Kurt hörte, wie der Todgeweihte draußen noch einnialloskam und wie er um jede Stufe kämpfte, die sie ihn hinab-rissen, seinem blutigen Ende zu.Er wollte seine Absicht aufgeben, wollte das Gräßlichenicht mit ansehen— aber es riß chn vorwärts.... Wie Wp-notisiert von dem Gekreisch und Gestampf folgte er dieseminfernalischen Lärm über den Korridor, hinaus auf dieTreppe....Die Treppe k...Jede Stufe war ein Wals, ein Verhau, um den die lieber-macht der Beamten, diese Schar von wütend gemachtenMännern mit dem einen kämpfte, der biß und stieß, rasteund tobte; den ste sluchend niederzwangen und der mit demGebrüll deS Urstiers dessen Kraft auswandte zum letztensürchterlicherr Widerstand!Jetzt, jetzt hatten sie ihm die Jacke über den Kopf gerissen tund hielten den in Wutkrämpfen zuckenden Leib» an denkonvulsivisch stoßenden Extremitäten in die Höhe.-. schlepp-ten ihn so....Das Tor ging auf....Kurt ging wie stnnuambnk mit hinaus auf den Hof.In der kalten Luft des Tezembermorgens, der sich lang-sam erhellte, bekam der Anwalt ein wenig von seiner Be-fiminng wieder.... Er sah Leute... erkannte den Pastor.>. den Polizeiinspektor....Ein Stück vor ihm der Beamtenhaufen, dicht zusammen-geschlossen... und ächzendes Stöhnen aus ihrer Mitte..,.Da wieder ein Tor, das achgurg.Stellten sie den Verurteilten aus die Füße?— Kurtwar's, als sähe er den weißen Gespensterkopf über all denanderen...Und mit einem Male, wie ein Riß in die neblige, kalteMorgenluft hinein: das langgezogene, gräßliche, heißer-schluchzende Geschrei:„Jchbinunschuldigkj.-Jchbinuttfchuldig?..- Un schuldigt..Hinker dein schwarzv erhangenen Tisch standen die Richter... der Staatsanwalt... auch ganz blaß. Links davon zurSeite die Bank... rotgestrichen... mit den, Block davor..- und neben ein paar anderen der Kerl mit dem Stier-nacken... der HenkerlEr faßte in den schwarzen Kasten.-.. nach dem Beil.Und dort die Blutzeugen... vor einem Halbkreis vonGendarmen..,. Menschen dahinier, die das sehen wollten... daSl...Plötzlich eins Stimme... laut und schneidend,., derStaatsanwalt... das UrteiltTer Verurteilte war still.Hinter ihm schlichen die Henkersknechte heran.., wöll-ten ihn den Beamten abnehmen...-Da brüllte der Starke noch einmal auf.... Ein Lärm!... Die Gendarmen drangen vort... Trampeln, Scharren,Schieben auf dem Ktessanö....5?urt von Sollershausen sah nichts mehr- Er hatte sichabgewandt.... Seine Seele entsetzte sich vor dieser unerhörtenScheußlichkeit, die Melstchen gegen ihren Bruder begingen.(MchZrva»«Sonn.»101 Oer Totengräber.Von Josef Rueberer.Mit festen Schritten wanderte der Frtedk durchs Ziminer. Erhatte sich noch niemals so klar, so sicher und fest aefühlk. Bald saher spöttisch auf den Herrn Meier, bald durch das Fenster Wz Freiehinaus. Immer noch Regen und Regen. Die dampfenden WolkenSatten sich vor daö Licht geballt und senkten sich immer tiefer inas Tal herab. Schon war der Mittag vorüber, und trotzdem wolltees kaum hell werden. Jriedl zündete ein Feuer an, und als diegroßen Scheite laut in dem Ofen knisterten, blickte er wiederhinaus. ES mutzte schneien in der Höhe, das sicher« Zeichen fürbaldigen Witterungsumschlag. Also gab es kein langes Zaudernmehr, denn morgen konnte alleS mit Frost und Eis bedeckt sein undder Kictzbach um die Hälfte zurücktreten.Mit erregter Stimmung horchte er nun auf jedes Geräusch.Der Alte war noch nicht fortgegangen, denn in abgemessenenPausen, wie der Weckruf einer verlässtgen Uhr, drang sein Gebrülldurch das stille Haus, und Andrcdl, auf den der Totengräber be-sonders achtete, war um drei Uhr aus der Schule gekommen. Daßihm nur keiner wieder fortging, ohne daß er es merktel Fried!hatte die Stieseln mit Lederpantoffeln vertänscht und blieb wiefestgebannt in der Stube. Beständig ging er auf und nieder, indemex eine Pfeife nach der anderen rauchte. Tie Zeit verging ihmquälend langsam, und die Dunkelheit kam immer noch nicht'. Enfluchte heimlich, als er merkte, daß noch zwei Stunden waren Iiszum Ausgang des Alten. So trüb der Tag dreinsah— seinDämmerlicht wollte kaum erlöschen, immer das eintönige Gran vonmorgens bis abends.Endlich hielt es der Friedl nicht mehr aus und öffnete heimlichdie Türe. Leise schlich er den Flur hinab und betrat den Stall«Die Tiere fraßen ruhig an der wohlgefüllten Krippe ihr Abend--futter. Also war der Alte doch schon weggegangen l Und Friedlhatte es