„Hm... hm.. machte der Gastgeber, der schon ziemlich viel getrunken hatte und dessen breite, niedrige Stirn bis in die halblang geschorene Haarschnebbe hinein rot wurde: „Du hältst davon offenbar nicht viel?" „Viel?" lachte der Schwarzlockige ironisch,„ich bewundere die Unbekümmertheit, mit der die meisten von diesen Herren über das Schicksal von Menschen entscheiden, von deren Art und Wesen sie keinen Dunst haben!" „An meinem Tisch kann jeder seine Meinung äußern, selbst wenn sie Unsinn ist!" sagte Adalbert von Eckboom. „Mit welcher Kritik Du. als Hausherr wenigstens, die eben erteilte Erlaubnis sofort wieder verweigerst!" erwiderte lächelnd der Student. lFortsetzung folgt.) (Nasdrui! B erSott*.) Des Diitejungen Maläpartie. Von Jeppe Aakjär . Autorisierte Uebersetzung aus dem Dänischen . An dem Sommermorgen, von dem hier die Rede ist, fand auf dem Ailhof eine hübsche Szene statt. Der fünfzigjährige Besitzer und Bauer Stafcn kam in Hemdsärmeln schimpfend aus dem Krauraum heraus, stolperte über einen Zinkeimer, der auf dem Steinpflaster hingeschleudert war, wandte sich in wilder Raserei gegen den Eimer und keilte ihn unter einer Reihe von wilden Flüchen gegen das Wohnhaus, so dah eines der Küchenfenster klirrend herabfiel. Im nächsten Augenblick stand Stafens würdiges Weib drohend im Türrahmen: „Aber, Gott, behüte und bewahre mich in Jesu Namen— ist der Mensch verrückt geworden?" Mette Marie war dem Weinen nahe. „Scheint Dir nicht auch, Stafcn, daß Du mit dieser Art Ehre einlegst. Zwei der besten Scheiben sind hin. Ah, wir armen Leute I" Mette Marie begann mit einiger Mühe, die Scherben in ihre Schürze zu sammeln, während sie beständig ihr Mundwert brauchte. Stafen hielt sich in einem weiten Bogen entfernt. Im Grunde war er über seine Handlungsweise ganz betreten und raste im Innern über die Unkosten, die die neuen Scheiben mit sich bringen würden. Es war auch rein des Teufels, wie es ihm in diesem Fall ergangen war.— Selbstverständlich hatte er nicht nach dem Fenster, sondern nach dem Brunnengerüst gezielt und das Ganze war nur auf einen gehörigen Radau berechnet, um den verfluchten Frauenzimmern einigen Respekt einzujagen. Mette Marie ließ immer noch ihren Mund laufen. Stafen brüllte zu seiner Verteidigung:„Ja, warum setzen diese Satans- geschöpfe(damit meinte er die Dienstmädchen), ich sage: warum setzen sie die Sachen so, daß man sich Arm und Beine brechen muß. Sie hätten nichts Besseres verdient, als daß man ihnen mit einen Zaunpfahl vergerbte, bis sie am Boden liegen blieben. Hier nusseln sie und dusseln sie und können die dicken Schinken nicht von der Stelle kriegen. Laß sie aber einmal hinauskommen, laß «s sich um einen Schwof handeln, dann können die Röcke auf ein-- mal fliegen! Ob auf dem Hofe etwas ausgerichtet wird oder nicht, das kümmert sie gar nicht. Wenn sie nur die Zeit abreißen, wenn sie einem nur den Lohn aus der Tusche pulen und dann hinter ihrem eigenen Vergnügen her sind, dann sind sie zufrieden. Dann ist es gleichgültig, ob es mit dem Bauern auf- oder abwärts geht. Er soll ruiniert werden! Und Du hältst mit denen! Du meinst, denen müsse man noch beistehen! Nun steht man morgen wieder da und hat keinen Hütejungen! Ob das Vieh in die Hölle läuft— was hat das auf sich? Wenn sich nur der Junge amüsiert! Ach ja, ach