schnallte hielt eS für eine Auszeichnung, die i h r e r Dame zuteil wurde. Unter dem Beistand der Infanterie rannten sie hinter ihr her über das blanke Eis. ohne Hindernis und ohne Auf- halten. die Schweden   mit! Es gehörte nicht viel Phantasie dazu, um sie an der Töte von Ausrückenden zu erblicken; um die Pferde, die Kanonen, die Pulverwagen unter Hufschlag und Hengstgewieher auf der spiegelglatten Fläche hinter ihr her schllingern zu sehen- Wäre es nur diese eine Seite von ihr gewesen, alle ihre Schönheit, wie außerordentlich sie war. hätte doch nicht auszurichten vermocht, was wir jetzt sehen! Nein, es war mehr dabei. Sie ließ sich nicht fangen, fassen, aufhalten; sie war, als hätte man brennendes Feuer in den Händen;sie war weder für Männer noch für Frauen," sagten einige, und das spornte sie an. In der Nähe englitt sie; aus der Ferne war sie ein Meteor. Besitzt die Erinnerung Glanz, so wird er verstärkt durch andrer Widerschein. Tiefer Eindruck wurde durch einzelne Worte verstärkt. Sie hatte nämlich solche, diegingen". Als der König ihr die Schlittschuhe anschnallte, sagte er galant:Fräulein, Sie haben den charmantesten kleinen Fuß."Ja. von heute an," entgegnete sie. Ein jovialer Artillericoberst hatte ein Vermögen für Kameraden, Weiber und sich selbst verschwendet.Ich lege Ihnen niein Herz zu Füßen," sagte er.O Gott, was bleibt Ihnen dann noch zu vergeben?" lachte sie und reichte ihm die Hand zur Polonaise. Sie inklinierte für einen jungen Leutnant, der Purpur- rot wurde.Sie gehören zu denen, für die iimh sterben könnte," flüsterte er. Freimdlich nahm sie seinen Arm:Ja, für mich zu leben, würde uns gewiß langweilig werden." Zum festangestellten Poeten der Kavallerie, einem kecken Nittmeister. ging sie. um mit ihm Vielliebchen zu essen. Mögen Sie?" fragte sie.Eins möchten wir Ihnen gegen­über alle," entgegnete er,aber wir kommen nie dazu, es Ihnen zu sagen. Was mag der Grund dafür sein?" Mir was zu sagen?" fragte sie.Ich liebe Sie!" Ah! man weiß ja, daß ich lachen würde," lachte sie und bot ihm die halbe Mandel, die er verzehrte, und dabei waren sie die besten Freunde. Aber eine andre Reihe von Aeußernngen flößte noch stärkern Respekt ein. Vor dem Kamin wurde von einer ge- wissen Pforte erzählt, diedie Pforte der Wahrheit" genannt wurde; alle, die hindurchgingen, mußten sagen, was sie dachten. Da rief sie aus:O Gott, dann erfahre ich, was ich selbst denke!" Einer von den Anwesenden sagte, genau diese Worte habe der dänische Bischof Monrad*) gebraucht, als von der Pforte gehört hatte.Und ihn nannte man eine Sphinx," fügte der Mann hinzu. Sie saß noch eine Weile, wurde bleicher und bleicher und erhob sich. Kurz darauf fand man sie in einem Nebenzimmer, weinend. Bei einer Mittagsgescllschaft sagte ein gelehrter Mann: Derjenige, der zu etwas Großem bestimmt ist, weiß es von Jugend auf.~Ja, daß er zu etwas bestimmt ist, aber nicht zil was!" erwiderte sie schnell. Aber hierüber schämte sie sich. Sie wollte es wieder gut machen und sagte:Einige wissen es, andere nicht." Schämte sich dann noch inehr, und die Ver- legenheit verlieh ihr einen unwiderstehlichen Reiz. Menschen lieben es, starkes Sehnen zu spüren, das sich nicht verraten will. In einem vertraulichen Kreise wurde eines Abends von einer jungen Witwe gesprochen.Sie erneuert sich in einer neuen Liebe," sagte jemand.Nein, eher in einer Tat, einer aufopfernden Tat," sagte ein andrer, der behauptete, er kenne sie besser.Mir ist eS gleich, was davon wird, wenn sie sich nur irgendeiner Sache hingibt," sagte der Erste.In der Hingabe liegt die Rettung, nennt es Erneuerung, oder was Ihr wollt." Dies hat sie mit angehört. Anfangs war sie gleich- gültig, wurde jedoch angeregt und zuletzt gespannt. Dann rief sie ans:Nein, gerade sich nicht hinzugeben gilt es!" Keiner antwortete. Man empfand es so seltsam. War etwas geschehen, oder war es eine Vorahnung? Oder dachte sie au etwas Besonderes, um das niemand hier wußte? Oder an etwas Großes, um deswillen es wert war zu warten? Das, was man sich nicht erklärt, nimmt die Gcniüter *1 Bischof Monrad, dänischer Bischof und Minister. gefangen. Die besser Gesitteten, die feinem Naturen unter den Rittern empfanden Respekt. Von ihnen aus verpflanzte es sich weiter. Zwischen undisziplinierten Willen verpflanzt sich nichts schneller, als Respekt oft der verständnis­loseste. lFortsehung folgt. x Mrionetten. Wer entsinnt sich nicht aus seiner Kinderzeit jener glücklichen Momente, wo er mit glühenden Augen bor dem Kasperle-Thcater saß und dankbar alles belachte, was der lustige Kerl da oben, der so keck auf der Brüstung saß, so fidel in die Welt kuckle und so schlag- fertig mit seinem Knüttel dreinhieb, zum Besten