— y fTe geradö an der Gurgel zu packen. Denn sie wehrte sich mit keinem Glied. Nur bitten tat sie— mit angstgroßen, rotgcränderten Augen. „Aber schwarz— aber schw— arz ist halt doch"— löste sich in wahnwitziger Ueberspannung eine lächerliche Farce in seinem Gehirn. Er lachte verzweifelt auf:„Bewahre mich, ich müßte die Hur noch für voll bezahlen!" und tat, als speie er ihr mitten in ihre erbärmliche Iammermiene. Mit einigen langen Sätzen war er oben am Galgen. Ten Schlitten vergaß er mitzunehmen. Weit unten, schon auf der Straße, bewegte sich etwas, das halb schwarz und oben weiß war: Dem sah er nach, bis es hinter den ersten Häusern verschwand. „Kaum gefunden, schon geschwunden! Fahr hin, du meine erste Liebe!" Tann siel er mit dem Gesicht in den Schnee. lFortsctzung folgt.) Sin Sckut�manns streik. Die Bewegung unter den Schutzleuten in Paris hat in einem russischen Genossen die Erinnerung an einen Streik der Schutzleute wachgerufen, der in den Tagen der„Freiheit" im Winter 1005 in Libau staltfand. Ich war— berichtet er— am Abend von der Agitation zurück- gekehrt, als ein uns unbekannter, schmächtiger Jüngling zu inir ins Bureau der Organisation trat und zu mir sagte,„die Schutzleute haben eine Versammlung, Sie sollen kommen". Ich ließ mir die Adresse geben. Eine Droschke fübrte mich in eine entlegene, kaum beleuchtete Straße, die ich nicht kannte. In einem feuchlen und dunklen, angerauchten Zimmer, in dem eS keine Bänke und Tische gab. fand ich die Schutzleute versammelt. ES mögen ihrer wohl dreißig oder vierzig oder auch alle siebzig— so viel gab eS in der Stadt— gewesen sein. Sie streikten. Sie verlangten eine Lohnzulage und„bessere Behandlung" durch ihre Vorgesetzten. Sie hatten eine ganze Liste ihrer einzelnen Forde- rungen aufgestellt, die ihnen ein Schreiber der Polizei in Zivil niedergeschrieben hatte. Es waren neben den Lohnzulage Forde- rungen darin wie: Unfallentschädigung, Witwen- und Waiien-Unter- stützung, Invalidenrente. Die Liste war dem Polizeimeister(Chef der Polizei der russischen Städte), einem deutschen Adligeilh durch eine Deputation überreicht ivorden. Die Schutzleute waren nun nach Erledigung des geschäfilichcn TeUeS ihrer Sache zusammen- geblieben, um frei von der Leber weg zu diskutieren. Ich trat ins Zimmer, und durch die Menge Schutzleute mit ihren dunklen Mämeln und den hohen, starl riechenden Stiefeln und klirrenden Säbel ging ein beschwichtigendes Gemurmel:„Der Redner, der Redner." So hatte das Volk die Genossen getauft, die tväbrend der Revolution in öffentlichen Versammlungen und aus den Plätzen der Stadl sprachen. Ich hatte mir auf den: Wege zu den Schutzleuten die etwas fieinliche Situation bedacht. WaS hatte ich den Schutzleuten zu agen, die sich dem Teufel der Reaktion verschrieben hatten, die die Diener derer waren, mit denen wir im ärgsten Kampfe lagen? In jener Zeit hatten wir zudeni gerade einen Aufruf ans Volk erlassen, sich für die bevorstehenden Kämpfe zn bewaffne», und daß praktisch denkende Volk holte sich die Waffen, die wir ihnen ja nickt verschaffen konnten, auS allen zugänglichen Quellen. Die Arbeiter nahmen vor allem in gntmiiliger Weise den Schutz- leutcn die Revolver ab, mit denen die vorsorgliche Polizei sie ttetS aufs neue versorgte. Wir hatten schließlich ein ganzes Freischärler- korpS. das in einheitlicher Weise mir dem System„Nagau", das bei der Polizei in Liban bevorzugt wurde, bewaffnet war. Tie Schlitz- leute wehrten sich nie und gaben aus Furcht