stellte er fle Vor sein eisendergitterteS Fenster. daS nach dem Hof hinausging, und setzte sie nach Dunkelwerden in Brand. Als seine Mitgefangenen dies Freudenfeuer erblickten, rief es aus allen Zellen des Gefängnisses:„Hurra! Lindenmüller I Es lebe der Ig. März!" Wütend eilte der Direktor der Anstalt, Herr v. Rohr, in Lindenmüllers Gewahrsam, und fand ihn gemütlich bei Punsch und Pfannkuchen, die ihm seine Frau geschickt hatte. Auf die zornige Frage des Direktors, was er da wieder für Unfug anstifte, antwortete Lindenmüllcr seelenruhig:„Na, uff'n ersten Jcburtstag von de Revolution da mußte ick doch'n bißken illumnieren!" Aber der Beamte nahm keine Rücksicht auf seine Gcsinnungstreue. Er zwang Lindenmüller zur schleunigen Entfernung der Kartoffel- leuchter, und schickte ihn überdies noch„in die finstere Nummer". „Det schad't nischt." erklärte Lindenmüller gemütlich,„et is ja doch man allens for de Freiheit." Als ihm aber bald darauf die Sache zu brenzlig wurde, denn man hatte ihn wegen der Beseitigung der Schlotzgitter zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt, da entzog er sich der preußischen Gerechtigkeit durch die Flucht, und wandte sich nach Amerika , wo er in New Dort als Gastwirt seine Tage beschloß. Kunst. A u s st e l l u n g e n. In die entlegenen Gebiete der o r i e n- talischen Buchkunst führt eine Ausstellung im Lichlhofe des K u» st g e lo e r b e in» s e u m>1 Sie vereinigt vier große Berliner Privatsammlungen, die sie auf diese Weise einem größeren Publikum zugänglich macht und damit zugleich Zeugnis ablegt von der immer wachsenden Bedeutung Berlins für das Sammlerwesen. Die Samm- liing Oppenheim, die Sammlung Zander, die Sammlung S a r r e, die Sammlung Schulz, sie geben jede für sich einen ileberblick über ein Sondergebiet islaniischer Buchkunst und ergänzen sich gegenseitig, so daß, da noch das Museum für Völkerkunde, die königliche Bibliothek, das Kaiser-Friedrich-Museum, die Bibliothek und die Sammlung des Kuustgewerbemuseums und die Kunst- Handlung Glcnk die Bestände ergänzen, ein ziemlich vollständiges Bild dieser fernen Kunstübnug gegeben ist. Und diese Kunst ist uns nicht fremd. Diese Handschriften und Einzelblätter, diese Bücher, Zeichnungen, Miniaturen, Buchillustrationen, Ornamente und Bildnisse, diese geschriebenen Seiten und Einbände, letztere mit dem reichen Goldichmuck der Linien zeigen uns jene ganz aus dem schönen Material und feiner Bchandliuig kommende, dekorative Erscheinung, für die wir jetzt mehr als je Sinn haben. Im K u n st g e w e r b e m u s e u m sind dekorative Stickereien, die Arbeiten der Frau Florence Jeisie Hösel ausgestellt. Sie stelle» in ihrem Umfang in ihrer Reichhaltigkeit eine respektable Leistung dar, zumal mau annehmen muß, daß jedes Stück von der Künstlerin eigenhändig ausgeführt ist. Es ist nun reizvoll zu sehen, wie hier eine eigenartige Phantasie wallet. Dieien Materiolschöpfungen haftet etwas ganz Persönliches an. Der Stoff, die schillernden Seidenfäde», gewinnen lebendigen Ausdruck und fließen leise und weich zusanimen zu einer heimlichen Lyrik der Forin. Jesste Hösel kommt von den Japanern her. Sie liebt es, den einfachen Naturansschnitt zu geben, dem sie eine besondere Grazie zu verleihen weiß, eine Feinheit und Leichtigkeit der Erscheinung, wie sie das Material bedingt. Die verborgene Seele dieses Maie- rialS holt sie heraus. Sie stellt eine Birke auf eine Früblingswiese hin und es ist mehr als ein Nachbilden, es ist eine Schönheit, die den Duft der Dinge zu geben weiß. Sie komponiert in ganz freier Weise große Wandbehänge mit schwebenden Blütenblättern, Schmetterlingen und Pfauen und Vögeln, alles