ja! Er soll eine Ferientour machen! Er soll in den Wald, während unsereiner an die Arbeit muß! Das haben die neumodischen Lehrer ausgeheckt. Und das soll dann für solche Köter eine Erziehung sein. wie man sie dreschen sollte!" Stafen schwang seinen Arm wild über den Kopf. Nun hatte Mette Marie aber einen willkommenen Angriffs- Punkt und rief quer über den Hof dem Mann zu:„Ja, Du bist auch der Rechte, um von Erziehung zu reden! So wie Du Dich beträgst! Knallst Deine eigenen Fensterscheiben entzwei! Aus purer Verrücktheit! So ein alter Kerl sollte sich weiß Gott schämen! Man würde es ja kaum einem unvernünftigen jungen Burschen verzeihen! Pfui Satan über dieses Wesen!" Bevor die letzten Worte aber kamen, hatte Stafen sich bereits aus dem Staub gemacht. Der ganzen Szene war folgendes vorausgegangen: Nach dem Frühstück war der Hütejunge mit der Nachricht angekommen, daß er neu« Schullehrer am nächsten Tag mit allen Kindern in den Wald vor. B.edingholm wollte. Die Tour sollte mit dem Zug unternommen werden, und eine Bagatelle von so- undsoviel kosten. Der Lehrer hoffte, daß nicht nur die Bauern- kinder, sondern auch die Dienstjungen, daß überhaupt alle ohne Ausnahme den Ausflug würden mitmachen können, der seit langer Zeit in Vorbereitung sei und viel Mühe verursacht habe.— Der Lehrer wußte Wohl, daß etwas Derartiges in seiner Schule zum erstenmal unternommen würde, während es in anderen, weniger altmodischn Gegenden als ungeschriebenes Recht betrachtet werde, daß man die Kinder in jedem Sommer mindestens einmal zu einem naturschönen Punkt der Umgegend führe. Der Lehrer hatte den Eltern der Kinder das alles am Sonn- tag an der Kirche auseinandergesetzt und hatte auch die Zustim- mung der meisten erlangt.. Unglücklicherweise aber war Stafen nicht anwesend gewesen und hätte sich auch wohl schwerlich zu dem Standpunkt des Lehrers bekehren lassen. Der kleine Jens stand nun allein da und sollte seine und des Lehrers Sache vor seinem strengen und verdrossenen Brotherrn führen. Er fühlte, daß es ihm so unsagbar schlecht gelang, so klein und furchtsam wie er war. Die Stimme zitterte und die Sätze fielen in lauter abgebrochene Stücke auseinander, und Stafen fiel über jede der kleinen Aeußerungen einzeln her und zerschmetterte sie wie eine Eierschale. Er erhob seine Stimme und ließ sie voller Vorwurf über Jens Haupt dahinrollen. während der kleine Bursche vor lauter Schamhaftigkeit fast vom Erdboden zu verschwinden drohte. „In den Wald! sagst Du! In den Wald? Als Ausflug? Du! Gerade vor der Ernte! Das glaube ich, das könnte Dir passen! Dann hättest Du die Zeit glücklich abgerissen! Und das setzt der Lehrer Euch in den Kopf? Dafür bekommt er Kirchenopfer und Lohn und dies und das—, damit er Euch beibringt, wie man an seinen Bauern Forderungen stellt! Ihr selbst versteht das ja auch ganz und gar nicht. Ach ja, ich habe schon lange bemerkt, was das für eine Art Person ist! Hätten wir doch nur den Alten behalten. Er konnte den Ton in der Kirche weiß Gott länger halten, als dieser elende Windhund, und eine Grabschrift konnte der Alte zu- sammensetzen, die dieser ihm niemals nachmachen wird. Und oann war der Alte doch ein Mensch, mit dem man reden konnte! Der konnte sich doch in die Lage eines Bauern hineindenken, der einen Dienstjungcn Kost und Lohn und dies und das gibt. Der verstand doch, daß man das nicht tut, damit der Junge sich in der Schule herumtreiben soll. Man wollte doch gern auf dem Hof «in bißchen Nutzen von ihm haben. Geh aber einer zu diesem hier, um einen Jungen auf einige Tage von der Schule frei zu kriegen. Was glaubt Ihr, wird er wohl antworten?