anlassung zu dieser Respektwidrigkeit gewesen, fügte er in bullerndem Tone hin;n: Was ist denn üderhaupt los?" Sein Auge überflog die Zelle und blieb am Tisch, an der verdorbenen Arbeit hängen: .. Aha, weil Sie'n Ferkel sind l'n Schwein l'n rich- tiges Dreckschwein sind Sie! Jawoll'n.. Er kam nicht weiter, Hellwig hatte ihn gepackt und mit einem so heftigen Stoß gegen den Türpfosten geschleudert, daß er aus der Zelle taumelte. Im nächsten Moment hatte der Ausseher seinen Säbel herausgerissen und wollte aus den Gefangenen los, dessen herkulische Kraft er ja nicht kannte. Ein kurzes Ringen dann flog der Säbel über das Eisengeländer in den Keller hinab und der Aufseher sank, von einem schrecklichen Faustschlag zwischen die Augen ge- troffen, zu Boden. Aber schon eilten aus allen Galerien die Beamten herbei. Der Gefangene stand in seiner Zellentür vor dem Auf- seher, der sich mühsam emprobrachte.... Sollte er den Kampf aufnehmen, mit den andern auch, und so wenigstens noch ein paar mitnehmen, wenn er selbst schon weg mußte?! Er sah, mit rasender Schnelligkeit denkend, alles voraus, wie es kommen würde. Aber auch die Kürze seiner Strafe fiel ihm ein noch könnt' es ja so schlimm nicht werden: dem Kerl da war nichts passiert und er... er war ja gereizt worden... er... Gehen Se in Ihre Zelle!" brüllte der erste Aufseher, der, den Säbel in der Rechten, heran war. Georg Hellwig tat wie ihm befohlen. Und dieser und noch ein anderer Beamter rissen die nach innen geizende Tür zu und drehten den Schlüssel herum, als wenn sie einen Tiger gefangen hätten.... Da hatte der Gefangene trotz alledem lächeln müssen: dieses Bewußtsein seiner Kraft und seiner Furchtbarkeit ließ ihn die Angst ver- gesien vor den?, was ihm für seine Widersetzlichkeft etwa passieren könnte. Zehn Minuten später kamen zwei mit Revolvern be- tvaffnete Beamte und führten ihn ab, in Untersuchungsarrest. Und am nächsten Tage kam er vor, beim Polizeiinspektor, der ihm eine donnernde Rede hielt und ihm sieben Tage Dunkelarrest zudiktierte. Bon einer gerichtlichen Bestrafung hatte man abgesehen, weil das Benehmen des Aufsehers, den seine Vorgesetzten als cholerisch kannten, offenbar auch nicht einwandsftei gewesen war. Und so viel Mühe sich auch der Polizeiinspektor gegeben hatte, den Aufseher zu entschuldigen und sein Tun als völlig korrekt hinzustellen Hellwig hatte doch den innerlich erhebenden Eindruck mftgenomemn, der eigentlich Verurteilte wäre der Aufseher. Sein seelisches Konto war wieder um ein erlittenes Unrecht reicher und noch mehr als vorher wuchs in ihm der Glaube an die absichtliche Vergewaltigung der Armen.... l Fortsetzung folgt.) Mas Ihr wollt! oder Der letzte preußische Ministerrat. (Die Szene spielt rechts und tinks von der Zivilisation, nämlich in Preußen.) Der Ministerpräsident:(sckiiveigt grotzziigig.) Ter F i n a n z m i n i st e r: Der Herr Präsident will sagen, daß er soeben die Sitzung eröffnet hat. Der Ministerpräsident sphilosophisch): Wir werden sehen, wir werden hören und dann loird sicds finden. Der Finanz mini st er: Diese ungeheuerliche Hinterziehung muß endlich aufhören. Der Landwirtschafts mini st er: Pfin Deibel, der reine Delbrück  ! Es handelt sich nicht um die Hinterziehung indirekt«! Guts das ist Gottlob bei uns Menschenrecht. Es handelt fich vielinehr um die Hinlerziehung der heiligsten irdischen Erhabenheit: des KünigswortS. Der Kultusminister: Schon Shakespeare   sagt: An einem Königswort darf man nicht klimpern. Der F i n a n z m i n i st e r: So ist es. Wir muffen miS endlich über den Passus der Thronrede entscheiden. Sollen wir nun, in Einlösung de» Köuigsworts von 1908, die Wahlreform in Aussicht stellen oder nicht? Der Mini st erPräsident sgrüblerisch): Wir werden sehen, wir werden hören und dann wird sich's finden. Der F i ii a n z m i n i st e r: Nein, es eilt. In drei Tagen muß die Thronrede verlesen werden. Der Handelsminister: Kündigen wir neue Erhebungen an. Wir müffen doch erst statistische Untersuchungen über die Wirkungen aller deutschen Wahlsysteme anstellen. Der Kultusminister: Ich bin gegen solchen Wissenschast- llchen Unstlg. Ueber diese ganze Biologie... Der I u st i z m i n i st e r: Ich konstatiere in dem Vorschlag, das Königswort durch einen Passus der Thronrede zu entweihen, eine bedenkliche Senkung des monarchischen Empfindens und ein Ein- dringen des demokratischen