vor den Arbeitern, die stets zuzweit oder zudritt einen alleinstehenden Schutzmann aufs Korn nahmen, die Waffe sofort ab., Die Polizei versorgte sie dann mit neuen Ragan-Nevolvern, die dann wieder in unsere Hände kamen. Schließlich aber kam die Polizeiverwaltung aus einen Trick, sich schadlos zu halten. Sie ließ sich von den betreffenden Schntzleuten den abgenommenen Revolver bezahlen. Das trug nun zu einer Vetinehrung der Spannung zwischen der revolutionären Arbeiterschaft uiid den niederen Polizeiorgancn bei.... Ich hatte nur vorgenommen, vorerst ganz objektiv, den Streik umgehend, den Schntzleuten von den in einem geordneten Staats- •) Dieser Herr, der Polizeichef einer Stadt von beinahe 100000 Einivohnern, die als Handels- iind KriegShafen eine be- deutende Rolls kpielt, fertigte siir seine Spitzel(»och nach der Verkündigung des Manifestes vom 17. Oktober) falsche Pässe aus. Bei der von Genoffen vorgenommenen Verhaftung eines Spitzels fiel uns ein Bündel von derartigen Dokumenten in die Hände. — Wir überzeugten uns übrigens dabei auch, daß— wie es die Berliner Genossen von ihren Spitzeln her kennen— die Spitzel von der Polizei für Vcrsainmlmigsbcrichte bezahlt wurden, die viel aus- sührlicher und wahrheitsgetreuer schon am nächsten Morgen in der Zeitung erschienen. 'S— 1 ivesen ihnen zukommenden Aufgaben zu reden und sodann zu der- suchen, sie zun, Nachdenken zu bewegen über ihre Beziehungen zu den ihnen io nahestehenden Leute aus dem Volke, über die Gegen- säye, die zwischen ihnen und dem Volke ringsum klafften, über die gewaltigen Kämpfe, die das ganze Land erbeben machte», und in denen die Schutzleute eine so volksfeindliche Rolle spielten. Das weitere sollte sich dann geben. Die Schutzleute waren begierig zu hören, was der Vertreter der Arbeiter iynen sagen werde. Sie holten eine Bank herbei, die ich als Rednertribüne benutzen konnte. Ich sprach nach dem aus- gedachten Schema. Ich glaube, die Schutzleute verstanden mich nicht. Sie hatten zu sehr die eine praktische Frage vor Augen, wer die Nagan- Revolver, die zwölf Rubel das Stück kosteten, bezahlen sollte. Als ich in meiner Rede innehielt, interpellierten sie mich wegen der Revolver. Ich setzte ihnen auseinander, daß die Arbeiter bisher in den Schutzleuten Feinde gesehen und demgemäß gehandelt hätten. Es würde das nun anders werden, wenn die Schutzleute gegenüber der Polizeiverwalmng es durchsetzen würden, daß man sie nicht „gegen das Volk" gebrauchen dürfe. Sie erklärten sich damit völlig einverstanden, nur könne das jetzt nicht mehr als Forderung in die Lille eingetragen werden, da diese schon der Polizeiverwaltung über- wiesen sei. Sie gaben aber das Wort,„nicht gegen daö Volkhandeln zu wollen und erhielten von mir als Gegenleisttmg daS Versprechen: ich würde mich dafür verwenden, daß die Organisation das Entwaffnen der Schutzleute verbiete. Damals glaubte ick allerdings, daß die Schutzleute meine Rede verstanden. Ich war überzeugt, daß ich sie um ein gut Stück ge- schriler gemacht hatte. Wir verabredeten mit ihnen, daß ich am anderen Morgen wiederkommen sollte, um weitere Diskussionen zu pflegen und den Verlauf des Streiks zu verfolgen. ES interessierte sie augenscheinlich die Sache mit den Revolvern und außerdem fühlte ich ans ihrem ganzen Verhalten, daß sie, in Ungewißheit über den Ausgang des Kampfes, der sie ihren kärglichen Lebensunterhalt kosten konnte, sich instinktiv an die Arbeiter klammerten, deren gewaltige moralische und materielle Kraft