mir die Handgriffe. Schwer war das ja nicht. Man mußte es nur wissen. Ich hatte das bald kapiert, und nach vier Wochen lackierte ich, als wenn ich nie was anderes getan hätte. Ich blieb da ziemlich lange. Zuerst dachte ich jeden Tag, ich werde hinausgeworfen. Der Unternehmer paßte auf wie'n Luchs. Jeden Abend stellte er sich vor den Ausgang, wenn wir von der Arbeit'rauskamen, und entließ die Untauglichen. In Amerika  gibt's keine Kündigung. Sie wissen nie, ob Sie nicht morgen auf dem Pflaster fitzen. Das gehört mit zum System. Vollständige Freiheit zum Verhungern! Es hat ja auch sein Gutes. Wenn'Z einem nicht gefällt, geht man. Dean ist wenigstens nicht gebunden. ... Ter stellt sich also vor den Ausgang und zeigt mit dem Finger: Sie können gehen, und Sie gehen und Sie und Sie." Auf mich zeigte er aber nicht. Da bekam ich Mut. Holla, dachte ich mir, du mußt doch was leisten, der entläßt dich nicht.!gch wunderte mich über mich selbst. Aber das machte mich sicher. Ich drang schon mehr in das System ein. Ich sah, wie es gemacht wird. Ich fing an, rücksichtslos beiseite zu stoßen, was mir im Wege stand. Ich sagte mir, entiveder du trittst oder du wirst getreten.... Tja, es blieb mir nichts anderes übrig. Es tat mir innerlich selbst leid, wenn ich so einen armen Kerl beiseite stoßen mußte, der doch das- selbe Recht hatte wie ich. Aber da gab's keine Kameradschaft. Ber- dienen! Verdienen! Das ist das System! Daraus resultiert alles, da treibt immer einer den anderen! Leben ist das gar nicht zu nennen! Alles ist auf gegenseitige llebertrumpfung eingerichtet. Jeder sieht im anderen seinen Todfeind, der ihm die Tollars weg- schnappt. Einer überhetzt immer den anderen. Wissen Sie auch, daß ich gedacht habe, ich bin im Begriff der- rückt zu werden, oder ich bin's schon?! Aber ich überwand daS auch. Und schließlich fand ich Gefallen an dem Treiben. Dann wurde ich immer sicherer. Ich verlangte eine Lohnerhöhung und bekam sie. Ich lernte bor allem, meine Verdienste ins richtige Licht setzen. Natürlich ging das nur auf Kosten der anderen. Aber man wird zur Bestie! Und dann lernte ich, niemals so tun, als könnte ich etwas nicht. Ich sah, daß es nur darauf ankam, frech zu sein. Da war ich schon auf dem besten Wege. Ich ging dann bald von meinem ersten Chef weg und kam zu einem von seinen Konkurrenten. Der hatte mich lange haben wollen. Da machte ich einen Hauptcoup. Es war gemein, aber es half mir. Ich mutzte irgend was machen, was mich weiter brachte. Wenn die anderen nicht darauf kamen, war das ihre Schuld. Sie hatten die vollständige Freiheit dazu. Sie sehen, ich war schon ganz im System drin. Ich war den anderen schon über. Die Türen wurden gewöhnlich zweimal lackiert. Aber der richtige Glanz kommt erst bei der dritten Lackierung. Bei Tage war dazu keine Zeit. Wir hätten sonst nicht das voll- ständige Quantum zustande gebracht. Ich ging also bei Nacht hin und lackierte mein Teil noch ein drittes Mal über. Wir hatten natürlich Mondschein. Wenn sie trocken waren, zeigte ich dem Chef meine Türen.Sehen Sie, die find von mir, und nun vergleichen Sie die mal mit den anderen!" Ter Unterschied war natürlich klar. Das imponierte ihm. Selbstverständlich hatte niemand eine Ahnung, baß ich nachts hinging. lSchluß folgt.) k>ocbxvafler-I?ataftropken. Von Dr. C. R. K r e u s ch n e r. Der in seinem bisherigen Verlauf durchaus ungewöhnliche Winter hat nach fast frühjahrsmätzig warmen Tagen um die Weih- nachts- und Neujahrszeit seinen unberechenbaren Launen die Krone mit einer Hochwasserkatastrophe höchst seltener Art aufgesetzt. Während bei 10 bis 15 Grad Kälte über England, das durch sein gemähigtes Winterklima bekannt ist, wirkliche Blizzards