Die Ze,t amg..Nun mug ich wohl Haid nach Hause/ sagte Mutier Rauft.»Nun werde ich alt..Sie zäblte ihr Geld. Es mochte reichen. Sie hatte ja ihrLebelang tüchtig zugefaßt. Da mochte es zum Sterben reichen.Aber dann kam eines TogeS ein Brief, darin stand, ihr Sohnläge im Krankenhaus, irgendwo weit fort, und er habe die Aus-zehrung— und kein Geld— und niemanden— keinen Menschen—.Da schickte Mutter Ranft ein gut Stück Geld fort. Nnd alseinzweiter Brief kam, daß er tot sei. da schickte sie noch ein Stück fort,und nun war's auch zum Sterben zu wenig.Es war nur gut, daß sie damals nicht auf den Totengräbergehört hatte. Nun hatte sie doch recht behalten. Gewiß, so einJunge zieht fort— weiß man. wo der zu liegen kommt?Aber nun mußte sie acht geben, daß sie selbst zurecht kam.Daß sie nicht auch noch in solchem Steinhaufen, wie ihr Junge undder Professor und all die andere» zu liegen kam... verschollen undvergessen....Und wieder sparte Mutter Ranft. Jeden Pfennig. Jedes Viertel-jähr trug sie alles zur Kasse und das Buch gab sie dem Herrn inVerwahrung, der verwahrte eS gut— in seinem Arbeitszimmer ineinem eisernen Schrank.Die Jahre gingen..Bald reicht es," dachte Mutter Ranft,„bald reicht eS..."Und eines Tages sah sie: es war genug. Es reichte. Gott seiDank l Nun würde sie also doch zu liegen kommen, wo man siekannte, nicht wie die Städter, einfach verschwinden— plötzlich—spurlos— für immer— als hätten sie nie gelebt... DenStädtern mußte es ja grauen. Heute dachte noch einer an Sie.einer oder zwei, aber morgen— nein, denen mußte es wirklichgrauen....Nun muß ich aber nach Hause", sagte sie..Nach Hause?" sagte die gnädige Frau.„Aber Frau Ranft l"„Ja, gnä' Frau, ich Hab' da noch'en Stückchen Land..."„Und gerade wo wir verreisen wollen I Wem soll ich denn dieKinder anvertrauen?"Mutter Ranft war ratlos.„Gnä' Frau müssen mir doch nicht übelnehmen, aber gnä' Fraufinden wohl jemand....Aber Frau Ranft I Frau Ranft— l"Wie sollte sie jemanden finden? Es half nicht, Mutter Ranstmußte bleiben. Wenigstens bis die Herrschaft zurückkam, in sechsWochen etwa. Wenn sie dann schon gar nichts anderes wollte, janun dann— in Gottes Namen...Als vier Wochen um waren, bekam Mutter Ranft Fieber. Sieging den Tag über umher, aber gegen Abend mußte sie sich dochlegen. Nun. eS war wohl nicht weiter schlimm. Am nächsten Tageaber lag Mutter Ranft auch noch und am übernächsten auch nochund es wurde wohl doch eigentlich statt besser schlimmer.„Wenn nur die Herrschast bald käm'," sagte sie.„Jetzt müßteich wirklich nach Hause..."Die Tage gingen. Die Herrschast kam nicht. Sie war irgendwoim Süden, wo die Orangen blühen.Eines Nachts wurde Mutter Ranst unruhig.„Ich hatte es mir eigentlich anders gedacht." sagte sie,„so über-Haupt... das Leben. Wenn man nicht leben konnte, wie manwollte, so möchte man doch wenigstens sterben, wie man will..Nach z>oei Tagen war sie tot.Das Sparkassenbuch sag tm Arbeitszimmer des Herren, in demeisernen Schrank. O, er verwahrte eS gut 1— Nein, Mutter Ranst, leben, wie man will, das kann mannicht. Heule noch nicht. Aber sterben, wie man will— daS nochdiel, viel weniger...An stillen Sonntagen, wenn das Wetter schön ist, steigen dieDörfler zum Friedhof hinauf, wandern durch die Reihen undlesen bekannte Namen. Jeder kennt ja den anderen und von jedemweiß man dies und jenes.