mehr für Brot will sie haben, sonst gar nichts! Und was tut dieser edle, dieser großmütige, dieserwahre Freund" seiner Arbeiter? Er packt das arme schwache, von Kummer und Not verzehrte Weib mit roher Faust und wirst sie vor die Türe!... Da lieg' Du und krepiere!.. Georg hatte mehrmals den Kops geschüttelt, durch den «s wie tausend Funken blitzte..Sein starkes Temperament und das im stillen fortwuchernde Bedürfnis, zu reden unN von sich reden zu machen, gab dem jungen Mann keine Ruhe. In seinen Adern rührte sich das böse Blut, jenes Erbe eines Alkoholikers, das sich in stürmischen Anfällen gegen jeden Zwang, gegen jede Ordnung auflehnt.... Sein Wider- spruchsgeist ließ ihn jetzt gegen seine nächste Umgebung heftig aufbegehren. Georg meldete sich für die nun folgende Diskussion zum Wort und wurde gleich aufgerufen. Und dann stieg er aufs Pult und sagte, was er auf dem Herzen hatte: ungeschickt, mit viel zu viel Worten und in der Sache oft schädlichen Uebertreibungen. Sein Schluß war, der Chef sei ein ganz guter Mann, aber alles könne er sich auch nicht gefallen lassen! Disziplin müsse überall sein. Die Versanimlung war schon während seiner ganzen Rede unruhig gewesen, jetzt, wie Georg schloß, rief einer mit lauter Stimme: Wie im Kittchen, wah?" Hellwig wurde leichenblaß. Sein im Zorn ausflammen- des Auge suchte den Rufenden, aber er fand ihn nicht heraus aus der Menge. Langsam, mit bedächtigen Schritten, den Kopf rechts und links drehend, ging er zwischen den Tischen hindurch. In seinem geheimsten Herzcnswinkel hoffte er noch immer, sein Ohr habe ihn getäuscht, aber sein klarer Verstand verneinte das und zeigte ihm auch schon in dunklen Umrissen die Fol- gen jenes Ausrufs. Der Hauptredner betrat jetzt das Podium von neuem und widerlegte in ruhiger Weise die Ausführungen Georgs. Er wüßte nicht, wo Hellwig seine Studien gemacht habe, die ihn zu einer solchen Beurteilung der kapitalistischen Aus- deuter geführt hätten.... «Im Kittchen!" schrie jetzt dieselbe Stimme, und dies- mal meinte Hellwig den, der gerufen hatte, zu sehen. Er sprang über die Tische und Stühle und über die, die darauf saßen, fort, auf den Niederträchtigen zu, der sich zur Flucht wandte. Nun löste sich alles in ein tolles Chaos. Ein Drängen begann. Die Frauen kreischten: Georg Hellwig. den an der Tür einige Kollegen abholen wollten, brüllte und schlug um sich wie ein Rasender, und das Ende vom Liede war, daß der überwachende Beamte die Versammlung auflöste. (Fortsetzung folgt.) lZIuchSniS derdoten.) Der Kämpfer, Von Max Halbe . < Schluß.) Das setzte ich eine Zeit fort. Das half mir durch. Ich wurde da Wcrkführer. Da war ich schon über das Gröbste hinaus. Ich sparte schon Geld." Und wie ertrug Ihre Frau das alles?" fragte ich. Meine Frau? Ja, das war noch das Schlimmste. Das Schlimmste Hab' ich überhaupt noch gar nicht erzählt. Das kam noch erst. Unser Verhältnis war zuerst ganz erträglich. Natürlich sah ich bald, daß das alles nicht so war, wie ich mir gedacht hatte. In New shork sah sich das ganz anders an, als auf dem Gut meines Onkels in Hessen . Meine Frau war ungebildet, aus einfachen Ver- Hältnissen. Ihre Eltern waren gewöhnliche Bauersleute. Wer die Frauen haben ja so einen