abgewiesen worden!'ne Schneppe!... Sowas kann doch nicht zugelassen werden!... Aufseher Pflüger war sich bewußt, daß er das nicht sagen durste, aber er wußte auch, daß er sich niancherlei erlauben konnte, was eineni anderen glatt das Genick gebrochen hätte... Und dann war es nicht etwa ein übergroßes Rede- Bedürfnis bei ihm, oh, er konnte haushalten mit dem Wort, das merkten die von den Gefangenen, die ihn durch ihre Nach- lässigkeit und Liederlichkeit erzürnten, am besten!... Nein, es war inehr so eine Art wissenschaftliches Interesse!... Alle, die sich auf die Bank legen mußten, von der keiner wieder aufstand, prüfte er so von Zeit zu Zeit auf ihre Empfindungsfähigkeit. Er hatte sich da eine Theorie ge- bildet; je näher die Todesstunde kam, desto mehr lebte in den meisten der Mensch wieder auf. Darum war er auch fast bei jeder Hinrichtung zugegen... Er mußte doch sehen,'wie sie sich auf ihrem letzten Wege benahmen... Der Hellwig, na, ihm schien, als würde der fest bleiben... Bis jetzt hatte sich der eigentlich wie ein Stock Verhalten... Er mußte doch mal sehen: Hellwig l" Der Gefangene hob ein wenig den Kopf. Ihre Braut war gestern hier!" Der Gefesselte horchte auf. Meine Braut?" Ja soiie große Schwarze mit'n blasses Gesicht un janz mager!..." Wie von unsichtbarer Gewalt in die Höhe geschnellt, stand Georg Hellwig da, auf einmal in seiner ganzen Größe. Das bleiche Antlitz, in dem die große Nase und das kantige Kinn jetzt noch schärfer hervortraten, kehrte er dem erschrocken zurücktretenden Aufseher zu, und sagte nur das eine Wort: Adele!" »Ja, so hieß sie woll," meinte der Beamte etwas klein- laut, denn er wünschte jetzt doch, er hätte diese Mitteilung lieber unterlassen. t Fortsetzung folgt.) (?Zachdruck dcrbolen.1 51 Der Totengräber. Von Josef Ruederer . Der Wirt war ein verbissener, griesgrämiger Mensch, der viel Unglück in seinem langen Leben gehabt hatte. Er verstand sich schlecht aufs Spaßmachen. Seine Kneipe, ein niederes, verwahr- lostes Haus mit erloschenen Fenstern und blaßroten Vorhängen dahinter, war verrufen im Dorfe und konnte neben dem Haupt- gasthaus nicht recht bestehen. Aber dem guten Enzian, den Vater Godinger brannte, verdankte er einige Gäste von der Setz- haftigkeit des Großvaters. Dieser Feuertrank brannte dem Alten wohlig durch den Körper und weckte oft längst verstorbene Erinnc- rungen in dem eingcfchrumpsten Schädel, wenn er den Enkel auf dem Schöße hielt. Paß auf, Andredl," raunte er,paß auf, Bub. Magst a amal a Totengräber werden? Willst?" Und wenn der Knabe nickte, fuhr er befriedigt fort: Aber a solchcner mußt werden, wie dei' Großvater einer war. Gelt, Andredl, gelt? Denn bei mir da san die Leut noch ehrlich ein'graben worden. Jedem Hab' ich sei' Gebet herg'sagt, jedem Hab' ich a Weihwasser geben und noch extra a Rosmarin- zweigerl'nunterg'worfen beim Eingraben, und Hab' bet't, daß ihn unser Herrgott'raufholt bei der ewigen Auferstehung. Und wen Hab' i net alles eingraben die einundvierzig Jahr, wo ich Toten- gröber war! Feine Leut, schöne Leut! Zwei Herrn Landrichter, drei Herrn Pfarrer, ein' Herrn Kooperaior, ein' Herrn Forstmeister, und a jeder war z frieden mit niir, a jeder." Auf einen solchen Erguß mußte er sich schon einen gehörigen Schluck leisten, ehe er wieder fortfahren konnte. Hast schlechte Menschen a ein'graben, Großvater?" fragte der Junge. I hi, grad gnua!" Er sah sich vorsichtig um. Schau'n Godinger an," wisperte er.Dem seiner Tochter ihren Liebhaber Hab i eingraben und sein' ältesten Buben dazu!" Was haben's denn tan?" N' Raubmord haben's begangen am Loisinger Bauern, und da draußen vor der Tür san's von die Gendarm' derschossen wor- den, weit's haben ausreißen wollen. Nur ein'n haben's derwischt, n' Godinger sein Jüngsten. Ter hockt heut no." Der Knabe hörte aufmerksam zu. Die bat alle der Herr Meier heimg'sucht?" fragte er plötzlich. Ter Alte wurde ängstlich bei dieser Frage. Der Herr Meier... der Herr Meier! Was soll des heißen? DcS is so a verlogene Geschieht von dein'm Vater." Glaubst Du net an'n Herrn Meier?" fragte schüchtern das Kind. Diese Frage war dem Alten gräßlich. Er rutschte auf der Bank hin und her und fing zu husten an. Aber der Knabe gab sich nicht zufrieden. Gelt, Großvater, wir schauen doch alle einmal so aus wie der Herr Meier?" fragte er wieder. Dieses immerwährende Fragen nach dem Herrn Meier regte den Alten auf. Glaub Du, was i Dir sag," brummte er.Verstehst mi?... So, und jetzt... jetzt... gehst'naus, Andredl, und holst mir