PöbelgeisteS selbst in unseren Kreisen. Juristisch� liegt der Fall so: Wenn Majestät Wirklich das Versprechen gegeben haben sollten, so muß es nicht nur nicht eingelöst werden, es darf gar nicht eingelöst werden. Oder wollen wir etwa den König an sein Wort binden? Das hieße seine Souveränetät unter ein Wort beugen. Es stünde dann ein Wort höher als der Träger der Krone selbst. Er wäre der Sklave eines Versprechens und hörte auf, Souverän zu sein. Mit Recht haben uniere Vorsahren darauf bestanden, daß die monarchischen Rechte nicht durch den papiernen Wisch einer Verfassung gemindert werden dürfen, daß der Monarch bei Gefahr seines Daseins selbst nicht Reckt habe, auf einen Teil seiner göttlichen Machwollkommenheil freiwillig zu verzichten. Sollen wir jetzt durch ein bloßes Won die Monarchie in den Staub treten laffen. das doch noch weniger ist als ein papierner Wisch? Die Majestät nötigen, sein Wort zu halten, beißt sie ihrer Macht berauben. Wir dürzeii dem Monarchen nicht einmal gestalten, daß er sich an fem Wort gebunden fühlt; das wäre Selbstentthronung l So viel über die Saclie vom staatsrechtlichen Standpunkt. Aber auch zivilrechtlich ist die Sache unzulänglich. Die Wahlrcchtsforderung ist seit 60 Jahren verjährt sie kann überhaupt nicht mehr erhoben werden ges etzlichl Der Kultusminister(mit offenem Munde): Eine groß- artige Wissenschaft, die Arithmetik I Der F i ii a n z m i n i st e r: Ich stimme dem Vorredner zu, das Volt ist leider nicht juristisch vorgebildet, nicht durchweg; eS hat eigentümliche, ungeklärte Begriffe von Königsworten. Der P o l i z e i m i n i st e r: Das Volt? Dafür sorge ich. Keine Eingriffe, bitte, in mein Neffort! Der F i n a n z m i n i st e r: Schließlich das Ausland l Auch dort bat man gewiffe Vorstellungen. Ich erinnere an Frankreich  , England... Der Landwirtschaftsminister: Wir leben in Preußen l Der ausländische Mist... Der Ministerpräsident(weitblickend): Wir werden sehen, wir lverden hören und dann wird sich's finden. Der HandelSmini st er: Treten wir in die Einzelberatung ein. Eibls überhaupt ein Wahlsystem, aus das wir uns einlassen können? Zun» Beispiel das geheime Wahlrecht? Der Kultus mini st er(lebhaft): Dafür bin ich unbedingt, aber es muß nicht nur ein geheimes, sondern auch ein sittliches Wahlrecht sein. Erheben wir die Münchener Redoutenverordnung zum Wahlgesetz: Das Wahlkloiett muß beleuchtet sein, darf durch keine Vorhänge der Moral entzogen werden, die Breite deS Raumes muß mit der lichten Weile des Eingangs übereinstimmen und die Wände dürfen nicht höher als 1,40 Meter sein So wird man geheim, aber moralisch wählen.(Allgemeine Zustimmung.) Aber wie steht es mit der gleichen Wahlkreiseinteilung? Der Handels mini st er: Läßt fich auch machen. Wir machen die Wahlkreise alle gleich, aber die Zahl der zu wählenden Abgeordneten stellen wir zwischen 1 mid 10. Der Polizei minister: Ich stelle da? Amendement: von v bis 10. Berlin   braucht keinen Abgeordneten, wo eS seinen Polizei- Präsidenten hat.(Wird beschloffen) Der Finanz mini st er: Die Wahlreform marschiert I Bleibt noch eine Schwierigkeit: Die K l a s s« n I Wenn wir selbst in der drillen Klaffe Pluralstimmen gemäß der Zahl der Steuerswfe ge- währen, so bleibt doch immer die Ungerechtigkeit, daß man, wenn man aus Guoibimien nach Wiesbaden   zieht, aus der ersten in die dritte jllaffe herabsinken kaiin. Das ist das Problem... Der Ministerpräsident: Wir werden sehen, wir werden hören und dann wird stch's finden. (Allgemeine stundenlange Ratlosigkeit.) Der P o l i z e i m i n i st e r(in plötzlicher Erleuchttmg): Kinder, ich hab's. Leben wir in einem freien Staate oder nicht? Ich denke in einem freien.(Der Jnstizmi nister: Steht in der Verfassung!) Also: Jedes Wahlrecht ist Zwang, Einbruch in die persönliche Freiheit. Also überhaupt kein Wahlrecht! Jeder kann nach einem Wahlrecht wählen, nach dem er will.... Der Kultusminister(jauchzend): Das Ei des Laokoon l Der Finanzminister: Aber Der Polizei minist er; Kein aber! Die Eh ose ist ganz einfach. Jeder kann sein eigenes Wahlrecht frei ausüben und,». All«(erregt): Und? Und?... Der Polizeiminister: Und wer dann in die Abgeordneten-Bude zugelassen wird das be­stimmen der Heydebrand und der Kopp! Der Finanzmini st er: Nunmehr kündigen wir die Wahl- reform an! Der Ministerpräsident(tiefsinnig ergriffen): Wir werden sehen... Joe.