„Darauf kann ich mich wahrlich nicht einlassen, Herr Staf!" Nein, daraus kann er sich nicht einlassen! So ein verhungerter Wichtigtuer. Und dann kommt er einem hier ins Haus und verlangt, daß man den Jungen mitten in der hildesten Sommerzeit abgeben soll! Wenn es noch im Winter gewesen wäre— hm, ja. was ich sagen wollte." „Du redest Dir einen netten Stiefel zusammen," unterbrach ihn plötzlich Mette Marie und hob gleichzeitig einen eisernen Topf mit Kartoffeln vom Feuer, daß das Wasser auf die Flammen Torfsoden herabspritzte.„Wenn es nach Dir ginge, sollte der Lehrer die Waldtour mit den Kindern vielleicht im Winter machen? Wie kannst Du nur so ein verrücktes Zeug zusammen- reden! Es ist, weiß Gott , in Deiner Rede auch gar kein Sinn und Verstand mehr. Ich halte es auch nicht für leicht, den Jungen einen ganzen Tag zu entbehren, aber um der Leute willen kann man es doch nicht abschlagen. Wolles Dienstjunge soll ja auch mit dabei sein."■ „Niels KrensenS auch." stieß Jens hervor, der durch d,e un- erwartete Hilfe der Kochmutter Mut gesaßt hatte..Er soll mit JenS Vistifen fahren." „Halt Deinen Schnabel, Du Rotznase," sagte Stafen und kam dem Jungen mit einer drohenden Bewegung nahe, die den Kleinen vor Angst fast unter der Tischplatte verschwinden ließ. Mette Marie fuhr fort:„Wie ich Dir sage, wir wollen wegen dieser Sache mit dem Lehrer keinen Anstand haben. Unsere eigenen Kinder sollen nächstens auch in die Schule. Wir werden schon einen Ausweg ttnden, wenn der Junge fortgeht." „Ja, Deine Auswege kenne ich." antwortete Stafen bissig, „dann kann man selbst hinter dem Vieh herlaufen. Denn daß eins der Mädchen—" „Wir werden darüber schon hinwegkommen." sagte Mette Marie beruhigend,„wenn Du jetzt nur Deine Tollköpfigkeit aus dem Spiel lassen wolltest." Stafen wandte sich aufs neue, stark geladen, gegen den Hüte- jungen:„Es ist im Grunde sonderbar, daß man nicht mit einem Wagen an die Station befohlen ist! Darfst Du gehen? Darfst Du wirklich gehen, mein Bürschchen? Soll ich nicht den Ein- spänner herholen? Oder die Kalesche? Das wäre im Grunde doch noch hübscher. Und Du brauchst ja nur zu verlangen! Ein Bauer ist ja dazu da, den Dienstboten zu geben, waS ihnen gerade ein- fällt. Wenn man das sonst nicht weiß, kann man es ja von unserer Mutter erfahren. Sie findet das ganz in der Ordnung, daß so ein Bursche fordern kann." „Hast Du im Grunde nichts anderes zu tun, als hier fort- während Deinen Mund zu brauchen." fragte Mette Marie drohend. „Wenn man Dir zu jeder Zeit solgen wollte, wäre man bald vor dem ganzen Kirchspiel blamiert. Was glaubst Du. daß die Leute sagen würden, wenn wir als einzige den Jungen zu Hause be- hielten? Geh vom Tisch dort weg, daß ich das Wasser von den Kartoffeln gießen kann," schloß sie. indem sie mit ihrem Körper Stafen hinwegdrängte. Unter großem Holzschuhlärm rückte Stafen vom Ausguß weg,
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27 (5.1.1910) 3
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