und Fürsten , die eure Tyrannen sind, sondern ausserdem noch der ganze Adel, die ganze Klerisei, die ganze Möncherei samt allen Rechtsverdrehern, allen Blutsaugern von der Finanz- und Steuerpacht und allem müßigen und unnützen Volke, das es auf Erden gibt. Denn einzig von den Früchten eurer sauren Arbeit leben alle diese Menschen mit ihrer ganzen Dienerschaft; ihr allein schaffet ihnen, was sie zu ihrem Unterhalt nicht nur, sondern auch zu ihren Lustbarkeiten be- dürfen oder wünschen mögen." Anders werden kann das nur, wenn das Privateigentum aufgehoben und alles gleichmäßig in Gemein- schaft besessen und genossen wird. Die Bewohner eines Ortes schließen sich dann zu einer großen Familie zusammen, in der unter Leitung des Weisesten gleiche Arbeitspflicht für alle und so auch gleiches Anrecht auf Teilnahme am Genuß des durch die Arbeil Gewonnenen besteht. Im wesentlichen erscheint der Kommunismus Mesliers als der einer Genossenschaft von Dorfbewohnern, die sich selbst genügt; mit anderen Orten soll ein fteundliches Verhältnis unterhalten werden, man bedarf ihrer aber nicht. So hat man es bei Meslier mit einem System des AgrarkommunismuS zu tun, das auf die Verhältnisse der großen Städte und ihrer Industrie keine Rücksicht nimmt. (Schluß folgt.) Das Sebcnkrncn operierter Slmägeborener. Vollsinnige Menschen, das heißt Menschen, die sich von Geburt an im gesunden Besitz all ihrer Sinnesorgane befinden, lernen in ihren ersten Lebensjahren diese Organe gebrauchen. Je nach der Begabung des einzelnen Individuums geht dieser Lernprozeß schneller oder langsamer vor sich, und die Beobachtung der einzelnen Phasen, die das junge Menschenkind in seiner ersten Lebensschule durchläuft, entrollt einen der interessantesten physiologischen Eni- Wickelungsgänge. Dies Erlernen der Sinneswahrnehmungen, das bei einem Säugling etwas ungemein Reizvolles hat, weil es das Erwachen der schlummernden Lebenskräfte anzeigt, wirkt bei einem erwachsenen Menschen, der sich infolge außerordentlicher Umstände aus solch kindlicher Stufe befindet, viel mehr tragisch als reizvoll. Betrachten wir einige Fälle Blindgeborener, die in späteren Lebensjahren mit glücklichem Erfolg operiert, und dadurch plötzlich in den Gebrauch eines Sinzies gesetzt worden sind, ohne den sie sich so lange bchelfen gelernt hatten. Sie stehen auf einmal einer Welt gegenüber, in der es Licht, Farben, Ebenen. Nähen und Fernen gibt, lauter Dinge, von denen sie in ihrem bisherigen Dasein keine Vorstellung empfangen konnten. Wohl wußten sie in ihrer Blindheit, daß es in ihrer Umgebung eine Fülle von Gegenständen gab, von deren Form und Anwenoungsart sie.sich vermittelst ihres verschärften Tastsinnes unterrichtet hatten, aber diese Erfahrungen, die sie in der Duntelheit gemacht hatten, reichten nicht aus, waren ihnen nur eine Beihilfe, als sie das Licht empfingen. So werden die Eindrücke eines Siebzehnjährigen, dessen Linsen- trübung(grauer Star) in diesem Alter glücklich behoben wurde, wie folgt geschildert: Am dritten Tage nach der Operation wurde er befragt, was er sehe, und anwortete, er sehe ein ausgedehntes Lichtfeld, in dem alles trübe, verwirrt und in Bewegung scheine. Er konnte Gegenstände nicht unterscheiden. Dies Untcrscheidungs- vermögen zeigte sich erst vier Tage später in schwachen Anfängen und konnte erst vierzehn Tage später, als die Augen das neue Licht nicht mehr schmerzhaft empfanden, zu praktischen Anwei- sungcn benutzt werden. Man zeigte ihm an seidenen Bändern die