Anterhaltungsblatt des Vorwärfs

Nr. 233.

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Tobelvolk.

Mittwoch den 1. Dezember.

( Nachdruck verbotez.)

Eine Dorfgeschichte von Paul Ig. Sch will Dir schon sagen, wie sich's verhält!" unterbrach der Better mit einem schweren Seufzer, allein die Base wollte ihn lieber gar nicht zu Atem kommen lassen und behauptete im vornherein, daß nicht eine Silbe davon zu glauben sei. Es entspann sich zwischen den beiden Widersachern ein nur schlecht unterdrückter Streit, wobei eins dem anderen das Wort vom Mund wegfing und zuschanden machte.

,, Sie hat nämlich am Jörg den Narren gefressen, wenn fie's auch nicht Wort haben will. Und gib acht, er wird es ihr einmal wist heimzahlen! Erst vor drei Wochen mußte ich hundert Franken für ihn hinlegen, weil er sonst wegen Wilderei hätte sitzen müssen!"

Die Base wurde leichenblaß.

,, So, der Lügenhecker! Jezt frag ihn, Heiri, ob ich je auch nur einen Fünflivres aus der Hand ließ!"

,, Nein, das läßt sie lieber mich machen. Aber ihr Gesicht solltest sehen, wenn ich einmal nicht schnell genug austeile! Wie da die Türen schmettern! Und das Essen wird mir nur so hingeschmissen!" Elterneinsamkeit, ausgestreckte Hände des schwinden­den Lebens-- Heinrich verstand es so gut, so gut! Schon hatte er in alle Winkel und Geheimnisse hineingeblidt und mit jeder Minute wuchs das trostlose Gefühl der Zugehörig feit. Es zog ihn gewaltsam hinein in den Kreis des Elends; er witterte bereits alle Gefahren und Kämpfe, die seiner harrten und fühlte doch die Kraft nicht mehr, zu entfliehen, eine bessere Heimstatt zu suchen.

Den steilen Tobelweg hinauf wurde jetzt ein Starren ge­schoben mit seinem Koffer beladen. Schwizend, prustend kam der Dienstmann   vor dem Hause an, ein paar blutunterlaufene Augen mit Stacheldraht umzäunt, rollten und schoffen Blicke in die Stube.

Wo soll er denn in des Teufels Namen hingestellt

werden?"

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1909

Und damit Du's weißt" sagte die Base nach seinem Abgang im Ton einer Offenbarung:" Der Doktor Hofer, die Lehrer, der Kantonsrat im Steinbock und der Herr im Schloß Hard alle haben Dein Buch gelesen und der alte Notar( er gilt für den Gescheitesten weit und breit), der hat mir die Hand geschüttelt und gesagt: Aus Eurem Heinrich kann einmal ein großer Mann werden. Ich will feine gute Stund' mehr haben, wenn's nicht ist, wie ich sag."

Allein dieses Bekenntnis brachte sie vollends um alle Fassung, auch der Vetter konnte die gemischte Freude nicht länger mehr vor Feuchtigkeit bewahren.

Nur Heinrichs Auge blieb trocken. Und schließlich hielt er's in der Stube nicht mehr aus, ratlos lief er davon, dem Gestade zu.

Wer heute ein paar Lippen wüßte, Die reichten sich wohl selber dar, D, wie fie duften, wer fie füßte... Heut ist der beste Tag im Jahr.