„Siehst du", sagen sie zu einander,„da liegt nun der KrämerSchmidt und da liegt der Hans— das war mal ein Prachtkerl!—und da liegt der alte Ranft..."Keiner von all denen ist tot; sie find mitte» unter den anderenund der Friedhof ist ja auch dicht am Torfe...Fern, in der Weltstadt aber, auf weiteui Totenseld liegtMutler Ranst. Wenige Schritte von ihrem Grabe saust das Lebenvorbei... in Eile, in Geschäften....Da Leben hat nie Zeit.So liegt sie nun da und schläft und niemand kommt zu ihrund geht einmal jemand vorbei— er kennt sie nicht und suchte sieeiner— er fände sie nicht unter all den vielen....Ja, Mutter Ranst.Verschollen. Bergessen....)Znc!ers Zorn.(Zum 60. Geburtstag am 18, Februar.)Die nordischen Völker sind gegen uns Deutsche in der Wirt-schastlichen EntWickelung zurück. In Schweden, Dänemark, Nor-Wegen, Finnland vollzog sich die Umwandlung des Agrarstaatesin den Industriestaat später als bei uns, ja in Schweden und Nor-wegen ist sie noch recht im Fluß. Eine derartige wirtschaftliche Nm-wälzung pflegt die geistigen Kräfte wachzurütteln, die Menschenaus ihrer selbstgenügsamen Ruhe aufzustören. Man denke an dieumerhörte Energie, mit der die schwedische Arbeiterschaft den Gene-ralstreik durchgeführt hat, oder auch an den für uns vorbildlichen!Kampf gegen den Alkoholis, rus, eine Bewegung von unten nachoben. Gegen das. was dort mit der T a t geleistet wird, findunsere Erfolge in Deutschland, die wir über wohlmeinende Redens»arten kaum hinauskommen, doch recht armselig. Es steckt etwasvon Renaissance-Geist in diesen nordischen Völkern— man merkt'san ihrem Entdcckungseifer, an ihrem großen Anteil au den For-schungsreisen, sei es nach dem Nordpol, sei es nach Tibet: Nanss e n und Sven Hedin. Die Heimat wird ihnen gern zu enge�den Künstlern des Nordens, dann treibt es sie häufig nach Paris-Eine ausfallende Anpassungsfähigkeit kommt ihnen dabei zu statten.In der müden, stets abwechselungsbedürftigen Pariser Gesellschaft,die von ihrer eigenen Verlebtheit längst angewidert ist, werden diefrischen, unverbrauchten Persönlichkeiten mit Freuden aufgenom»men, wie etwa die dänische Opernsängerin A r n o l d s o n. DieUrsprünglichkeit schwedischer Kunst hat ihre Ursachen vor allem inihrem noch kaum gelockerten Zusammenhang mit dem Volksempfinden— Dichter wie die Selma Lagerlöf können das beweisen.Neben dem Wandertrieb, dem Gefühl, daß die Heimat für emkraftvolles Talent zu eng ist, dem stolzen Weltbürgertumsteht also bei den Schweden wie bei den Skandinaviern überhauptdie Anhänglichkeit an die Heimat, die enge Verbindung mitdem Volkstum. Beide an sich so verschiedenen Züge erklärensich wie gesagt aus dem Uebergangszustand des jungen Industrie-flaats.Diese beiden Züge find merkwürdig vereint in dem bekannte-sten schwedischen Maler der Gegenwart, in Anders Zorn. DieBlutmischung spielt bei ihm sicher auch eine Rolle. Die Vermischungzweier verschiedenen Stämme innerhalb derselben Rasse(in diesemFalle zweier germanischen) und zweier verschiedene!: Klaffen hatnoch immer günstige Ergebnisse gehabt. Anders Zorn ist nämlichder Sohn eines bäuerischen BräulnechtS und einer dalckarlischeirBauernmagd, ein Kind des Proletariats also. Er ist in M o r ain Dalekarlien am 18. Februar 1860 geboren. Bon Haus« ausschien er für ein Leben in Armut