schillert und ist doch nicht grell: es ist eine Pbantastik darin, die lebendig alles durch- glüht. Sie stellt in kleinen Vierecken aparte Schöpfungen zulammen in leichter Stilisierung, Vögel auf einfarbigem Grund, Blumen, die sich noch zu ranken scheinen und man denkt an farbeuschöne Kacheln, die die Wand schmücken. Aber sie gibt auch in Aufnäharbeiten kräftigere Stilisierung, bewußte Raumverteilung in ausgesprochen textiler Manier, wobei man in der sparsamen, aber betonten Ver- Wendung der Farbe, dem sicheren Mitspiechen deS Grundstoffs(beides eint sich zu einem geschlossenen Eindruck von dekorativer Wirkung) wohltuend den Einfluß der modernen, dekorativen Schulung spürt. Man mag sagen, daß die moderne, dekorative Anschauung eine energischere Formung verlangt, daß manchmal die Farben zu bunt in ihrer Fülle sind und daß den Schöpfungen im ganzen noch etwas von jenem(wenn auch reifen) Dilettantismus anhaftet, der sich an sich selbst verliert, statt zu einem Stil zu streben. Dennoch sind das schließlich hier nur Nebenmomente, da die persönliche Note so stark ist, daß man die Regel gern vergißt. Naturgcfühl und Technik gehen überraschend zusammen und man spürt in dem Vorwalten eines durch- aus weiblichen Temperaments jenes Zwingende der Erscheinung, das nur den künstlerischen Schöpfungen eigen ist. Im Hause des Hotels Adlon am Pariser Play hat Hermann M it t h e s u S für den Kunsthändler A. de Burlet einen kleinen Verkaufsraum für graphisch« Kunst eingerichtet. Solche Aufgaben bieten dem Raumkünstler von vornherein be- stimmte Anhaltspunkte durch Zweck und Bestimmung, die zu berück- sichtigen sind. Gerade bei solchen verhältnismäßig kleine» Aufgaben zeigt sich die Fähigkeit architektonischer Zweckgestaltung. Muthesins hat dem Raiint eine anßerdenilich vornehme und doch ganz sachliche Haltung zu geben verstanden. Die helle, li Äte Farbe des Holzes, das die Wände verkleidet, die in weißen Feldern kaffettierte Decke, dl« durch spiralenartige Ornamente in hellem Rot eine festlichere Farbigkeil erhalten, dem ein unifarbener Teppich in dezenter Tönung entspricht, das alles eint sich zu einem ebenso behaglichen, wie eigenartigen Raumeindruck und schafft so der Graphik alter und neuer Zeit ein Milieu, das ebenio einem geschmackvollen Verkaufs« räum, wie dem Salon eines für seine Objekte begeisterten Sammler? entspricht. Im Kleinen ist dies eine Leistung voll Geschmack und Sachlich« keit, einheitlich im Ganzen und belebt in den Teilen, persönlich und doch ohne jede Erlravaganz, die bei diesen Aufgaben von Uebel wäre. Etwas Zärtliches, Anheimelnd-Feines. eine Rote diffe- renzierter Kultur, die dem Sachlichkeitsstil Schönheit und Wärme gibt, ist diesem Raum, der von den Schatzkästlern feine Selten« Heiken birgt, eigen. Die starkfarbigen, dekorativen Bezüge der Sessel betonen dieses Hinstreben zum Schmuckvollen, zur Augen« freude noch besonders. E. E. W. Geographisches. Die neue Polarreise der„Fram" und der Erdmagnetismus. In diesem Sommer wird bekanntlich das be« rühmte Nansensche Polarschiff, die„Fram". wieder Norwegen ver« lasien, um einen neuen Vorstoß ins Nordpolgebiet zu machen. Der Leiter dieser Expedition, Kapitän Roal Bmundsen, der seinen Namen durch die Erschließung der nordwestlichen Durchfahrt und durch den Besuch des magnetischen Nordpols der Erde unauslöschlich in die Geschichtsbücher der Erdkunde eingeschrieben hat, wird auch auf der neuen Reise neben hydrographischen und klimatischen Verbältnissen hauptsächlich erdmagnetische Fragen studieren. Zu diesem Zweck hat er den sehr verständigen Weg beschritten, sich mit dem Carnegie« Institut in Verbindung zu setzen, weil