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Mut befeffen, zu erklären, er sei nie und nimmer gewillt, ihre Aeußerst schädlich auf die Atmungsorgane wirkt auch die rauchige Tochter zu seiner Frau zu machen. Doch niemand ließ fich Atmosphäre, welche die schlechten Dellichter berbreiten, womit die sehen, so sehr der Wüterich seine Stimme anstrengte. Schließ- Arbeitsräume beleuchtet werden." Auch Nachtarbeit von leinen lich zog ihn Marei mit verblüffender Gewalt ins Zimmer diese unerhörten Zustände immer schließlich mit den unvermeid­Kindern wird konstatiert. Aber die Gewerbegerichte entschuldigen hinein und faßte sodann Bosto vor der Tür. lichen Bedingungen des schlecht gehenden Gewerbes, das man nicht zerstören dürfe, und feinen fällt es ein, zu erklären, daß eine Industrie wert ist, so schnell wie möglich zugrunde zu gehen, wenn sie nicht bei menschenwürdigen Bedingungen existieren tann. Aber die Verhältnisse tönnten gebessert werden. Es ist die Brutalität in einer verantwortungslosen Ausbeutung, die dieses verruchte System erzeugt hat.

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( Fortsegung folgt.)

Die ewigen Arbeiter.

Eine soziale Wanderung von Kurt Eisner.

III.

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So leben diese Arbeiter. Wie sterben fie? Auch im Tode finden sie keine Ruhe. Bor mir liegt ein Attenheft, das den Kampf um die Rente für einen getöteten Arbeiter erzählt. Auch diese Papiere Der ewige Arbeiter muß ewig hungern! Der Schleifer ver- find rot bestäubt. Eines Morgens findet man einen Polierer tot bient mit seiner 16stündigen Arbeit 15 M. die Woche. Der Sand- mit zerschmettertem Kopf unten im Nadraum. Neben ihm liegt fortierer 11 M., die Doucirerin( bisher bei zwö fstündiger Arbeits ein Handbeil und die geliebte Schmalzlerdose, die ihm beim Nieder­zeit) wöchentlich, 5 M. Der Hilfsarbeiter erhält 7 M.( mit Soft), finten offenbar aus dem Schurz gefallen ist. Niemand war bei 13 bis 14 M.( ohne Kost); er muß Tag und Nacht zur Verfügung dem Unfall zugegen, aber jeder Arbeiter weiß, wie es sich zugetragen stehen, vertritt er den Polierer zur Nacht, so bezieht er von ihm hat. Am Wasserrad war irgend etwas nicht in Ordnung. Der für 6 Stunden Nachtstunden 40 Bf., nämlich für alle 6 Stunden Mann nahm ein Handbeil und troch in der nächtlichen Benommen insgesamt. Der Polierer ist der König in diesem Reich. Er heit der Weberarbeit hinunter, um die Maschine zu richten und in schwingt sich bei 24stündiger Arbeitszeit mit 48 Blöden zu 17 bis der Affordarbeit nicht beeinträchtigt zu werden. Dabei traf ihn 18 M. die Woche empor. So beläuft sich der Familienjahresver­dienst insgesamt auf 500 bis 700 M. Dafür müssen Mann und eine Kurbel. Der Fall war klar. Nur nicht für die Berufs­genossenschaft in Fürth , deren Phantasie eine tolle Räubergeschichte Frau, die erwachsenen Töchter und Söhne, aber auch trotz des ersinnt, um die Witwe ihrer Rente zu berauben. Der Renten­Berbots die fleinen Kinder arbeiten. Diese Löhne haben erst anspruch vird abgelehnt mit der Begründung, daß der Ehemann nach den letzten Tariferhöhungen von 1907 den Stand von 1885 sich der Gefahr selbst ausgesetzt.habe, weil er verbotswidrig, während wieder erreicht. Die Arbeitszeit ist nicht fürzer geworden, aber die das Werk im Garige war, in den Radraum troch. Dann heißt es: Lage hat sich insofern verschlechtert, als die ganze Lebensmittel Wenngleich nicht festgestellt werden konnte, zu welchem Zwed Thr teuerung mit voller Wucht auf diesen Unglüdlichen lastet. Und Ehemann in die Radstube gegangen ist, so muß doch aus der Sach­fie fegnen heute nicht gerade mehr den Bauerndoktor Heim, der lage der Schluß gezogen werden, daß Ihr Ehemann nicht einer mit fie im Reichstag vertritt. Die Arbeiter müssen alle Lebensmittel der üblichen Betriebsarbeit an sich verbandenen Gefahr erlegen ist. faufen, fie befißen nicht das kleinste Aeckerchen, fein Nutztier. Die Der Vertrauensmann der freien Gewerkschaft nimmt sich der Preise sind auch in diesem entlegenen Winkel nicht billig: Kuh- Witwe an und legt Berufung gegen diesen Entscheid ein. Die Be­fleisch 60 Bi.. Ochsenfleisch 80 Bf. Schweinefleisch 80 Bf., Kalb rufsgenossenschaft beantragt die Verwerfung der Berufung und fleisch 60 Pf. Das sind freilich für die Glasarbeiter nur theoretische begründet dies Begehren wie folgt: Es sei nicht anzunehmen, daß Preise. Sie verfallen nicht auf den Gedanken, Fleisch zu essen. der Getötete in der Radstube einen Keil hätte antreiben wollen. Die trodene Kartoffel ist ihr Nahrungsmittel. Die paar Stunden Neben der Leiche ist auch die Tabaksdose gefunden worden, so daß Rast in der Woche müssen sie auch noch zur Arbeit nügen. Sie in den staatsanwaltlichen Atten... auch der Ansicht Ausdrud ge­wandern in den Wald. um Holz zu frebeln; Polizeiftrafen für solche geben wird, die Tabaksdose sei durch eines der Löcher im Boden Eingriffe in das Waldeigentum bilden regelmäßige Abzüge ihres Ses Polierraums... in die Radstube gefallen, Schmidt habe sie sehr wohl zum Hervorlangen gedient haben." In der Tat ein höchst holen wollen und sei dabei verunglückt. Das Handbeil tönnte dabei geeignetes Instrument für diesen Zwed. Das Schiedsgericht er­sigende der Berufsgenossenschaft, ein töniglicher Kommerzienrat, fannte auf die Zubilligung einer Rente. Darob geriet der Vor­in eine tilde Aufwallung tief verlegten Rechtsbewußtseins. Und Schiedsgericht wie folgt anblies:" Das Schiedsgericht hat auf bloße er legte beim Reichsversicherungsamt Rekurs ein, indem er das Bermutung und ohne jebe positive beweisträftige Unterlage hin als feststehend angesehen, daß Schmidt zum Zwede irgend einer Be willkür, gegen die wir uns wehren." Aber auch das Reichsver­triebsarbeit das Werk betreten habe. Das ist kein Recht, sondern ficherungsamt war der Meinung, daß ein Glasarbeiter nicht für seine Tabakdose sein Leben opfert und daß ein Handbeil teine Stange ist. Es verwarf den Rekurs.