bestimmt zu sein. Der Baterstarb früh hinweg, und der Junge mußte dem Großvater in En»köping in seiner schulfreien Zeit die Schafe hüten. Da zeigte sichdenn früh schon sein Malertalent. Die Schulkameraden porträtierteer, ein ganzes Album voll, und auf der Schastveide vertrieb er sichdie Zeit damit, Tierfigürchen zu schnitzen und mit Erdbeeren- undMhrlensaft anzumalen. Zum Glück hatte sein Vater gute Freundegehabt. Die wackeren Bräuknechte legten ihre kargen Kronen zu»sammen und schickten den jungen Anders nach Stockholm auf visKunstakademie. Unter Graf Georg Roscns Leitung lernte er zeich»nen und aquarellieren und fand als Zwanzigjähriger in den kunst»verständigen Kreisen der Hauptstadt Beachtung mit einer Frau inTrauer, einem Aquarell. Von nun an reihte sich bei dem Glücks-kind Erfolg an Erfolg. Es kamen Porträtaufträge, die ihm jedes»mal 150 Kronen eintrugen. So konnte er sich mit 21 Jahrenselbständig machen und auf die Gebundenheit an die Akademie ver-zichtend nach Spanien und Algerien reisen. Der vortreffliche 1906verstorbene Maler Ernst Josephson war sein Begleiter. Wo erkonnte, lernte er hinzu. Er füllte die Skizzenbücher mit land-schaftlichen Eindrücken, er kopierte im Prado in Madrid. Auf derHeimreise hielt er sich in London auf und lernte von seinemLandsmann Axel Hägg und dem Engländer James Tissot radieren.DaS Jahr 1883 verbrachte er in der Heimat, aber dann trieb esihn wieder in die Welt hinaus. Kaum ein Jahr ist seitdem ver»gangen, ohne daß er eine größere Reise unternommen hätte.� 1885heiratete er und fuhr mit seiner Frau nach Ungarn— ein Hauptwerk, der Richter von Siebenbürgen, entstand damals. Ucberhauptwar die Kraft dieses Naturiindes ständig in Tätigkeit. Am Zielder Hochzeitsreise, in- der Türkei, hatte er einen schweren Typhuszu bestehen, überwand ihn aber schnell; 1837 ist er schon wieder inSpanien und Algerien.Die vielen Reisen, auf denen Stift, Radiernadel und Pinselnie ruhten, brachten die künstlerische Persönlichkeit rasch zumReifen. Mit 28 Jahren ist er auf dem Londoner und PariserKunstmarkt bereits bekannt. Er machte sich jetzt erst an die Oel-malerei. Aber auch sofort mit durchschlagendem Erfolg. DasLuxembourgmusenm in Paris kauft ihm die„Fischer von St. Dves"ab. Kein Wunder, daß er sich für einige Jahre in der Hauptstadtder Kunst niederließ, in dem Paris, das mit seiner neuen Land-schaftsmalcrei die Maler der ganzen Welt anzog. Mit dem Jahres1889 ist er auch als Radierer auf der Höhe angelangt. Die alljährliehe Pariser Kunstausstellung, der„Salon" spricht ihm für dasBildnis der Sängerin Rosita Mauri und des Antoine Proust dieMedaille zu und verschafft ihm auf der Weltausstellung desselbenJahres die Aufnahme in die Ehrenlegion— dem Ausländer! Indiesen Pariser Jahren entstehen auch seine Meisterradierungen:der Sturm, die Tanzgesellschaft, der Omnibus, viele Bildnisse. 1892eroberte sich Anders Zorn auch noch Amerika. Als Regierungs-kommissar hatte er auf der Ausstellung in Chicago die schwedischeAbteilung einzurichten. Dabei wurde er von der amerikanische, vGesellschaft mit Porträtaufträgen bestürmt. New Dork ist seithersein regelmäßiges Reiseziel geblieben, wie London und Paris. Manveranstaltet dort Ausstellungen seiner Werke, man zahlt ihm fürradierte Bildnisse die höchsten Preise. Auf der Weltausstellung von