feine Krankheit?... Denn er hielt eZ dafür! Was einen so todelend macht, kann doch nichts anderes sein!... Ah. dieser Lump, der ihn nun schon jahrelang drangsalierte!... Da war er mal an einem Frühlingsabend durch den Grunewald gegangen. Ein hübsch angezogener Junge ging vor ihm her. im Tennisanzug mit dem Ballschläger in der Hand.... Er sah so gut, so anständig aus und war doch nichts als ein gemeiner Chanteur. ein Komplice des rothaarigen Erpressers, der ihm seit- dem Tausende und Tausende gekostet hatte! Er hätte ihn ja anzeigen können, gewiß! und hätte es auch längst getan! Das Gesetz, der ominöse§ 175, um den so viel Tinte verspritzt wird, bestrafte daS, was seine Leidenschaft und sein Leiden war, ja gar nicht! Aber die Familie! Seine Frau, der er ihr Vermögen fast zur Hälfte vertan hatte, auf solche Weise!... Ach, Du lieber Gott, und kein Ausweg! Keine Rettung!..« Es klingelte draußen. Erschreckt zuckte der Geheimrat zusammen. Das Dienstmädchen kam. ..Der Herr von vorhin ist wieder da!" Herr Wegener wurde totenbleich. Er soll warten!" Das Mädchen ging..,, Ahnte es auch etwas von diesen widerwärtigen Dingen? Der Geheimrat starrte ihr nach.... Er konnte, konnte den Kerl nicht wiedersehen!... Der wollte Geld, immer Geld!... Das nahm kein Ende!... Schließlich würde er nichts mehr be- fitzen und vielleicht die ihm anvertrauten Gelder anreißen.... Wo war denn seine Frau?... Ach. auch egal, die konnte ihm ebensowenig Helsen  !... Und der Kerl wartete draußen... aber nein, nein, er wollte nicht... nein.... Der Geheimrat zog mit zitternden Händen seine Schreibtisch- schublade heraus... da lag der Revolver.... Dann blickte er im Zimmer umher, die linke Hand schon am Schaft der Waffe... aus dem Korridor Schritte... kam der Kerl etwa schon herein?... Oh, ihn sollte er nicht lebend mehr antreffen!... Von ihm würde er nichts mehr schlucken!... E»n grausames Zittern befiel den Verzweifelten. Er mußte zweimal absetzen, bis er die Stelle hinter der Schläfe fand, die er sich längst ausgesucht hatte. Und dann ein Knall, nicht so sehr stark, bis zur Küche konnte er gar nicht gedrungen sein, denn das Mädchen kam erst viel später, wie ihr Herr schon nicht mehr zuckte.... Er lag in dem Klubsessel, zur Seite gesunken, Arm und Kopf auf dem grünen Leder der Lehne, wie einer, der sehr, sehr -'üde ist..., III. Herr Beinstetter zu sprechen?" Wen darf ,ch melden?" Der Besucher, ein im Diplomatenstil gekleideter Herr mit einer wahren Bulldoggenvisagc auf der kleinen, hageren Figur, gab seine Karte. Der Diener verschwand. Gleich darauf wieder erscheinend, führte er den Herrn in einen vornehm ausgestatteten Empfangs- räum. Noch Minuten, dann erschien Herr Beinstetter, der Geschäfts- inhaber. Der große elegante Mann mit den lebhaften Augen hatte etwas Bezwingendes. Für Herrn Bamberg wohl nicht. Der sah zu ihm herauf, als wollte er sagen:Dich Hab' ich schon in der Tasche!" Der Große:Darf ich bitten, Platz zu nehmen." Der Kleine nickt und entspricht diesem Wunsche. Der Große:Sie kommen wohl wegen der Inserate?" Der Kleine:Ja, mein Agent hatte bisher nicht das Glück, bei Jbren maßgebenden Herren vorgelassen zu werden!" Der Große:Matzgebend bin ich hier nur allein." Der Kleine(lächelnd):Desto besser! Dann werden wir um so leichter ins Reine kommen!" Der Große(lächelt ebenfalls):Das hoffe ich auch!... Aber Sie haben eine komische Art und Weise, die Firme» zu Annoncenaufträgcn zu veranlasten I" Der Kleine:Wieso?