dahin- rasten, die binnen wenigen Stunden den Eisenbahn- und Tram- wayverkehr lahm legten, während die den Berkehr über den Aermel- kanal besorgenden Dampfer die Uebersahrt nicht wagen durften, während in der Nordsee   unerhörte Stürm« tobten, setzte von den rheinischen Mittelgebirgen und von der Nordseescheide zwischen der Rhone   einerseits und Loire   und Seine andererseits bis zum Atlan- tischen Ozean und der Nordsee   ein mächtiges Tauwetter ein, das die in einem höchst niederschlagsreichen Winter im Berg- und Hügelland aufgespeicherten Schneemassen reitzend zum Schmelzen bracht« und namentlich über Paris   ein Hochwasser heraufbeschwor, wie es die Geschichte der alten Lutetia Parisiorum seit mehr als einem Vierteljahrtausend nicht aufzuweisen vermag. Hochwäffer gehören im März und April zur Zeit der Früh- jahrsschneeschmelze oder im Hochsommer, wenn nach langer Trocken- heitsperiode in ausgedehnten Gebieten unter weit ausgebreiteten Gewittern kolossale Niederschlagsmengen als Wolkenbrüche nieder- gehen, zu den mit einer gewissen Regelmätzigkeit wiederkehrenden Naturerscheinungen. Mitten im Winter sind sie«irre große Selten- heit, die nur bei dem unglücklichen Zusammentreffen mehrerer Um- stände zur schreckvollen Wirklichkeit wird. Es müssen rm Verlaufe von Wochen und Monaten große Schneemassen sich übereinander abgelagert haben, die in den Tiefländern vielfach durch Schmelzen wieder gänzlich verschwinden können, so daß der städtische Be- wohner des Flachlandes nichts von der drohenden Gefahr ahnt, während in den etwas höheren Lagen, denen auch eine entsprechend niedrigere Durchschnittstcmperatur zukommt, kein Abschmelzen stattfindet und deshalb eine Schnceschicht nach der anderen sich über dem Erdboden anhäuft wie die Jahresringe eines Baumes. Ge­staltet sich dann über West- und Mitteleuropa   die Verteilung und Veränderung des barometrischen Druckes so, daß große, aus Süd- west anrückende Zyklone üb-.r Mitteleuropa   hinwegstreichen, so ist die Ursache zur Entstehung warmer und anhaltender südlicher oder südwestlicher Winde gegeben, die binnen wenigen Stunden eine tagelang anhaltende Erhöhung der Temperatur um 10 bis 15 Grad Celsius hervorbringen können. Nur unter diesen Umständen ist es möglich, daß in den unter hohem Druck stehenden nördlichen Gegenden Europas  , bei Harparanda, dem in Finnland   gelegenen Kältepol Europas  , in Sankt Petersburg   oder in Wilna   in Lithauen polare Temperaturen von 20 und mehr Grad Kälte herrschet können, während in einer Entfernung von 40 bis 50 Bahisstunden in südwestlicher Richtung ausgesprochene Frühjahrswärme auf- tritt. Am auffallendsten tritt das Hereinbrechen warmer Lust- strömungen mitten im Winter in Innsbruck   nördlich vom Brenner in Erscheinung, wo zuweilen am Abend strenger Frost mit 10 bis 12 Grad Kälte herrscht, während ani nächsten Morgen, noch nicht 12 Stunden später bei 3 Grad Wärme alles in den zergehenden Schneemassen schwimmt. Daß unter diesen Umständen die Berga bis zur Höhe von 1500 Metern binnen kürzester Frist schneefrei werden und ihren Ueberfchutz an Niederschlägen in reißenden Wild- dächen den großen Heerströmen des Landes zuführen, bedarf keines weiteren Beweises. Ganz besonders kritisch aber wird die Wetter  - läge, wenn die Wärmewellen das Flußgebiet eines Stromes treffen, dessen Nebenflüsse, wie es bei der Seine der Fall ist, mit an- nähernd gleicher Flußlänge von verschiedenen Seiten konzentrisch wie die Radien eines Kreises oder die Sektoren eines Fächers einem Mittelpunkt zueilen. Wenn man einen Blick auf die physikalische Karte von Mitteleuropa   wirft, erkennt man sofort, daß gerade die Seine ein Heerstrom in diesem typischen