Nnterhaltungsvlatt des'Vorwärts Nr. 6. Sonnabend den 8 Januar. 1910 (Nachdruck verdstm.1 «z Im j�amen des Gcfctzcs, Don Hans Hyan  . In diesem Augenblick war Martin Zanders Erregung echt. Nur gehörte nicht allzuviel dazu, in Zorn zu geraten bei solch einem Roheitsakt, dessen Gegenstand das Ziel seiner begehrlichen Wünsche war. So mit Trost- und Beruhigungsworten auf sie ein- sprechend, führte der Anwalt die Unglückliche zu seinem Auto. hob sie, die noch immer betäubt war und nur schwach wider» strebte, hinein und rief dem Chauffeur zu: Nach Hausei" Das hatte Ella trotzdem begriffen und fragte ängstlich: Zu Ihnen?" Ja, liebes Kind, es geht doch nicht anders!... Ein Hotel würde Sie, als alleinstehende junge Dame, nicht auf- nehmen!... Noch dazu ohne jedes Gepäck... Aber wenn Sie wünschen, versuchen können wir's ja immerhin!" Nein, nein!" sagte Ella, unwillkürlich nach dem schmer» zenden Kopfe greifend: Der hübsche graue Chauffeurhut, den sie sich erst am letzten Ersten gekauft hatte, der war auch weg I Der Alte hatte ihn ihr ja vom Kopf heruntergeschlagen! Und wie sie überhaupt aussah!... Ihr Haar und die ganzen Kleider!... Stein, es blieb ihr wirklich nichts anderes übrig, sie mußte mit zu dem Rechtsanwalt... und er würde ihr ja auch nichts tun, dafür hatte er sicher viel zu viel Angst vor Adalbert.... In Ellas Kopf brausten die Gedanken durcheinander, wie die Wasser unter dem Mühlrad.... ... Adalbert!... haha! Das war auch der Rechte! Der war doch bloß schuld an dein Unglück! Und anstatt daß er sie, wie sich's für einen Kavalier gehörte, selbst nach Hause brachte, überließ er das dem erstbesten andern.... Wenn da wirklich was passierte... wenn sie wirklich... Ein toller Trotz überkam das durch die Mißhandlungen in einen seltsamen Erregungszustand versetzte Mädchen.... Aber im nächsten Augenblick schauderte sie schon wieder zurück vor dem Mann, der an ihrer Seite saß und dessen jetzt schneller gehen- den Atem sie zu spüren meinte. Sind Sie müde?" fragte Zander. Ella horchte auf: dieses Vibrieren einer Männerstimme kannte sie. Sie kannte es, denn sie hatte es schon öfter und auch nicht nur von einem Manne gehört. Vor Adalbert war ein hübscher, schwarzhaariger Junge gekommen, der Sohn eines Weinhändlcrs. Und eines Nacht-, unten im Flaschen- keller, die andern waren oben im Lokal und zechten, da hatte er's versucht. Aber seinen Zweck hatte er nicht erreicht.... Das fuhr der Blonden jetzt alles, wie mit Blitzzug- geschwindigkeit durch den Kopf... und dann dachte sie wieder an den. der an ihrer Seite faß... Ah, wenn's der andere gewesen wäre, der mit den schwarzen Stirnlocken.... Locken hatte sie schon immer so gern gehabt, und schwarze be- sonders! Dann hätte sie sich am Ende noch gefreut, daß alles so gekommen war.... Aber der hier, dieser Zander!... Sie können ruhig Ihren Kopf an meine Schultern legen!" flüsterte er schmeidtelnd,ängstigen Sie sich doch nicht, ich tu' Ihnen nichts Böses!... Ihnen gewiß nicht!" Er sprach das mit solcher Innigkeit, daß es wie Ver- trauen über Ella kam. Und eine Schlaffheit, eine Müdigkeit überfiel sie, in diesem sanft gepolsterten Wagen, der so schnell über den Zlsphalt huschte und dessen elektrische Lampe Zander sich wohl gehütet hatte, einzuschalten. Und die Phantasie und die Sehnsucht dieses geguälten Herzens verwischten alle Klarheit und ließen die Bilder des Mannes, der neben Ella im Wagen saß, und desjenigen, den sie sich an seinen Platz wünschte, ineinanderfließen.... Da legte sie ihren Kopf an