Takt. Sie eignete sich das alles ziemlich Schnell an, äußerlich. So lange sie gesund war. ging es. Und wir ahen uns auch nicht viel. Die ersten Jahre fanden wir uns ab. Ich bedachte auch immer, daß ich doch eigentlich die Ursache war, und wie schwer ihr das alles werden mußte. Sie hatte sich das wahrscheinlich auch anders vorgestellt. Wir sollten das erste Kind bekommen. Das war gerade, als ich mal längere Zeit ohne Arbeit war. Es war absolut nichts zu finden. Es war eine fürchterliche Krisis, besonders auch im Baugeschäft, und wir saßen wohl Taufende auf dem Trocknen. Nun gerade in der Zeit! Es kam nichts und kam nichts. Die paaMZpargroschcn gingen drauf, und ich sollte meine Miete bezahlen. Schließlich wußte ich mir nicht anders zu helfen. Ich ging in ein Abzahlungsgeschäft, machte eine kleine Anzahlung und bekam dafür Möbel. Die ver- kaufte ich dann wieder, und so hatte ich vorläufig etwas Geld. Bis zur nächsten Abzahlung hoffte ich wieder etwas zu finden. Ja, es blieb mir nichts anderes übrig, wenn wir nicht auf die Straße wollten. Ich bezahlte meine Miete, und so konnten wir wenigstens die Geburt abwarten. Das kostete auch noch Geld. Das Kind wurde totgeboren und meine Frau litt fürchterlich. Und nun standen wir vor dem Nichts. Wenigstens mit dem Abzahlungsmenschen fand ich mich ab. Er war anständig und stundete mir, bis ich Arbeit hätte. Aber der Wirt warf uns zum Hause hinaus. Da saßen wirl Meine Frau vermietete sich als Amme in einer jüdischen Familie. eS waren Deutsche . Und ich... Ich kam bei einem Bekannten unter, einem Restaurateur. Ich wohnte im Keller und schlief so halb auf den kahlen Fliesen. Es war im Winter. Ich fror fürchterlich und hatte nichts oder wenig zu essen. Damals hatte ich den Gedanken, mich aus der Welt zw schaffen. Ich war sehr nahe daran. Ich war's satt und dachte nicht, daß ich nochmals auskommen würde. Ich weiß eigentjich selbst nicht, warum ich's nicht getan habe. Vielleicht habe ich an meine Familie gedacht. Ich nahm mir vor, es noch einmal zu versuchen. Eines Tages ging ich auf der Straße. Es war ein großer Auflauf. Mitten drinnen saß ein Mensch und zeichnete nach einer Photographie. Alles starrte und gaffte. Man konnte die Porträts gleich mitnehmen. Ich dachte mir, das kannst du auch. Ich ging und übte mich zwei Tage im Zeichnen. Dann sing ich auch an. Ich hatte bald Zulauf. Nach einiger Zeit hatte ich ein Stück Geld ver- dient. Davon konnte ich doch wieder menschlich leben. Ich hatte das nicht mehr gedacht. Es war mir auch gleich. Ich arbeitete nur noch mechanisch. Aber ich hatte Glück. Ich bekam meine frühere Stelle als Werkführer. Die Zeiten hatten sich gebessert. Ich kam wieder in das System. Als Werk- führer war ich auch schon so ein kleiner Unternehmer. Die großen Unternehmerfirmen, die oft ganze Stadtviertel bauen, übertragen ihren Werkführern wieder mehrere Häuser. Man bekommt eine Summe ausgesetzt, davon muß man die Löhne und das Materia! bestreiten. Was man erübrigt, ist der Prosit. Die Firma hat wieder ihren eigenen Profit. Nun mutz nrcw das herausschinden an den Löhnen und am Material, überhaupt an den Herstellungs- kosten. Je schneller gearbeitet wird, desto besser. Zeit ist Geld. Einer überarbeitet den anderen. Vorher war ich selbst ausgenutzt worden. Jetzt nutzte ich meinerseits aus. Wenn man erst so weit ist, hat man Aussichten. Darum drängt sich auch alles nach diesen Stellen. Dabei wird immer verdient. Ich niachte es wie alle anderen. Ich benutzte das System. Ein Arbeiter überhetzte immer den anderen. Jeder bekam sein Haus. Ich ging zu dem einen ins eine Haus und sagte:Du, Dein Kollege im anderen Haus ist schon weiter."So", sagte er.schon weiter? Da muß ich mich auch dranhalten", und arbeitete wie wahnsinnig. Dann ging ich zu dem im anderen Haus und sagte: Du, Dein Kollege da wird wohl eher fertig werden. Arbeitet schneller!" Natürlich«bettete der noch wahnsinniger, und so einer lmmer mehr als der andere. Ich verdiente so nach und nach an tausend Dollars. Das war mein einziger Gedanke. Geld! Geld! Geld! Ich lebte nur für die Dollars. Ich war schon so ziemlich Amerikaner. Ich hatte noch manchmal Anwandlungen, aber immer seltener. Ich wußte, daß das eigentlich kein Leben war. daß so langsam alles in mir erstickt wurde. Ich konnte das ganz genau verfolgen. Aber das System hielt mich fest. Ich kam nicht los. Wenn ich nicht wieder alles aufs Spiel setzen wollte, mußte ich mit. Und je mehr ich hatte, desto größer war die Gefahr, daß mit einem Schlage alles wieder verging. Also mußte ich noch um so mehr dahinter sein. Darin liegt die Konsequenz des Systems. Man muß das erfaßt haben. Man endet als Millionär oder als Lump auf der Straße. Vorher wissen kann man es nie. Aber es läßt einen nicht los. das Räderwerk. Bis zum letzten Augenblick ist man nicht sicher. Und mittlerweile erstickt alles in einem. Das hatte ich vor Augen. Aber ich hatte mich schon damit abgefunden. Ich dachte mir. dein Leben ist doch verpfuscht! Egal ist's doch! Jetzt willst du wenigstens als reicher Mann starben! Deine Kinder sollen nicht in die Tretmühle gehen! Es glückte mir auch weiter. Ich trat nachher in ein Geschäft für Mahagontfabrikate ein. Wir beizten billiges Holz und verkauften es für Mahagoniholz. Einmal war die Beize schlecht geraten. Das Holz war hell geblieben. Das war ein großer Schaden. Es handelte sich um einen bedeutenden Posten. Aendern ließ sich'S nicht mehr. Da kam ich auf den Gedanken: wir verkaufen das als weißes Mahagoniholz. Mein Chef war ganz glückselig über den ingeniösen Einfall. Das Holz ging reißend ab. Weißes Mahagoniholz! Denken Sie sich, die Seltenheit! Das Publikum war genasführt, und wir batten den Profit. Das System hatte sich wieder glänzend bewährt. Was konnten wir dafür! Warum war das Publikum so dumm! Mein Chef bedauerte nur, daß er nicht noch mehr von dem weißen Mahagoniholz hatte. Dann bekam ich ein Anerbieten als Häuseragent. Ich stanli im Solde einer Baufirma und mußte etwaigen Käufern die Vor- zöge der Häuser ins glänzendste Licht setzen. Ich habe auch einer ganzen Anzahl solche Häuser angedreht. Ich wußte die Leute zn nehmen. Das hatte ich gelernt. Man spekuliert auf jede Blöße. Da setzt mau ein. Die Menschen sind überhaupt weiter nichts als Zahlen, mit denen man zu rechnen hat. Wer das am besten ver- steht, hat sie alle im Sack. Darin liegt die ganze Moral des Systems. Darum dreht sich alles. Sie sehen, der Begriff Mensch