sie empfanden. ES war zweifellos nicht bloße kleinliche Berechnung, wenn sie mich als den Arbeiter- Vertreter weiter in ihrer Mitte haben wollten: der Kampf des Polizeiproletariats um bessere Existenzbedin» gungen ließ in ihnen die ersten Ahnungen prole« tarifchen Bewußtseins erwachen.... Ich kam am andern Morgen wieder. Die Schutzleute teilten mir mit, daß die Antwort des Polizeichefs noch nicht eingetroffen sei. Sie bestellten mich zu einer ziveilen Versammlung am Nach- mittag. Ich kan, hin und fand die Schutzleute in außerordentlicher Erregung. Der Polizeichcf hatte die Delegierten der Schutzleute beschimpft; die Schutzleute seien ein Gesindel, daS keine Forderungen zu stellen habe, hatte er gesagt. Man beriet nun, was zu lun sei. Ich beschränkte mich aufs Zuhören. Sie beschloffen, in geordnetem Zuge durch die Stadt zu ziehen und in corpore vor die Polizeiverwaltung zu rücken, um den Polizeichef zur Rede zu stellen. Ich beglückwünschte sie zu ihrem energischen Vorhaben, und wir schickten uns an, auf die Straße zu gehen. Da trat plötzlich der Gehilfe des Polizeichefs ins Zimmer. Ich sah, wie die kleinen Polizeiseelen erstarrten, wie die Disziplin sie alle vor ihrem Vorgesetzten schweigen machte, ihre laute und aufrichtige Erregung verstumme» ließ. Um sie vor ihrem Bor - gesetzten nichr in Verdacht zu bringen, zog ich mich ins Nebenzimmer zurück, wo ich alles weitere mit anhören konnte. Der Polizeichef hane sich eines besseren bedacht. Er gab nun den Schutzleuten in allen ihren Forderungen nach. Mag sein, daß der Polizeischreiber in Zivil, der gleichzeitig Spitzel war, tele- phonisch den Polizeichef von den energischen Absichten der Schutz- leme benachrichtigt hatte. Der Gehilfe des Polizeichefs gab noch einige patriotische und väterlich gutgemeinte Phrasen zum besten und verschwand unter den lauten DankeLbezeugungeu und Freudentaumel der triumphierenden Schutzleute. Ich hielt die Situation für geeignet, um den Schutzleuten klar- zulegen, was energisches Auftreten zu bedeuten habe, wie man seine Menschenrechte vereidigen müsse und wie auch die Schutzleute not- gedrungen zu denselben erfolgreichen Mitteln des Kampfes greifen müßten, wie die Arbeiter. Aber nun wollten die Schutz- leute mich gar nicht mehr anhören. Sie hatten den Streik gewonnen und fürchteten nun, es könne ihnen die Sache der- derben, wenn sie weiter mit mir fraternisierten. Sie empfingen mich, als ich ins Zimmer trat, feindlich, und als ich mich anschickte, auf die Bank zu steigen, da hörte ich die Worte: „nein, nein.. Ich fühlte, wie eS in mir zu kochen begann, wie Schmerz um die Kleinlichkeit und Beschränktheit der Menschen mich umfaßte.... Ich stieg trotz deö lauten Protestes der Schutzleute auf die Bank. Ein stämmiger Schutzmann sprang auf mich zu, faßte mich an, Bermel meines Mantels und ritz mich von der Bank zn Boden. Die Schutzleute schrien wild durcheinander. Ich stand ganz allein den Dutzenden von bewaffneten«nd wütenden Schutzlenien gegenüber. Daran habe ich aber damals nicht gedacht. Ich empfanv in Gedanken die gewaltige Maffc der Arbeiter hinter mir und fühlte mich erhaben über die Schutzleute mit den klirrenden Waffen.... Ich raffte mich auf. verschaffte mir Raun, mit den Armen und sprang auf die Bank. Schäumend vor Wut rief ich den Schutz» leuten mit lamcr Stimme zu, es möge gehen, wer mich nicht hören
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26 (17.12.1909) 245
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