren finden wir 8 wittertum jedoch in weiter Verbreitung suchung bedauerlicherweise unterblieben war. als Regel. Ja, es gibt große Tierklaffen, bei deren sämtlichen Bertretern stets beide Geschlechter in einem Individuum vereint find. Besonders bei zahlreichen festgewachsenen oder schwer beweg lichen Tierarten wird das Zwittertum aur allgemeinen Norm. Wir müssen wohl überhaupt annehmen, daß eine hermaphroditische Ausgestaltung der Tiere die ursprüngliche Entwide. Iungsstufe darstellt, aus der sich erst allmählich im Verlaufe der Stammesgeschichte eine Trennung der Geschlechter mit allen verschiedenen Konsequenzen, die das nach sich zieht, entwickelt hat. Der Grad des Zwittertums tann ein sehr verschiedener sein. In der Regel sind Eierstöcke und Hoden wohl in demselben Indio biduum vereinigt, aber räumlich voneinander getrennt und befizen auch besondere Ausfuhrwege zur Ausleitung der Geschlechtsprodukte. Nur in sehr seltenen Fällen, so bei einigen Würmern, Stachelhäutern und Muscheln, vor allem aber bei zahlreichen Sch neden entstehen männliche und weibliche Reimzellen gemeinschaftlich in dem gleichen Keimstocke, der dann als 8witterdrüse bezeichnet wird. Aber selbst in diesen extremen Fällen fucht die Natur im allgemeinen eine Selbstbefruchtung zu verhindern. Nur gemissermaßen im Notfalle wird dazu geschritten. Häufig wird eine Selbstbefruchtung dadurch unmöglich gemacht, daß die beiden Geschlechtszellenarten zu verschiedenen Zeiten reifen und die Tiere entweder erst als Weibchen und dann als Männchen oder erst als Männchen und zuletzt als Weibchen funktionieren. Welchen Wert die Natur auf eine Kreuzbefruchtung legt, erhellt am besten daraus, daß selbst bei manchen Zwittern, z. B. den sonderbaren fefthaftenden Krebsen, den sogenannten Enten muscheln ( Lepas anatifera) zu gewissen Zeiten zwergenhafte Hilfsmännchen auftreten, für den Fall, daß aus irgendwelchen Gründer eine wechselseitige Befruchtung der Zwitter verhindert wäre. Diese Männchen sind sehr merkwürdige Geschöpfe. Während der weibliche Krebs doch immerhin eine Größe von 8-10 Bentimeter erreicht, find die Hilfsmännchen mikroskopisch flein. Gleich Parasiten leben fie in der Mantelhöhle ihrer Frauen, und wäre nicht die Entwicke lungsgeschichte, niemand würde in diesen, in einen weichhäutigen Sad eingeschlossenen Tieren, die eigentlich nur noch aus Geschlechtsorganen bestehen, Krebse vermuten.
In diesem Frühjahr ließ nun ein glüdlicher Zufall Dr. Heinroth vom Berliner Zoologischen Garten einen genau entsprechend gefärbten lebenden Gimpel der bei uns heimischen Art( Pyrrhula europaea) erwerben. Nach dem bald erfolgten Tode des Vogels wurde der frische Leichnam Professor Boll zur weiteren Untersuchung übergeben, der jetzt in einem der lebten Hefte der Sitzungsberichte derselben Gesellschaft seine interessanten Befunde veröffentlichte. Wie zu erwarten war, stimmte denn auch die innere Organisation genau mit der äußeren Erscheinung des Tieres überein; denn auf der linten, weiblich gezeichneten Seite befand sich ein wohlausgebildeter Eierstod, während rechts unmittelbar daneben ein regelrechter Hoden lag. Der Eierstod umfchloß eine große Anzahl völlig normaler Gier verschiedenster Größe un auch die männliche Keimdrüse war mit Keimzellen aller Altersstufen angefüllt. Der gesamte Befund schien darauf hinzudeuten, daß sich das Tierchen bei seinem Tode zu Beginn der Brunstperiode befand. Aber trotz des Vorhandenseins beider Arten von Keimdrüsen hätte der Gimpel sich doch nur als Männchen fortpflanzen können, da die weiblichen Geschlechtsausführwege berkümmert
waren.