Lohns.

Der furchtbare Lohndruck ist wesentlich bedingt durch das raffinierte Zwischenmeistersystem. Diese Werke gehören Beſizern, die in München oder Nürnberg wohnen, und für die Exporteure diesen Teil der Veredlung besorgen. Die Besizer der Schleifwerke feben nun Werkmeister ein, die den Betrieb beaufsichtigen. Ge­Legentlich ist dieser Zwischenmeister zugleich auch der Besizer, aber es ist nicht die Regel. Der Meister stellt die Betriebsmaterialien. Er liefert von dem Geld, das ihm der Besizer zur Verfügung stellt, Filz, Gips, die rote Farbe, Sand und Schmirgel. Er hat also das Interesse, daß mit diesem Material sparsam umgegangen wird. Die Rechnung stellt sich nun so: Der Meister erhält vom Besizer 1000 M. in 14 Tagen. Die Summe fällt zur Hälfte ihm zu, zur anderen dem Arbeiter. In die 500 M teilen sich ich führe ein tonkretes Beispiel an 7 Schleifer, 4 Poliergesellen, 11 Doucire­rinnen. Je ein Drittel der 500 m. entfällt etwa auf die drei Kategorien. Von den 500 M. bezahlt der Meister Hilfsarbeiter und die Materialien. Jm bleiben als dem einzigen, der nicht ir­beitet, 150 M. für 14 Tage übrig. Durch dieses Enftem wird auch der letzte Rest von Verantwortung von den Unternehmern ab­gewälzt, aber es ist klar, daß dieser parasitäre Zwischenmeister­gewinn ein Raub am Arbeitslohn ist.