nicht bemerkt I Ehe er noch Zeit hatte darüber nachzit-denken, drang ein seltsames Geräusch zu ihm. Es kam durch dieschlecht verschlossene Türe, die in einen gedeckten Holzschuppenführte. Was war das? Er ging ein paar Schritte näher, und jetzterkannte er Andredls Stimme. Natürlich! Der Junge betete wiederwie damals in» Winter. Und was sagte er denn da auf? Das»waren doch ganz eigentümliche Litaneien k Friedl horchte schärfer',und jetzt erkannte er'S. Sterbegebete waren es. wie aian sie beiBeerdigungen herleierte:„Ter Herr geb' ihm Sie ewige Ruh, und das ewige Licht leuchteihm. Ter Herr sei seiner Seele gnädig. Der Herr erbarme sichseiner und aller seiner Sünden. Amen.-So betete das Kind, und es klang so klagend und jammernd.Tas stieg dem Totengräber gar närrisch zu Kopfe, daß er eilendsdie Tür aufriß und hinaus in den Schuppen trat. Aber et fuhrselbst zusammen, als er den surcktbaren Schrecken des SHndes bemerkte. Mit einem gräßlichen Schrei war es in die andere Eckedes Schuppens geflohen, als Friedl über die Schwelle ging, undjetzt hielt es. hinter einem Hcukarren versteckt, flehend beide Armegegen den Vater hin:„Jesus, Maria nnd Joseph, tu mir nix, tu mir nix!"Der Friedl begriff ben Buben nicht.»Andredt", sagte er,«sei g'scheit."„Tu mir nix, tu mir nix!'' flehte das Kind.„Aber, nimm doch Vernunft an. Bua. Warum soll i Dir SennwaZ tun?-Ten Jungen schüttelte es wie im Fieber.„F tu's nimmer, Vater, i tu's g'wiß nimmer."„Was tust denn nimmer?-Tas sagte Andredl nicht. Er wimmerte nur und verzog in derAngst sein blasses Gesicht. Friedl trat etwas näher.„Da herautzen is's kalk auf dem nassen Lehmboden. Geh k»mir'rein, da brennt a Feuer."Aber das Kind bewegte sich nicht vo» der Stelle, sondern hielt?sich mit beiden Händen an der Deichsel des Wagens fest.„Du bist doch a dummer Kerl-, sagte langsam der Friedk vnSsah kopfschüttelnd zu dem ausgeregten Kinde herab. Was er seidJahren nicht mehr gespürt hatte, ein Gefühl der Zärtlichkeit nnddes Mitleids kam über ihn. Jetzt oder ni« mehr war die Zeit,sich dem Kinde zu nähern. Vielleicht war es doch noch nicht der-loten.„Andredl", sagte er,„i Hab Dir doch»ix'tan. Wc-cum bistdenn alleweil so scheu gegen Dein' Vater?"Ter Junge antwortete nicht.„Gelt", fiihr der Fried! fort,„i weiß schon, der Grotzbaier hatDir so viel Schlechtö von mir erzählt, daß D* mi fürchlft.,«Sagst denn gar nix? Traust Dei'm Vater denn gar nimmer? Geh,Andredl, geh'rein zn mir! Wie zwei bleiben beinand fitze»'»ganzen Abend, o mein, wennst magst die ganze Nacht."Er hatte sich selbst warm geredet. Tri den letzten Wölken warer zu Andredl getreten und hatte chn auf die Schuller geklopft.Aber der Junge sah scheu zu Boden, und als ihn die Hand desBaters berührte, fatzte er sie Deichsel des Wagens noch fester«Da entrang sich Friedks Brust«in schwerer Seufzer, Ermerkte wohl, datz hier ein Augenblick nicht gut machen konnte, waslange Jahre verdorben hatten. Finster blickte er den Schuppenhinab und kaute an dem Mundstück seiner Pfeife. CS fuhr ihn,wieder so frostig durch den ganzen Leib, daß es ihn schüttelte, Derelende Breiierverscklag troff von Feuchtigkeit. Zur offenen Seitein-wand klaischie der Regen herein, und durch das verwittert« Schindel-dach sickerte das Wasser.Aber mit einem Male zog der Friedl die Augenbrauen zu-sammen und streckte den Kopf bor. Was war denn fo Merkwürdtgestn dem schmutzigen Boden? Erst begriff er'S gar nicht und sahunbeirrt darauf hin. als hätten seine Augen niemals etwas Aehn-liches entdeckt. Jetzt aber erkannte er's. Eine kleine Grübe war'sund daneben«in.Haufen Erde, hoch cntfgesthichtet, alles genau so.als wenn draußen einer eingescharrt werden sollt«. Ausgeregt gtnger näher. Ein Stück Holz lag unten, das war wie ein Sarg znrechbgeschnitzt, und am Ende der Grube steckte ein kleines Holzkreuz.daS aus Kienspänen geschnitten tuar.Friedl schaute das verrückte Sptelzeng immer durchdringendercm. Plötzlich drehte ek ftch um zu seinem Buben.„Was is das?" fragt« et.„Was soll das fein? Gib Ani-wSrt!"Der Kleine hatte ihn zitternd mit Weit aufgeriffenen Augenverfolgt. Jetzt fing er zu heulen an, noch stärker und toller wiezu Anfang. Friedl rückte ihm wieder näher.„Wen willst Du da eingraben?" schrie et hesiig.„Wo® solldaS fein? Gib a Älntwort, oder.,Verzweifelt bob der Junge die Hände.«Tu mir nix, Vater, tu mir Nix!"Friedl schwang di« Faust: