lkageS auch von diesem selbstgezimmerten Throne versagt toürift und in irgendeinem Tier eine weit intelligentere und ehren- wertere Gattung erkennen mühte?„Cho!" hör' ich einige rufen. Bitte: ich stand vor einiger Zeit vor dem Ladenfenster eines großen Bankiers, allwo man Münzen in Silber und Gold und unzählige Banknoten und Wertpapiere aus aller Herren Ländern, alles in allem ein beträchtliches Vermögen ausgestellt sah. Da kam ein riesiger Hund daher, und was tat dieser Hund? Er warf einen kurzen Blick in das Schaufenster und nahm dann diesen Schätzen gegenüber eine Stellung ein, wie sie die Hunde an Ecken, Bäumen, Laternenpfählen und dergleichen nicht selten einnehmen. Kann ein zynischer Philosoph eine größere Ueberlegenheit beweisen? Ja. noch mehr; dieselbe Stellung sah ich bald darauf einen Hund vor einem Bücherladen einnehmen, und zwllr genau an der Stelle, wo das Buch eines meiner literarischen Gegner— ich will den Namen nicht nennen— ausgelegt war. Wo findet man bei Menschen ein so sicheres Urteil? Nun ja, wendet vielleicht ein Mann von großer Vernunft ein: der Hund weiß eben nicht, welchen Wert eine Obli- gation der Oesterreichisch-ungarischen Staatsbahn repräsentiert; man halte ihm aber eine Wurst hin, und man wird sehen, wo seine Ueberlegenheit bleibt i Das ist ja eine sehr vernünftige und ernst- hafte Bemerkung; indessen: ich habe Hunde nach einer Wurst springen, schnappen und lungern sehen, und habe Politiker, Künstler und Gelehrte nach einem Orden springen, schnappen und lungern sehen, und ich muß euch sagen t ich habe stets die Bewegungen des Hundes anmutiger und würdiger gefunden. Und dann, wie gesagt, wenn ich Männe soeben eine Gothaer Zervelatwurst geschenkt habe und im nächsten Augenblick auf Roswitha losfahre, als wollte ich ihr ein Leids tun, so schnappt er nach mir mit wütendem Gebell. Bringt mir ein Analogon aus der Menschenwelt. Nein, ich laß es mir nicht nehmen: der Hund, wenigstens der Dackel, besitzt Qualitäten, die ihn sogar zu hohen Stellungen in unserem Staatswesen berechtigen. Männe zum Beispiel liebt es in Winterszeiten, sich, wenn er nicht über meine Füße verfügen kann, möglichst unmittelbar vor den glühenden Ofen zu legen. Da ,ch das für ungesund halte, so pflege ich es nicht zu dulden. „Na—?" rufe ich dann in ziemlich energischem Ton, worauf er leise mit den Ohren zuckt und über die Pfoten hinweg nach mir hinschielt.(Vergleiche die Darstellung von vordem.) „Na, Männe?!" rufe ich lauter, worauf er langsam den Kopf hebt, ganz wie oben und wie immer. Ich muß also erst zu ihm herantreten und mit nicht mißzu- verstehender Gebärde rufen: „Gehst du jetzt augenblicklich fort?!" Dann erhebt er sich, dreht sich einmal langsam um sich selbst und legt sich wieder nieder. Er glaubt damit bei mir die Täuschung zu erzielen, daß er vom Ofen weggerückt wäre. „Männe, wenn du jetzt nicht sofort—!!" Da erhebt er sich abermals, dreht sich einmal auf der Stelle. legt sich wieder hin und spricht zu mir mit den Augen eines Engels: „Sie sehen, ich tue alles, was Sie von mir wünschen." Da frage ich: man verwendet die Hunde jetzt auf allen Ge- bieten, bei wissenschaftlichen Forschungen, bei der Polizei, in der Armee — warum nicht in der Diplomatie?! Um aber vollends ernst zu reden: Wenn ich gesehen habe, wie Tiere von Menschen gequält, geschunden und mit Mühsal über- laden wurden, wenn ich den Blick gesehen habe, mit dem ein Pferd die Roheit seines Herrn erträgt, ohne zu vergelten, wie es doch wohl könnte, dann ist mir mehr als einmal der Gedanke gekommen: sie befolgen die Philosophie, die die Menschen von den Kanzeln predigen: Liebet eure Feinde und widerstrebet nicht dem Uebel; denn ihm widerstreben, heißt es vermehren. Und dann ist mir noch immer vor meiner Gottähnlichkeit bange geworden. In Summa: ich lerne Roswithens Sympathien täglich mehr verstehen, und jetzt find' ich auch, daß Männe schön ist, schön wie Engel voll Walhallas Wonne, und weiß auch, woher er die krummen Beine hat. Er wäre sonst zu schön gewesen, darum krümmte ihm der Neid der Olympischen die Beine. Zwar finde ich, daß er bei der guten Kost etwas in die Breite geht, daß er einer Nudelwalze ähnlich wird wie ein zu gut gepflegter erster Held und Liebhaber; aber Roswithens Liebe ist blind. Sie hat mir auch ganz heimlich, damit es Männe nicht höre, ins Ohr geflüstert, was sie ihm zur bevorstehenden Weihnacht verehren will. Sie will ihm ein Hals- band sticken, ihm eine Wurst und ein Tannenbäumchcn schenken. Das Bäumchen hat sie schon leise herbeigeschafft, als er schlief, und wenn sie an dem Halsband stickt und Männe zur Tür herein- kommt, verbirgt sie es schnell unter dem Tisch. Auch hat sie mir bereits anvertraut, was sie sich zur wiederum nahenden Weihnacht wünscht: ein Lamm, eine Ziege, zwei Kaninchen, einen Laubfrosch, einen Kanarienvogel und noch einen Dackel.„Weiß du warum, Pappi? Denn kriegen sie fürleicht Junge, un denn kriegen wir immer mehr Dackel!" Die 8ck�ar2-MeiK-Ausstellung der Sezefsion. Die winterlichen Veranstaltungen der Berliner Sezession führen sehr mit Unrecht den Rainen Schwarz-Weiß-Ausstellungen. Sie sind den zeichnenden Künsten im weitesten Umfange gewidmet und um- fassen neben Radierungen, Lithographien, Holzschnitten und Bleistift», Kohle-, Kreide- und Federzeichnungen auch Aquarelle und Pastelle in großer Anzahl, so daß einige Säle in farbiger Pracht getrost mit den Darbietungen der Sommerausstellung wetteifern können. Ich glaube, eS wäre zweckmäßiger, wenn man auf die beiden letzt» genannten Kategorien verzichtete und sich ausschließlich auf Werke der eigentlichen„Griffelkunst" beschränkte, die ohne Unterstützung der Farbe allein durch die Zeichnung, die Linie wirken wollen. Ich verlange das nicht aus Pedanterie, etwa um den Namen Schlvarz-Weiß-AuS» stellung zu rechtfertigen, sondern weil man dadurch auf der einen Seite der Veranstaltung ein einheitlicheres Gepräge geben und auf der anderen Seite mehr Platz für Werke der graphischen Künste im engeren Sinne gewinnen würde. An Erzeugnissen der volkstüm» lichen reproduktiven Techniken fehlt es fast gänzlich. Wir finden fast nur wertvolle und teure Kunstblätter, während die eigentliche „Illustration" stiefmütterlich behandelt ist. Nach dieser Richtung hm müßten die Winterausstellungen der Sezession unbedingt reformiert werden, und man könnte hier ohne Schwierigkeit Abhilfe schaffen. wenn man etwa den großen Hauptsaal(IX) für solche Zwecks reservierte. Diesmal beherbergt der Hauptsaal Werke, die in die Ausstellung überhaupt nicht hineingehören. Da sind zunächst die riefigen Dioramabilder von Ferdinand Hobler,„Der Ausstieg" und„Der Absturz". Auf dem ersten erklimmt eine Touristen» gesellschaft eine steile Felswand, auf dem zweiten wird sie von einer Lawine verschüttet. Die Bilder find, wie der Katalog mitteilt, im Austrage eines„Kunstfreundes" gemalt. Mt Kunst haben sie indessen kaum etwas zu tun. Es sind recht ordinäre SensationS» schinken, die auf die schwalben Nerven derBeschaner spekulieren und in die Schreckenskammer eines Panoptikums gehören. Die Figuren mögen leidlich solide gemalt lein, aber das Landschaftliche wirkt wie eine plumpe Leinwandkulisse, und im ganzen überwiegt der Eindruck grober, effekthaschender und wohlfeiler Theatralik. Erfreulicher find die im selben Saal hängenden Arbeiten von Arnold Waldschmidv. Namentlich der große Entwurf zu einem Wandbilde„Prometheus" zeigt, wenn auch die Flächen zum Teil unbeseelt bleiben, in den großzügigen, kräftigen und temperamentvollen Silhouetten eine de- achtenswerte monunrentale Begabung. Die Säulen der Sezession sind auch auf dieser Winterausstellung fast ohne Allsnahnte vertreten: Leistikow, Leibl, Thoma. Kalchreuth mit zahlreichen Radierungen, Lithographien und Aquarellen. Von Trübner ein paar eigenartige Radierungen. die fast holzschnittmäßig ivirken und jene ruhige Kraft und Kernig» keit zeigen, die für die Kunst des Meisters charakteristisch ist. Bon S l e V 0 g t einige dreißig Lithographien zun».Lederstrumps", von C o r i n t h neben zahlreichen Radierungen und Zeichnungen 7 grell» bunte und wenig geschmackvolle Lithographie» zum„Buch Judiths von Liebcrmann eine sehr reichhaltige und wertvolle Kollektion, in der namentlich die mit dem Pasiellstift rasch hingewischten farbigen Impressionen von Strandszenen und Dünenlandschaften durch ihre sichere Beobachtung und glänzende technische Bravour auffallen. Die großen französischen Meister M a n e t(Lithographien, von denen einige an Daumier erinnern. und 30 Radierungen in einer Mappe), Rodin , Signac , Toulouche-Lautrec, Pissaro und Renoir repräsentieren neben dem Schweden Zorn die ältere impressionistische Richtung des Auslandes. Als eine sehr verständige Neuerung im Arrangement der Aus» stellung ist eS zu begrüßen, daß die Kunstwerke diesmal ziemlich streng nach den einzelnen Techniken geordnet find. Drei Säle(VI, VII. VUl) gehören den Zeichnungen, zwei(Hl und IV) den Ra» dierungen, einer der Lithographie(V), einer dem Holzschnitt(1) und einer den Aquarellen(II). Unter den Zeichnungen sind in erster Linie die tvundcrvollen Blätter des großen Holländers Vincent van Gogh zu beachten. Sie scheinen, ebenso wie die Gemälde des Künstlers, auS kurzen Stiften und gekrümntten Würmern mosaikartig Mammengesetzt und geben ein überraschendes Bild von der Vielseitigreit ihres Schöpfers. Man lernt in einigen dieser Arbeiten van Gogh von einer ganz neuen Seite kennen, z. B. in der großen Zeichnung„Fcldarbeiterin", deren ruhige schlichte Einfachheit einen seltsamen Kontrast zu der sonstigen vibrierenden Nervosität des Künstlers bildet und ein ivenig an Mi llet nnd Meunier erinnert. Ist bei Gogh alles urwüchsiges Temperament und ungebrochene Eigenart, so spricht auS den Zeichnungen des Constaniin Guys vor allen, die rassige Eleganz einer alten künstlerischen Kultur. Seine graziösen, leicht dahinrollenden Equipagen und seine langhälsigen schlankbeinigen Pferde zeugen weniger von scharfen, naturalistischen, Naturstudinm als von der virtuosen Fähigkeit, auf Grundlage einer sicheren Tradition spielerisch. geistreich und originell zu schaffen. Auch der Schwede Karl Larsson ist mehr ein Kultur- als ein Naturprodukt. An seinen feinen und liebenswürdigen Arbeiten bewundern wir in erster Linie die leichte Mache, den eleganten Schnörkel und den weichen Linienfluß. Mar Beckmann, von dem sich die sezessionistifchen Kreise einst großes versprachen. bemüht sich auch in seinen Zeichnungen als Kraftgenie zu posieren und die karikaturistischen Mätzchen, nnt denen HanS B a lu s ch ek seine monotonen Schilderungen des Berliner Vorstadtlebens interessant zu machen sucht, wirken hier um so peinlicher, als in„nn, ittelbarer Nachbarschaft einige Proletarierbildcr von Käthe Kollwitz hängen. deren echte und riefe Empfindung und herber Wahrhcitsmut all«
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27 (4.1.1910) 2
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