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Im ganzen Kanton gab es feine Kirmes, bei der soviel Es fehlte dem Orte beileibe nicht an Wirtschaften, sogar stand getanzt, musiziert und getrunken wurde wie in Haldenstein  . er in dieser Hinsicht bei den Mäßigkeitsaposteln längst in Berruf und der Pfarrherr mahnte seine Gemeinde oft genug, wenn auch ohne Erfolg, an die traurige Tatsache, daß sie leider im Kapitel der Trinkfähigkeit die größten Leistungen Aber während den zwei Chilbetagen aufzuweisen habe. reichten Tische und Stühle nirgends aus; die Nachfrage über­traf das Angebot in einem Maße, daß der wohlmeinende Seelenhirt allen Grund hatte, sein Haupt zu verhüllen. In die wirte hatten jest einen Magnet von besonderer An­ den   Abendstunden herrschte ein tosender Ueberschwang, denn die Wirte hatten jest einen Magnet von besonderer An­siehungskraft. Sauser im Stadium!" stand unter jedem Schild zu lesen. Eine Zaubermacht ohnegleichen! Kleine Kinder, kaum der Sprache mächtig, riefen:„ Sauser, Mutter, Mutter, Saufer!" Stoctaube Ohren erwachten von diesem Schall, den Lahmen fuhr's in die Beine, die Mädchen drehte es um und um, und die Burschen stießen gellende Jauchzer aus. Aber selbst gesetzte Männer, als da sind: Friedensrichter, Kirchenpfleger, National- und Ständeräte konnten dem An­prall diefer Macht nicht immer so fest widerstehen, als es ihre Würde erfordert hätte; sie warf die stärksten Vorsäge um, und der bitterste Kostverächter schmunzelte wieder, wenn das Jahr diesen saftigen Trumpf ausspielte. Den Werbern im Dienst der Abstinenz wurde es allemal angst und bang um das Häuflein Novizen, das sie in nüchternen Zeitläuften mit Mühe und Not geworben hatten, und ihnen selber lief mitunter das ,, Kennt Ihr den jungen Herrn da, Bachmann?" Wasser im Munde zusammen bei dem allherbstlichen Feld­He, verflucht" meinte dieser, einen Schritt zurüd- geschrei ihrer Gegner: Sauser im Stadium!" Nicht zu weichend( der schwachentwickelte Verstand schien fieberhaft reden von Dachdeckern und Schornsteinfegern, die sich plötzlich zu arbeiten), seid Ihr am End" und schon strahlten die in der Ausübung ihres Berufs gehindert fühlten oder von paar unbehaarten Stellen seines Gesichts in echter Wieder- größeren Geistern, die in diesen Tagen einen unheimlichen febensfreude:„ Du meineidiger Strohsad, ich will ein Schelm Buwachs spürten und wie mit feurigen Zungen sprachen! sein, wenn Ihr nicht der Heiri Anderegg seid! Gelt, ich hab's ' troffen!"

Heinrich hätte doch beinah lachen müssen beim Anblick des alten Orang- Utang( wie sie als Kinder den rauhbeinigen Gepäckschaffner zu schimpfen pflegten).

Er sah auch wirklich aus wie der Mensch auf der Rüd­reise in den Urwald, der Kopf trieb allerlei haarige Knollen und Warzen, die werkbaren Hände hatten eine violette Frost­kruste und die geftiefelten Füße waren beinah ebenso breit wie lang.

Die Base schenkte ihm ein Glas Apfelsaft ein und warf ihm einen liftigen Blick zu.

Der Erkannte legte darauf erfreut seine geschonte Hand in die Praße des Lasttieres, wie wenn sein bester Freund zum Willkomm erschienen wäre.

"

Pop Strahl, felb muß man sagen! Das Welschland hat Euch nicht übel angeschlagen!" fuhr der Mann in seinem Erstaunen fort. Der Vetter und die Bas werden Augen gemacht haben! Und das über Euch, hehe, der Satz im Sonntagsblatt alle Achtung! Das haben wir denn auch gelesen, will ich meinen. Ja, welcher Teufel hätt denn darauf kommen sollen, daß Ihr einmal so ein Pharisäer und Schrift­gelehrter würdet?"

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Heinrich drückte ihm ein gutes Trinkgeld in die Hand. Aber der Alte brachte es im Danken doch noch fertig, hinzu­zusetzen:„ Herr Anderegg" so unfaßlich kam ihm der Ge­danke vor, daß aus dem Lumpenbub in so furzer Zeit ein richtiger Herr geworden sein sollte. Die Neugier juckte ihn wie ein Flohstich.

ya," dachte er hinterher unbescheiden, wenn man halt auch einmal in die Welt hinausgekommen wäre"-

Der

Saufer! Selbst den Apothekern und Doktoren pfuschte er ins Gewerbe, nicht nur vermöge seiner erprobten Durch­schlagskraft, sondern auch noch wegen vieler anderer Eigen­schaften, die ihm der Aberglaube durch die Jahrhunderte bei­gelegt hatte. Die Leute unterwegs begrüßten sich nicht mehr mit dem währschaften:„ Grüß Gott, wie geht's?" Schon von weitem winften sie sich zu: Haft ihn schon probiert? Wie schmeckt er Dir?" Und die Antwort lautete jedesmal im gleichen Superlativ: Wie feit zehn Jahren nicht! fann Tote aufwecken!" Um jede Schenke zog sich ein lieb­licher Dunstkreis, und wehe dem Arglosen, der davon erfaßt wurde. Es fäuselte ihm so verführerisch um die Nase, es rieselte ihm vorahnend durch alle Glieder, halb zog es ihn, halb sant er hin, und eh' er sich's versah, saß er schon hinterm Tisch und trank, bis die Feuerringe tanzten vor seinen Augen. Halli und hallo! Dazu nun von Tür zu Lür ein wahrer Aufstand aller Instrumente, die noch irgendwelche Töne von sich geben mochten! Es orgelte ,, zitherte, quiefte und fiedelte an jeder Ecke, wenn auch nirgends so herz­zerreißend wie unten in der Schifflände, wo zwei Starussells um die Wette förmliche Klangfalven abfeuerten.