Komplementärfarben, die ihm bald geläufig waren, bis aus gelb und grün, die er häufig miteinander verwechselte. Dann wies man ihm mit Tinte auf Papier gezeichnet, horizontale und vertikale Linien, Quadrate und Dreiecke vor, die er richtig zu nennen wußte. Dabei bewegte er aber seine Hand niemals direkt und entschieden, sondern immer wie tastend. Eine Zickzacklinie und eine Spirale, beide auf Papier gezeichnet, fand er verschieden, konnte sie aber nicht anders beschreiben, als indem er die Formen mit der Hand in der Luft nachahmte. Er sagte, er habe keine Vorstellung von diesen Figuren. Einen in geringer Entfernung vor ihn hingestellten Würfel und eine Kugel bezeichnete er als ein Quadrat und eine Scheibe, ferner eine Pyramide als ein ebenes Dreieck. Als neben die Kugel eine Scheibe vom selben Durchmeffer gestellt wurde, erklärte er, er könne keinen Unterschied zwischen den beiden Figuren ent- decken. Aur Betragen über den Eindruck, den ihm die Figuren beim ersten Anblick gemacht hätten, sagte er, daß ihm Würfel und Kugel sogleich vertchiedenartig erschienen seren, auch habe er im Augenblick ersaßt, daß es keine Zeichnungen wären, er sei aber nicht imstande gewesen, aus ihnen die Vorstellungen eines Qua- drates und einer Scheibe zu bilden, bis er ein Gefühl von dem. was er sah, in den Fingerspitzen verspürt habe, als wenn er wirklich die Objekte berührte. Als er darauf Würfel, Kugel und Pyramide in die Hand nehmen durfte, war er sehr erstaunt, daß er ihre Figur nicht beim Anblick habe bestimmen können, da ihm das durch die Berührung sofort mit Sicherheit gelang. Ihm fehlte noch die Erfahrung, durch die wir erst die Perspektive des Raumes kennen lernen. Alle Dinge erschienen ihm vollkommen flach. So sah er, obwohl er aus dem Betasten genau wußte, daß die Nase hervorragt, und die Augen tiefer im Kopfe liegen, das menschliche Antlitz doch wie«ine Ebene, Obwohl ihm der neu erworbene Sinn viel Vergnügen bereitete, ermüdeten ihn doch die fremdartigen Eindrücke. Und trotzdem er nun sehr gut sehen konnte, nahm er sehr häufig zum Tasten seine Zuflucht. Diese Schwierigkeit der Abmessung des Raumes belegt auch der Fall einer Blindgeborenen, die erst im 46. Lebensjahre ihr Augenlicht gewann. Sie hatte die größte Schwierigkeit, die Eni». fernung der Gegenstände ungefähr zu schätzen. Hielt man ihr irgendeinen Gegenstand dicht vor die Augen, so suchte sie in viel größerer Entfernung mit der Hand danach, während sie im Gegenteil wieder ganz in ihrer Nähe nach Dingen tastete, die weit von ihr entfernt waren. Sie hatte noch nach vierzig Tagen durchaus keine Kenntnisse der Entfernungen und Gestalten; auch war sie nicht imstande, ohne bedeutende Schwierigkeiten und viele fruchtlose Versuche ihren Blick auf einen Gegenstand z» richten; wenn sie versuchte, etwas anzusehen, wandte sie ihren Kopf nach verschiedenen Seiten, bis ihr Auge den gesuchten Gegenstand fand. Lehrreich ist auch der Fall eines Mädchens, das im siebenten Jahre erblindete und im siebzehnten das Augenlicht wiedererhielt. Es mußte ganz von neuem anfangen, die Farben wie ein Kind benennen zu lernen; alles Maß für Entfernung, Perspektive war ihr aus Mangel an Uebung verloren gegangen. Solch Fall beweist den großen Einfluß der Erfahrung auf räumliches Sehen, und zeigt, wie wenig von diesem Sehen dem Menschen angeboren ist. Die Beobachtung der operierten Blindgeborenen hat eine übereinstimmende Art ihres Sehcnlernens mit dem der neu- geborenen Kinder ergeben; wie die Kinder verknüpfen sie