dies gegenwärtig einen be- sonderen Ausschuß für Erdmagnetismus besitzt und durch ihn erd« magnetische Studien eingeleitet bat, wie sie in ähnlichem Umfange niemals zuvor ausgeführt worden sind. Amundsen erhält die wert« volle Unterstützung des Carnegie-Jnstituts und wirkt dafür zur Vervollständigung des Planes einer umfassenden magnetischen Er« forschung der Erde mit. Die„Fram" wird sich infolgedesieu um die Südspitze von Amerika herum nach San Francisco begeben und unterwegs namentlich in den südlichen Teilen des Antlantischen und Stillen Ozeans magnetische Beobachtungen ausführen. Die Ankunst in San Francisco ist demgemäß erst auf den Sommer des nächsten Jahres ins Auge gefaßt worden. Dort wird die volle Ausrüstung für die Polarreise aufgenommen, und dann erfolgt die Abfahrt nach dem eigentlichen Ziel, und zwar durch das Beringmeer in das Polarmeer, wo man das Schiff der EiStrift überlassen wird, wie eS bekanntlich auch Nansen aus der ersten Reise der„Fram" getan hatte, aber an einer ganz anderen Stelle des Eismeers. Es wird erwartet, daß vielleicht vier Jahre vergeben können, ehe die„Fram" aus der Welt des ewigen EiseS wieder auf« taucht. Nach den Berechnungen von Amundsen müßte sie entweder über den Nordpol selbst oder doch in dessen unmittelbarer Nähe vorüber treiben. Geologisches. Die schwankende Erde. Mit dem„Fest wie ver Erde Grund" darf der Mensch es auch nicht allzu genau nehmen. Ganz abgesehen von den plötzlich eintretenden' und mehr oder weniger ver- hccrend wirkenden Erdbeben befindet sich die Erdkruste wahrscheinlich überall in Bewegung, ohne daß ihre Bewohner etwas davon merken. Erst die plaiimäßigcn und feinen Messungen der neuesten Wissenschaft haben zu diesem Verdacht und dann zu seiner Bestätigung geführt. Der Nackweis ist freilich überaus schwierig. Am ehesten läßt er sich noch von der Beobachtung des Wasserstandes an großen Binnenseen er« warten, und solche find in der Tat seit längerer Zeit in zwei weit von einander entfernten Erdgebieten ausgeführt worden, nämlich in Nordamerika und in Jnnerafrika. In Afrika handelt es sich, wie es sich fast von selbst versteht, um den großen Viktoriasee, an dessen Ufern englischer und deutscher Besitz ungefähr gleichen Anteil haben. Auf der englischen Seite sind seit einer Reihe von Jahren Wasser« standsmessungen ausgeführt und jetzt von Kapitän Lyons in seinem großen Werk über das Nilbecken veröffentlicht worden. Die Messungen geschahen ständig an drei Stellen des nördlichen und nordöstlichen Ufers und haben merkwürdige Schwankungen des BodenS erwiesen. Bei Eutebbe z. B., der Hauptstadt von Uganda , zeigte die Küste in den Jahren 1898 und 1899 ein deutliches Sinken, dann einige Monate lang eine schwache Hebung, dann ein erneutes Sinken. Diese Bewegungen der Küste schienen einen ziemlich beschränkten Umfang zu haben und in das Land meiter östlich nicht einzudringen. Aehn- liche Schwankungen waren au den anderen Stellen des Gestades zu beobachten. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß große Massen der Erdkruste in einer Länge von vielen Kilometern sich langsam auf« und abbewegen, was durch das Vorhandensein großer Bruchlinien, die den See durchschneiden, befördert wird. Auck an den großen nordamerikanischen Seen sind ähnliche Wahrnehmungen gemacht worden, aber die Erdbewegungen in Afrika scheinen schneller vor sich zu gehen und sind auch durch den Wechsel des Auf und Ab be« sonders auffallend. Lerantw. Redakt.: CarIWermulh. Berlin -Rixdorf.— Druck u. Verlag: Vorw-r-s Buchdrucker-, u.VerlagsaniialtPaulSuiger s-Co..Berlin 8 W.
Ausgabe
27 (15.3.1910) 52
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