noch 'n Enzian,'n rechten guten, gelt, Du Hallodri Du. Du netter!" Er war zufrieden mit sich, denn er glaubte die ganze Unier- Haltung sehr Pfiffig beendet zu haben. Aber kaum war der Knabe mit dem neuen Stoff zurückgekommen, da fing er auch schon wieder an. Lügt der Vater?" fragte er leis. Blödsinnig glotzte ihn der Großvater an. Wer sagt das?" ..Du selber, Großvater." Dem Alten wurde es unbehaglich. Mir sollst glauben," gröhlte er,net Dei'm Vater. Der wart't bloß drauf, daß er mich unter die Erde bringen kann. Aber des tust Du net leiden, gelt, Andredl, des tust Du net leiden?" Der Knabe sah ihn mit wichtiger Miene an und schüttelte den Kopf. Lachend nickte ihm der Alte zu und ließ ihn wieder trinken. Hast Du Dein' Vater a eingraben?" fragte Andredl, indem er sich den Mund wischte. Der Alte sah ihn lauernd an. Warum fragst D'?" I weiß net." sagte eingeschüchtert da» Kind. Hat Dir am End Dei' Vater'was g'sagt?" Nix hat er mir g'sagt." Die Züge des Alten verloren ihre Spannung. Kann a nix sagen," fuhr er beruhigter fort,i Hab mein' Vater mit gutem Gewissen begraben, denn i Hab ihn in Ehren g'halten bis an sein seligs End." Der Großvater hatte es aber bei diesen Worten vermieden zu dem Gekreuzigten in der Ecke der Schcnkstube anfzublicken, den er sonst bei jeder Gelegenheit zum Zeugen seiner Rede anzurufen pflegte. Jetzt zog er den Knaben näher an sich und streichelte ihn« die Wangen. Hör n wir auf mit dem Gered," brummte er,deS führt zu nix. D' Hauptsach is, daß d'alleweil brav zu mir haltst, Andredl, Bua. Der Großvater meint's viel besser mit Dir als Dein Vaicr. Glaubst Du's, Andredl, glaubst Du's?" Und er ruhte nicht eher, als bis der Knabe zustimmend ge- nickt hatte. Dann war er zufrieden und trank seinen Brannt- wein aus. Damit schloß es in der Regel ab, und die Kosten einer solchen Unterredung zwischen Enkel und Großvater hatte jedesmal Meister Friedl zu tragen. Immer scheuer wurde das Kind gegen ihn, wo es konnte wich es ihm aus, und in seiner unsinnigen Angst vor der Strenge des Vaters begann es zu lügen, daß man die wahren Worte, die es überhaupt noch sprach, an den Fingern herzählen konnte. Ein müder, verschlafener Zug bemächtigte sich de» Knaben. Stundenlang konnte er an einer Stelle sitzen und ins Leere starren. Seinen Schulkameraden floh er ängstlich, und auch die Arbeit war dem mageren, schwächlichen Buben, der immer bleich an den Häusern dahinschlich, so zuwider, daß alle Prügel des Vaters ihn nicht dazu zwingen konnten. Mit verbissenem Grimm empfand der Totengräber seine Ohn- macht. Andredl war ihm freilich nie das geworden, was ihm der Erstgeborene im stillen Winkel noch' heute bedeutete. Da fehlte es weit. Aber es war doch sein Kind, das einzige, was ihm in der zwanzigjährigen Ehe mit seiner zweiten Frau geblieben war, sein Weiterleben, seine Zukunft. Fünf Mädchen waren ihm vor An- dredl geboren worden, zwei Buben noch später, und nichts war von ihnen geblieben. Alle, alle hatte der Tod nach kurzer Frist wieder hinausgeführt in den Kirchhos, wo der Friedl sie einscharrte in das alte Grab seiner Vorgänger. Gleichgültig hatte er dabei immer die Erde aufgerissen, gleichgültig hatte er sie wieder geschloffen, als müßte das so sein. Niemals hatte es ihm tiefere Wunden geschlagen. Ihm war es zur Gewohnheit geworden, daß nichts aufblühen, nichts gedeihen wollte in dem grauen Hause an der Kirchhofsmauer, wo das Leben bei der einen Tür hereinkam, und der Tod bei der anderen wieder hinausging. Das war das selbst- verständliche Werden und Vergehen, dem man nicht länger nach- grübelte. Als er aber das letzte vor kaum einem Jahre der Erde übergeben hatte, da fühlte Meister Friedl mit einem Male, daß ihm das fortwährende Einscharren der eigenen Kinder plötzlich zu viel wurde, daß es ihn müd machte, und er sah sich um, was ihn» bei dieser Arbeit im Laufe der Jahre eigentlich verblieben war. Der einzige Andredll Und mit ihm zugleich die Aussicht auf ein neues, keimendes Leben im Mutterleib. Beides stimmte ihn nicht froher. Das neue Wesen war für ihn schon im Werden dem Tod und der Schaufel verfallen verfallen, und Andredl, den fast- und kraftlosen Buben, den hatte ihm schon längst ein anderer geraubt der gehörte ihm nicht mehr. Langsam und sicher war der Alte zu Werk gegangen, nur sein Tod konnte vielleicht noch helfen. Aber wann starb er? Wann, wann? Zitternd vor Wut und Erwar- tung hatte der Friedl schon in mancher Nacht dem Herrn Meier diese Frage in die Augen gebohrt, aber das Skelett hatte nur