Sehen und Tasten. Tie operierten Blindgeborenen wie der Säugling nehmen noch keine Formen und Entfernungen wahr, sie erhalten beide nur Lichteindrücke. Diese große Erkenntnis hat bereits Schopenhauer ausgedrückt, indem er sagte:„Könnte jemand, der vor einer schönen, weiten Aussicht steht, auf einen Augenblick allen Verstandes beraubt werden, so würde ihm von der ganzen Aussicht nichts übrig bleiben, als die Empfindung einer sehr mannigfaltigen Reaktion seiner Retina(Netzhaut des Auges), welche gleichsam der rohe Stoff ist, aus welchem vorhin sein Verstand jene An- schauung schuf." So ohne Verstand ist das neugeborene Kind, und deshalb empfindet es nur Licht, ohne Unterscheidungen machen zu können. Eine ähnliche Beobachtung teilt auch Anselm von Feuerbach in seiner Schrift über den mysteriösen Findling Kaspar Hauser mit, der, als man sich mit ihm zu beschäftigen anfing, Iveder lesen, noch schreiben, noch sprechen konnte. Fcuerbach sagt in seinem Bericht:„Im Jahre 1328 sollte Kaspar Hauser bald nach seiner Ankunft in Nürnberg im Vestner Turm nach dem Fenster sehen, von dem aus eine weite, farbenreiche Sommerlandschast zu über- sehen war. Hauser wandte sich ab. Ihm war der Anblick zu- wider. Später aber, als er längst sprechen gelernt hatte, gab er auf Befragen die Erklärung: Wenn ich nach dem Fenster blickte, sah es mir immer so aus, als wenn ein Laden ganz nahe vor seinen Äugen aufgerichtet sei, und auf diesem Laden habe ein Tüncher seine verschiedenen Pinsel mit Weiß, Blau, Grün, Gelb, Rot, alle bunt durcheinander, ausgespritzt. Einzelne Dinge darauf, wie ich jetzt die Dinge sehe, konnte ich nicht erkennen und unter- scheiden. Das war bann gar abscheulich anzusehen." DaS beweist ebenso wie die Erfahrungen au den operierten Blindgeborenen, daß die Farben und Helligkeiten verschieden empfunden werden, ehe die Formen und Entfernungen wahr- genommen werden können. Nach der Unterscheidung der Licht- cmpfindungen sind es zunächst Begrenzungen der hellen Flächen, dann Gestalten und zuletzt deren Abstände, die deutlich erkannt werden. E. K. Ozon. Seit dem Jahre 1774 weiß man, daß die atmosphärische Luft kein einheitlicher Stoff ist, sondern nach den Untersuchungen von Priestleh hauptsächlich aus zwei Elementen, dem Wasserstoff und dem Sauerstoff besteht. Der Sauerstoff ist der Stoff, der sich mit fast allen anderen Elementen gern verbindet, sie oxydiert. Geht die Oxydation eines Körpers rasch vor sich, so tritt gewöhn- lich eine Entwickelung von Licht und Wärme ein, die Körper vcr- brennen. Da die Verbrennungsprodukte sehr oft saurer Natur sind, so wurde dieser Stoff von Lavoisier eben„Säurecrzeuaer" oder Sauer st off genannt. Sauerstoff ist ein farbloses Gas ohne Geruch und Gcfthmack; er zählt zu den vcrbreitetstcn aller Elemente, da er dem Räume nach ungefähr lb der Atmosphäre und mit anderen Elementen verbunden die Hälfte der Erdrinde und acht Neuntel des Wassers bildet. Falls man durch diesen i einen Sauerstoff, der aus der Luft nur auf Umwegen durch chemische Prozesse gewonnen werden kann. elektrische Funken längere Zeit hindurchschlagen läßt, so erleidet er eine merkwürdige Veränderung. Er nimmt einen eigentümlichen Geruch an und verbindet sich leichter mit anderen Körpern, wirkt also stärker oxydierend. Solchen veränderten Sauerstoff mennt man aktiven Sauerstoff oder Ozon. Abgesehen von ver'chiedcncn
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27 (25.2.1910) 40
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