Sinne ist, bei dem un» mittelbar oberhalb Paris   und wenige Meilen weiter stromauf- wärts bei Fontainebleau rnd Moutereau die Marne   mit dem Grand Morin, der Loing und der Donne mit ihren zahlreichen Nebenflüssen ihre von den Monis du Morvan, dem Plateau de LangreS und der Cöte d'or kommciiden Wassermassen mit denen des Hauptstromes vereinigen. So viel zur Erklärung der französischen   Katastrophe der letzten Tage, die ein echtes SchuLbeispiel einer winterlichen Waffernot ist und nebenbei gesagt nie einen so großen Umfang«mge» nommen haben würde, wenn man sich in Frankreich   zur rechten Zeit zur Anlage großer Talsperren bequemt hätte, die sich mehr und mehr als das einzig wirksame Mittel gegen unberechenbare Wassernöte herausstellen. Es ist heut Mode geworden, der fortschreitenden Abholzung der Wälder in allen Hochwasserkatastrophcn den größten Teil der Schuld zuzuschreiben, ohne in eine genau« Kritik der ursächlichen Momente einzutreten. Demgegenüber kann, so sehr die gründliche Entwaldung, eines Landes auch das Eintreten von Uebcrschwem- mungen begünstigt, nicht der Hinweis darauf unterlassen loerden. daß auch in Zeiten, wo von einer umfangreichen Zerstörung der Wälder noch nicht die Rede sein konnte, wahre Sintsluicn von Ueberschwemmungen eingetreten sind. Es find sichere Beweise dafür vorhanden, daß schon im alten Germanien   zu Cäsars Zeiten die Gegenden dcS Unterrheins, also hauptsächlich das Gebiet d«S heutigen Hollands, das schon damals von den Batavern durch See- und Flußdeiche geschützt war, häufig von Ueberschwemmungen heimgesucht wurden, die weniger durch die Sturmfluten der Nord- see als durch den wild gewordenen Strom herbeigeführt wurden. Freilich, wo Hochwässer der Ströine sich mit den Springfluten des Meeves, namentlich mit den ungeheuren Flutwellen kom- binieren, wie sie durch ein unterseeisches Erdbeben hervorgerufen werden, ist alle menschliche Mühe am Ende ihres Könnens. Eine der ältesten bekanntgewordenen Katastrophen dieser Art fällt in das Jahr 373 vor Christus, in dem die alte Hauptstadt der Jonier. H e l i k e, mit fast sämtlichen Einwohnern vom Meere verschlungen wurde. Ein Seebeben hatte die Fluten des Golfes von Korinth  o hoch aufgestaut, daß der Wasscrschwall bis in die mehr als 2 Kilo- meter vom Strande   entfernte Stadt und in die Nachbarstadt Bura  eindrang und sämtliche Gebäude einschließlich des herrlichen Tempels des Poseidon zerstörte. Die damals zur Hilfsaktion ent- sandten 2000 Achäer waren nicht imstande, die Leichen unter den Trümmern hervorzuziehen und trugen obendrein auch noch die Keime der an der Ilnglücksstätte ausbrechenden Pest in ihre Heimat. Die gleichen Ursachen liegen bei der furchtbaren Ueberflutung Konstantinopels   vor, die fast bis auf den Tag genau vor 400 Jahren mehr als 100 Moscheen und 1100 Wohnyäufer in Trümmer legte, während 8000 Menschen ihren Tod in den Ge° wässern des Bosporus   fanden. Noch weit gräßlicher aber waren die Verwüstungen der großen Meeresflut, die gelegentlich des gewaltigen Erdbebens in Peru   im Fahre 1746 C a! l a o, die Hafenstadt der Hauptstadt Lima  , von Grund aus zerstörte. Am 28. Oktober des genannten Jahres traten gleich bei dein ersten Erdstoß auf einer mehrere hundert Meilen langen Linie an der Westküste Südamerikas   die Gewässer des Stillen Ozeans viele Kilo- meter weit vom Strande zurück, um sich nach wenigen Minuten als ein 30 Meter hoher Wasserwall auf den entblößten Strand zu stürzen, wo Callao, Cavallos, Chincha. Huacho  , Camana, Pacocha, Guanape und noch manche andere blühende Hafenstadt so gründ- lich zerstört wurden, daß man den Ort. wo sie gestanden, nur mit Mühe wiederfinden konnte. Was das Waffer in Lissabon