Aus der älteren Literatur sind bisher im ganzen nur zwei Fälle, und zwar gleichfalls von einem Dompfaffenzwitter und einem Buchfintzwitter bekannt geworden, bei denen in entsprechender Weise die geschlechtliche Trennungsgrenze genau in der Körpermitte verlief. Bei all diesen Tieren war also die Abhängigkeit der äußeren von den inneren Geschlechtsmerkmalen streng feitenrichtig. Es mag hier gleich noch erwähnt werden, daß in den achtziger Jahren von Reutter ein Schweinezwitter untersucht wurde, der gleichfalls rechts einen Hoden und links einen Eierstock besaß. Auch beim Menschen find 8witterbildungen teine große Seltenheit. Schon häufig haben fie Anlaß zu Aufsehen erregenden Brozeßverhandlungen geboten. Erst vor wenigen Jahren erschien ja das seinerzeit viel besprochene N. O. Bodysche Buch:" Aus eines Mannes Mädchenjahren", das die Lebensschicksale eines jungen Mannes schildert, der bis ins Jünglingsalter hinein für ein Mädchen gehalten wurde. Wie in diesem Falle handelt es sich bei allen bisher wissenschaftlich untersuchten menschlichen Zwittern um sogenanntes Scheinzwittertum, das durch eine Mißbildung der äußeren Geschlechtsorgane vorgetäuscht wird, während die Keimdrüsen selbst rein weiblich oder rein männlich find. In einem um fangreichen Werte hat Neugebauer mit großem Fleiße all diese Fälle gesammelt und gelangt zu dem Schluß, daß echter Herma phroditismus( wie der wissenschaftliche Name lautet) beim Menschen bisher nicht beobachtet ist. Das beweist natürlich nichts dagegen, daß nicht gelegentlich doch auch beim Menschen eine echte Bwittermißbildung auftreten fönnte. Das menschliche Scheinawittertum ist jedenfalls sehr viel verbreiteter, als gewöhnlich angenommen wird. Neugebauer hat in seiner 25jährigen Bragis unter 52 000 untersuchten Personen annähernd 50 Fälle nachweisen fönnen.
So sicher es zu sein scheint, daß bei vielen Tierarten das Zwittertum der ursprüngliche Zustand ist, so gibt es doch andere bermaphroditische Arten, bei denen es erst nachträglich wieder ero worben wurde, während bei ihren Ahnen bereits eine Trennung der Geschlechter durchgeführt war. Der Grund für einen solchen Rüdschritt liegt gewöhnlich in einer Veränderung der Lebensweise. Sehr häufig ist beispielsweise die Anpassung an ein parasitisches Leben, das ja überhaupt zu einer Vereinfachung der Organisation führt, die Ursache der Zwitterbildung, in anderen Fällen muß man den Grund, wie bei den Entenmuscheln, in dem Verluste der freien Beweglichkeit suchen.
Kleines feuilleton.
Literarisches.
Noch zwei weitere fehr interessante hierher gehörige Fälle führt Poll in der oben zitierten Arbeit an. Es handelt sich wieder um gwei Tiere aus unserem Zoologischen Garten, eine gehörnte Spanien , das heute durch feinen Feldzug gegen die Mif Ride und eine erpelfedrige Rolbenente( eine Ente tabylen und durch seine noch immer andauernden revolutionären mit männlichem Federkleid). Während normalerweise die weibe Erhebungen von fich reden macht, wird in einem feiner schönsten lichen Rolbenenten einen schwarzen Schnabel, weißes Brust und Teile, dem andalusischen Lande, frisch und farbenreich von dem