Zanders Brust und ließ ihn dort ruhen, trotzdem sie sein Herz wie einen Hammer schlagen fühlte.... Sie wehrte ihm auch nicht mehr, als er sie nachher wie eine Kranke aus dem Wagen hob und ins Haus trug. Nur das Dabeisein des Chauffeurs genierte sie.... Erst in seinem Schlafzimmer, wie er ihr an die Kleider wollte, stieß sie nach ihm und bat und brach wieder in Tränen aus... Er selbst weinte auch und schwor ihr hoch und heilig, daß er sie nicht berühren wollte. Und dann ging er hinaus und sagte, er würde im Neben« zimmer auf dem Diwan ruhen....Aber einschließen dürfen Sie sich nicht! Ich würde vor Angst vergehen, wenn Ihnen irgend was zustoßen sollte!.. Damit zog er den Schlüssel heraus. Dann kommen Sie nachher doch.. ,l" jammerte sie. Nein, auf mein Ehrenwort!" Wirklich nich?" Kann ich mehr tun, als Ihnen mein Ehrenwort geben?" Und er ging, nachdem er sie vergeblich um einen Kuß gebeten hatte. Sie ging mit vorsichtiger Bewegung, wie ein Wild, das zur Tränke will, ans Bett und zog sich zaudernd und immer wieder nach der Tüt blickend aus. Dann legte sie sich mit geheimem Widerwillen in das Bett des ihrer Seele so fremden Mannes hinein.... Und sah wie in einein bläulichen Nebel die kostbar moderne Einrichtung des Gemaches, dessen Möbel und Teppiche unter dem gedämpften Licht der mit bunten Glasflüssen inkrustierten Ständerlampe märchenhaft schim- Merten. Und sie spürte ein ihr unbekanntes Parfüm in der zu warmen Lust, das sie berauschte und noch widerstandsloser machte. Da ging die Tür auf er kam doch! Sie schluchzte laut. Und dann ein kurzer Kampf, in dem er brutal wurde wie vorher ihr Vater.... Da schrie sie nicht mehr, sträubte sich auch nicht mehr, nur ganz leise weinend hielt sie die Hände vors Gesicht, um es vor seinen Küssen zu schützen..,. 4 Sie heißen?" Georg Hellwig." Geboren?" Fuffzehnten Aujust zwciunsiebzich." Wo?" In Berlin  ." Wie heißt Ihr Vater?" Friedrich Hellwig." Un was is er?" Buchbindermeister, er arbeet' bei Streich u. Wolfs  ." Ihre Mutter heißt?" Na, ooch Hellwig, wie soll se denn sonst Heeßen?" Der protokollführende Schreiber des UntersuchungS» richters hob den Kopf, sah durch seine Brillengläser den jungen Menschen bösartig an und sagte in schneidendem Tone: Sie haben hier gar keine Fragen zu stellen, versteh'n Sie! Ich frage, was Ihre Mutter für eine geborene ist?!" A so!'ne geborene Bandtke is se." Der Untersuchungsrichter Dr. Dröschmann, der, eisten Zeugen inquirierend, mit langen Schritten den ziemlich großen Raum durchmaß, blieb einen Moment stehen und blickte auf Georg Hellwig hin mit halbgeschlosscnen Augen, wodurch seine faltigen Lider glatter wurden. Dann fuhr er mit der knochigen Linken durch das dünne Haar und setzte seinen großen und mageren Körper wieder in Bewegung. dabei befragte er den Zeugen weiter, der offenbar gar nicht nach dem Geschmack des Untersuchungsrichters aussagte. Denn dieser verhielt am Tisch jetzt seinen Schritt, trommelte nervös auf das grüne Tuch und sagte zu dem Zeugen: Wenn ich gewußt hätte, daß Sie derartig aussagen würden, so hätte ich Sic überhaupt gar nicht vorgeladen. Sie können abtreten." Sobald der Zeuge, sicherlich ein biederer Handwerks- mcister, mit devotem Kratzfuß verschwunden war, wandte sich der Untersuchungsrichter Georg Hellwig zu. Sie sind vorbestraft, nicht wahr?" Wie?... Was bin ich?" Ob Sie vorbestraft sind?" Der Ton des Untersuchungsrichters war scharf und laut. während er sonst seiner Stimme eine gleichgültig matte Farbe gab. Nee, ich bin nicht vorbestraft."