gab. Hier hat das Kind eine eigene Welt für sich. Wenn eS auch später in das große Theater kommt, wo alles noch viel glänzender, größer und schöner ist wohl jeder weiß noch, wann und wie dies war, als er zum ersten Male ins Theater geführt wurde lind die Eltern sollten um dieses bleibenden Eindrucks willen etwas wählerisch und kritisch mit dem sein, was sie für das Kind aussuchen es vergißt nicht die Bretterbude, aus der Kasperle hervorsprang, die Holzbänke, auf denen es saß, und die Witze, die es da zu hören bekam. Das Kind hat neben all dem Lustigen dabei den eigentümlichen Neiz, daß es Wesen vor sich sieht, denen gegenüber eS sich groß und erwachsen borkommt und die zugleich so handeln, wie sie selbst es instinktiv möchten: unberechenbar, lustig, mit kleinen Prügeleien, ohne Lehrhaftigkeit und Regel geht das alles zu. Die Drastik triumphiert und die Wirkung, nicht die Wirklichkeit entscheidet. Wenn das Kind in das große Theater geführt wird, staunt es; es fühlt sich hier doppelt als Zwerg. In diesen Extremcn erlebt es Gullivers Welt der Zwerge und Riese» in anschaulicher Sinnfülligkeit und fühlt sich selbst als Mittelpunkt der Erlebnisse. In der Tat hat sich hier etwas Volkstümliches durch die Fahr- hunderte erhalten und wir sollten nicht so leichtfertig darüber hin- wegsehen. Ursprünglich waren die Vorstellungen auch für die Er- wachsenen in diesem derben Stil gehalren, und das ganze Volk er- götzte sich daran. So daß wir es nicht abweisen können, daß hier ein dekorativer Stil des Bühnenmäßigen, Theatralische» vorliegt, der nur noch in Ueberbleibseln vorhanden ist, und im Kasperletheater der Kinder ein verkümmertes Dasein fristet. Die gänzliche Abwesenheit alles Pedantischen, die Freude an drastischem Witz, die unverhohlene Verleugnung alleS die Wirklichkeit Nachahmenden, die Charakteristik der Maske und deZ Sprechens, die eindrucksvolle Wirkung der Gesten all das ist Thealralik im stärksten Maße. Wir aber haben uns diese Wirkungen entgehen lassen, sind lehrhaft und pedantisch geworden und leiden eS nicht, wenn nicht alleS stimmt und Hand und Fuß hat. Wir sehen weder Niesen noch Zwerge mehr auf de» Bühnen; diese Welt ist tot. Wir scheu nur noch Herrn Hinz oder Kunz, den wir kennen, auf dem Theater. Weder der hohe Kothurn der antiken Bühne, noch das kleine Kasperle der altdeutschen Bühne begrüßen uns; wir sehen nur uns selbst wieder. Und doch liegt gerade hier ein neuer Strl verborgen. Und doch so ganz ausgestorben ist Kasperle nicht. Seit einiger Zeit interessieren uns die Versuche, das alte Marionettentheater, das in München   und Köln   noch lebendige Tradition besitzt, neu zu beleben. In Berlin   gastiert augenblicklich Paul Braun mit seiner kleinen Truppe bei Keller u. Reiner, die schon vor zwei Jahren auf der Ausstellung München   1308 die Be- suchcr entzückte. Moderne Maler mallen dekorativ die Kulissen, Bildhauer schnitzten die Figuren und entWarfe)' die kleinen Möbel, so daß es kleine Welt für sich ist. Es sei hier auch an die Versuche des Münchener   Bildhauers Waldemar Hecker   erinnert, der es im Anschluß an seine Tätig- kcit bei den Münchener   Scharfrichtern im Vorjahre unternahm, das Puppenspiel neu zu beleben. Er zeigte in einem Kabarett seine Künste. Er ließ ein Märchen von Grimm aufführen:Von einem. der auszog, das Gruseln zu lernen". Er erreichte darin eine äußerst intime Stimmung. Man sah wie in eine kleine, besondere Welt hinein. Die Beweglichkeit, die AuSdruckSiähigkeit war dank der ge- nauen Handhabung und geschicklen Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Bewcgungsmotive äußerst suggestiv. Einen neuen Weg schlug Hcckcr ein bei der politischen Revue, auf die er daS Puppenspiel ausdehnte. Hier waren die Puppen größer, die Köpfe abnorm umfangreich, um eine schlagendere Charakteristik zu erzielen. Das Groteske des Anblicks deutet sofort die Welt des Witzblattes und der Satire an. Das Prinzip der sinnfälligsten Deutlichkeit wird, um die Maske sofort �und weithin erkenntlich zu machen, bewußt innegehalten und führt zn einer eigenen Form. Durch die selbtsame, übertriebene Disharmonie des Gestaltlichen kommt etwa? Burleskes heraus, das durch die Starrheit der Mienen im Gegensatz zu der Beweglichkeit der Beine und Hände erhöht wird. Auch war die Kleidring individuell aufs feinste be- handelt und jede Figur belvegte sich gleichsam anders, dem Charakter entsprechend. Literarischer kam dann, nicht lange darauf, A. N. Meyer, der ein Puppenspiel, au? dem Englischen übersetzt, von deni Romantiker Achim v. Arnim in der Sezession zur Ausführung brachte:..Der Herr Hahnrei und die Marie vom langen Marlte." Die Mittel waren hier einfacher. Man ging auf de» Stil des Kasperletheaters