(Sehr befremdet.) Wieso, Herr Beinstetter?" Der Große(zurückhaltend):Na, ich meinte nur....Sagen Sie, darf ich mir eine Frage erlauben: Wer schreibt in Ihrer Wochenschrift immer dieChronik"?" Der Kleine:Die Chronik?... Das bin ich selber.... Haben Ihnen meine kleinen Arbeiten gefallen, ja?" Der Große:Oh, sie sind sehr geistreich geschrieben... nur scheint mir, ein wenig zu persönlich sind Ihre Artikel!" Der Kleine(gekränkt):Persönlich?... Aber ich bitte Sie, Herr Beinstetter, das ist ja fast eine Beleidigung!.. Der Große(wehrt ab):Durchaus nicht!" Der Klein«:Aber doch!... Ich bitte Sie. wenn ich da zum Beispiel solch einen modernen Frauentyp schildere, ein Weib, das seinem hartarbeitenden, sich nur für sie mühenden Mann Hörner aufseht, mit einem Chauffeur das soll persönlich sein?!" Der Große(einige Nuancen blasser):Das hatt' ich gar nicht gelesen!... Aber sagen Sie, Herr Bramberg  , Sie kommen zu mir wegen der Jnserataufträge.... Wir möchten es einmal mit Ihrem Blatt versuchen, es scheint ja eine recht erfreuliche Verbreitung zu haben.... Notieren Sie vorläufig mal ein«» Jahresauftrag von je einer halben Seite. Den Text läßt Jhncht mein Bureau jedesmal zugehen!.,, Ist Ihnen das recht?" Der Kleine(biedermännisch«:».,. Eine Seite sagten Sie? ach so, eine halbe... hm... ja... es freut mich jedenfalls daß Sie die Bedeutung meines BlatteS würdigen..." Der Große:Und wer schreibt das nächste Mal die Chronik skandaleuse?... Ah pardon, die Chronik, wollt' ich sagen..." Der Kleine:Ich selbst, Herr Beinstetter, wie immer! Aber ich habe vor, diesmal einen anderen modernen Frauentyp zu schildern: die Frau, wie sie schick und elegant ist, wie sie im Ballsaal und im Modebade glänzt!... Und wie sie dann wieder, als echte und rechte Frau eines Großindustriellen, selbst an der Kasse steht und zusieht, daß nichts gemaust wird!.. (Nachdruck vcrdolen.d Lyrifcbc Hntbologien. Ueber d i e Zeit sind wir nun glücklicherweise mit einem Fuße hinausgelangt, Ivo eS bloß Anthologien gab, die nichts anderes al» lyrische Nachschlagebücher waren. Verschwunden sind sie ja immer noch nicht, diese Sammlungen, die mit der Aufreihung der Gedichte nach dem Alphabet der Dichlernamen oder nach literatur- geschichtlichen Gesichtspunkten gewissermaßen bor der Pforte zur Schönheit stehen bleiben. Aber sie sind doch überholt worden: wir haben heute Gedichtsammlungen, die den Schritt durch die Pforte in den Tempel getan haben. Gedichtsammlungen, die nichtmehr Nachschlage- bücher, sondern lyrische Lebensbücher sind. Hervorgegangen sind sie aus dem Antrieb, der Kunst einen Wegzu schaffen, ins Leben hinein- zuwirkcn, also ihre eigene erste Lebenskraft zu offenbaren. Mit Aesthetentim, dürfen sie somit nichts gemein habe», alles Halbe, alles Artistische muß ferngehalten sein. Nicht irgendwelche LuxuJ» kunst, sondern edelste Volkskunst müssen sie reichen, Kunst, die"der ursprünglichsten Natur des FühlenS nachschürft nnd ergreifend AuS- druck gibt und eben deshalb Kunst, Volkskunst ist. Mit der Kunst» wartarbeit hängt dieser Aufftieg der Anthologie zum Lebensbuch eng