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In diesen Verhältnissen leben 2300 bayerische Arbeiter und Arbeiterinnen. Aber gibt es denn feine Gewerbeinspektoren, nimmt fich kein Gewerbearzt dieses Elends an. O, dieses Reich ist den beamteten Hütern der sozialen Wohlfahrt durchaus nicht unbekannt. Jahr für Jahr tönen aus den Gewerbeberichten dieselben Klagen, die, so gedämpft fie auf leisen Sohlen schleichen. die Wahrheit ahnen lassen. Der Streit der Glasschleifer von 1905 lenkte die Gewerbeinspektoren auf die ungeheuerlichen Mißstände. Damals berkauften sogar noch die Zwischenmeister die Materialien an die Arbeiter zu Bucherpreisen und zogen fie vom Affordlohn ab. Das wenigstens wurde beseitigt. Die Wohnungsverhältnisse werden immer wieder in grotester Sanftmut als nicht gute" bezeichnet. 1906 wurden 88 Wohnungen beanstandet, weil sie zugleich Wohne und Arbeitsräume waren. Sie waren feucht, zu start belegt, schmußig; Böden, Wände und Deden schadhaft; Fenster, Fenster­rahmen und Türen schadhaft oder nicht schließend. Es wird von Mindern unter 12 und 13 Jahren berichtet, die arbeitend betroffen wurden. Es wird geklagt, daß die Bestimmungen über ärztliche Zeugnisse nicht beachtet werden. Es wird das Gutachten eines Arztes mitgeteilt. Tagtäglich fann die Beobachtung gemacht werden, daß die Arbeiter in den Glasschleifereien und Bolierereien meist blasse. anämische, frankhaft aussehende Leute sind, welche faft sämt­lich an chronischen Bronchialfatarrhen und tuberkulösen Er­frankungen der Lungen leiden. Ein anderer Arzt schreibt: Bei den Arbeitern in den Glasschleifereien und Glaspolierereien handelt es sich um die Einatmung eines äußerst scharfen, die Respirations organe im hohen Grade angreifenden, meist quarzhaltigen Staubes.

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tratie überzeugt, daß es auf der Welt fein Recht mehr gibt.... Seitdem ist der fönigliche Kommerzienrat der Fürther Aristo­

Lamettrie.

( Nachdrud verboten.)

Heute vor zweihundert Jahren wurde ein Mann geboren, ber in der Geschichte des Materialismus teine unbedeutende Rolle spielt. Lamettrie stammte aus dem fleinen Hafenort St. Malo ( in der Bretagne , Nordfrankreich), wo ihm sein Vater, ein wohlhabender Kaufmann, die erste Bildung angedeihen ließ. Der Junge zeigte Begabung und follte Theologe werden, was nach Ansicht des Vaters immer noch das sicherste Geschäft war. Doch ließ sich dieser bon einem befreundeten Arzt schließlich überzeugen, daß das Rezept­scheiben unter Umständen noch einträglicher sei, und der junge Lamettrie durffe also zur Medizin abschwenken; eine Kursände rung, die feit jener Zeit manchem bedeutenden Kopf passierte und die auch heute noch oft genug wie eine innere Erlösung wirkt. Die Heilkunde stand indeffen damals auf einem sehr tiefen Niveau; Mo lières giftige Satire auf Aderlaß und Klyftierspriße( im Ginge bildeten Kranken") wirkte noch so lebendig wie je, obwohl schon rund 50 Jahre seit ihrer ersten Aufführung verstrichen waren. So ist es begreiflich, daß Doktor Lamettrie nicht lange in seiner Heis matstadt das Pillenschreiben betrieb, sondern eines schönen Tages den trempel himwarf und zu neuem Studium nach Holland pilgerte. Da lehrte in der Stadt Leiden der berühmte Boerhaave, die höchfte Ehre des Arztes bestände darin, nur ein Diener der Natur zu sein. Boerhaaves fortschrittliche Anfichten waren in Frankreich recht un­bekannt, und Lamettrie machte sich nun daran, seine Werte ins Französische zu übersehen und im Sinne seines Lehrers medi zinische Abhandlungen zu schreiben. Die Fakultätsperüden tobten natürlich, als er ihnen einigen Staub aus den Loden blies.