zusammen. Erst kam das Hausbuch der Lyrik, dann das Balladen- buch und jetzt erschien daS fröhliche Buch, dies, kurz gesagt, die beste Anthologie dieses Jahres, nicht bloß die beste humoristischer Versdichtung. Soll ein solches Buch als Ganzes ins Leben wirken, so muß es auch als Ganzes aus dem Leben herstammen: es muß die Züge des Persönlichen tragen, wenn seine Wirkung eindringlich sein soll. Die besondere An- ordimng im Buche muß so sein, daß da? einzelne Gedicht seinen Kern überraschend klar aufzeigt. In dieser Arbeit hat sich Avenariu» auch jetzt wieder als Meister erwiesen. Er hat den Gedichten, die« aus dem Besten deutscher lyrischer Kunst erlesen, ein Milieu gegeben. in dem das Einzelne erquickend frisch lebendig wird; der Leser spürt eine Lust, in der sich besteit atmen läßt. Alles erscheint in ein neues Licht gerückt, und Bekanntes wirkt, als ob man es jetzt erst kennen lernte. In dem Vorworte dcS Buches liest man auf einmal den Satz:Der größte Humorist der deutsche» Dichtung ist aber Goethe". Der Satz wirkr, als habe Lvenarius selber aus seiner Arbeit Offenbarungen des HumorS gewonnen. DaS Ziel gab ihm die Ueberzeugung:Eine Lese brauchen wir nicht nur deS lachenden HumorS, sondern auch deS verhaltenen, keuschen, der nur so leise wie die Sonne in der Träne blinkt, und des starken, der das Auge von aller Tränerei freimacht, indem er fest in diese Wahr» heit zusehen lehrt, die deshalb, weil sie uns fatal sein mag, noch lange nicht aufhört, als große Rcgiererin des Alls das Aller- schönste auf der Welt zu sein." Also nicht nur die besondere Gruppierung, auch die Auswahl selbst ist wesentlich für daS fröhliche Buch, das denHumor als Seelsorger" ins Hans einfiihren will. Und dieser Absicht dient neben dem Dichterwort auch die Zeichen- kunst. Viele Vignetten nnd Bildchen und ganzseilige Bildchen find durch das fröhliche Buch hin gesät; sie sind mit den, Inhalt ver- schmolzen, muß man sagen, als eine Erweiterung des gesprochenen Inhalts und als ein Stück eigenen humoristischen Lebens zugleich. Von den Schattenbild-Lyrikern Konewka und Fidtis und Dicffenbach reicht dieser Bildhunior hinüber bis zu den Karikaturisteil desSim- plicissimuS" Gulbranflon und Reznicek, und auch das deutet an, wie weit die Welt des fröhlichen Buches sich dehnt. Daß ein solches Buch(erschienen bei Callwey  , München  , 4 M.) recht aus unseren Tagen herausgewachsen ist, als eine Art Bedürfnis nnd Notwendigkeit, verriet sich in mancherlei Versuchen der letzten Jahre, eine Anthologie humoristischer Dichtung zu schaffen. Auch jetzt liegt Neues von diesem Arbeitsfelde vor. Die deutsche Dichter-Gedächtnis-Stiftung gab als vierten mid fünften Band ihrer Sammlung deutscher Humoristen ein umfangreiches BuchHumoristische Gedichte"(2 M.) heraus. Es setzt mit Wunderhorugedichlen ein und ordnet dann in der alten Art in literarhistorischer Folge. Julius Berstls SammlungLachende Lieder"(R. Voigtländer, Leipzig  ) es erschien früher als daS stöhliche Buch wollte von den alten äußeren Anfordernilgen los­kommen, aber nun ist sein Humor gar so wenig geklärt, er steckt noch in den schlappenden Witzpantinen derFliegenden Blätter  " und sogar desDorfbarbiers", mischt Flaches und Starkes gesühllo» durcheinander und findet sich auch in der Gruppierung