um feinen Platz im Zuhörerraum noch vor Auftreten der Cuadrilla zu besetzen. Die Volksmenge war verschwunden. Im Hofe sah man nur noch in goldglitzernden, gestickten Kleidern steckende Stein- ner, gelbkostümierte Picadores auf ihren dürren Kleppern, berittene Alguaciles und die Bediensteten in roten und blauen Kitteln. Vor dem sogenannten Pferdetor hatten die Toreros mit der Schnelligkeit, die die Uebung verleiht. Stellung genom- men. Voran standen die Matadore, dann kamen die Bande- rilleros in weiten Abständen und den Nachtrab bildeten die in Eisen gepanzerten Picadore, die nach Pferdemist und er- hitztem Lcder dursteten, und deren Reittiere ein Auge der- banden hatten. Zu guter letzt, ganz im Hintergrund, standen die Maultierdreigespanne, die zum Hinausschleppen der ge- fallenen Stiere und Pferde dienen: es waren sehnige, starke, qntgepflegte Tiere, die mit schellenbehangenem, betroddeltem Geschirr ausgerüstet waren, sie trugen kleine Flaggen mit den Nationalfarben über den Kummeten. Gallardo trat in die Reihe zwischen die beiden andern Espadas und tauschte mit ihnen einen stummen, leichten Grutz. Keiner von ihnen sprach ein Wort, keiner lächelte. Jeder dachte bloß an sich und lieb seine Gedanken in die Ferne schweifen, oder dachte an nichts, hingegeben jenem Stumpfsinn, den die Angst hervorzubringen pflegt. � Ihre innere Erregung suchten sie zu verhehlen, indem sie immer wieder den über eine Schulter geschlagenen Mantel ordneten, dessen lose Enden sie sich um den Leib wickelten. Alle zeigten bleiche, schweibtriefende Gesichter. Sie dachten an die Arena, die sich noch ihren Blicken entzog, und fühlten sich gepackt von jener unwiderstehlichen Furcht vor den Tingen, die jenseits einer Mauer vor sich gehen, vor dem, was man nicht sieht, vor der unbestimmten Gefahr, die sich ankündigt, ohne greif- bar in die Erscheinung zu treten. Wie würde die Vorstellung ablaufen? Hinter den Cuadrillas ertönte der Hufschlag zweier Pferde, die aus dem äubercn Bogengang des Zirkus herge- trabt kamen. Aus ihnen saben die Alguaciles, in schwarze kurze Mäntel mit Stehkragen gekleidet, von ihren Hüten wallten rote und gelbe Federn. Sie hatten soeben die Arena von Neugierigen geräumt und kamen, sich als Vorreiter an die Spitze der Cuadrillas zu stellen. Die Torflügel des Vogens öffneten sich. Nun wurde der weite Ring sichtbar, die eigentliche Arena, der kreisförmige Kampfplatz, auf dem das Drama des Nachmittags sich ab- wickeln sollte zur Kurzweil und Aufregung von vierzehn- tausend Menschen. Die vagen, summenden Akkorde schwollen immer deutlicher an zu einer fröhlich und gaukelnden Musik, in welcher die dröhnenden Blechinstrumente Klangwcllen warfen: Wie zu einem triumphierenden Marsch tönten sie zusarn- men. bei dem unwillkürlich die Arme sich kriegerisch im Takt bewegten und die Hüften sich wiegten, vorwärts mit der Cuadrilla l lFortsctzuug folgt.)! (NnSdruck verbolen.) i] Menn die JNatur ruft. Von Jack London . Autorisierte llebersetzung von L. L ö n s. I. In die Wildnis. Buck gehörte nicht zu denen, die täglich ihre Zeitung lesen, sonst hätte er gewußt, daß Unheil im Gange war, nicht nur für ihn selbst, sondern für jeden Hund, der starke Knochen und langes dichtes Haar hatte. Da oben im hohen Norden hatten die Men- schen ein gelbes Metall gefunden und seitden« die Schiffs- und Eisenbahngesellschaften sich abmühten, auch in diese rauhe Gegend Verkehr zu bringen, zog es Taufende von Menschen mit wilder Ge- walt dorthin. Und diese Menschen brauchten für ihre Arbeit Hunde mit starken Knochen und dichtem Haar. Denn da oben war es bitter kalt. Ein großes Haus im sonnenhellen Tale von Santa Elara war BnckS Heimat. Etwas abseits von der Landstraße lag es, halb versteckt hinter mächtigen Bäuiyen, die die luftige Veranda beschatteten, die rings um das stattliche Gebäude lief. Ein breiter Kiesweg, von hohen Pappeln umsäumt, führt« durch grüne Rasen- flächen grade darauf zu. Und hinter dem Hause lagen die großen Stallungen, die grünumrankten Wohnungen der Dienerschaft, Treibhäuser, die langen Wcinlaubengänae, Obstgärten und daran anschließend unendliche Weidestrcckcn. Da war auch der große Brunnen und der Teich, in dem die Söhne des Pflanzers ihr Morgenbad nahmen und auch an heißen Nachmittagen Kühlung suchten. Heber diesem großen Reiche herrschte Buck. Hier war er geboren und hier hatte er die vier Jahre seines Lebens verbracht. Natürlich gab es noch mehr Hunde auf Millers Farm, wie das für solch großen Besitz notwendig ist, aber die zählten eigentlich nicht mit. Sie kamen und gingen, trieben sich hier und da herum, wohnten in Ställen oder auch im Hause, wie Tutt, der dicke Mops und Bella, der weiße Zwergpinscher. Millers hatten auch noch Terrier, eine ganz freche Bande, die gemeine Schimpfwörter brauchten, wenn Tutt und Bella an den Fenstern saßen. So schlecht betrugen sie sich, daß oft die Dienstmädchen heraus kommen mußten, um mit dem Besenstiele Ruhe zu stiften. Zu dieser Gesellschaft rechnete Buck sich durchaus nicht; er war weder Stuben- noch Hofhund. Sein war das ganze Reich und alles war ihm Untertan. Er schwamm, wenn es ihm beliebte, mit des Pflanzers Söhnen in den klaren Fluten des Deiches, ging zur Jagd mit ihnen oder begleitete Mollie und Alice, die beiden Töchter, durch Wald und Feld. An den langen Winterabenden lag er vor dem lodernden Kaminfcucr zu Füßen seines Herrn, ließ dessen Enkel auf seinem breiten Rücken reiten, rollte sich mit ihnen auf dem weichen Rasen oder behütete ihre kurzen Schritte auf den Entdeckungsreisen durch den Stall, den Park und den Obstgarten. Mit der Miene eine Königs schritt er durch die Rotte der anderen Hunde; Tutt und Bella beachtete er überhaupt nicht, er, der Herr« scher über alles. Sein Vater EImo, ein riesenhafter Bernhardiner, war schon der unzertrennliche Jugendfreund des Pflanzers gewesen und Buck war nun in seine Stelle aufgerückt. So groß t�ie sein Vater war er allerdings nicht, denn seine Mutter Flocke war eine schottische Schäferhündin. Aber zu seinen hundertzwanzig Pfund Gewicht hatte er auch ein gutes Teil würdevollen Benehmens in die Wage- schale zu legen und wenn er erhobenen Hauptes auf den weißen Kieswegen dahinschritt, war jeder Zoll an ihm adelig. Und wie ein Edelmann hatte er auch die vier Jahre seiner Jugend verlebt; sogar ein wenig Eigenliebe, wenn nicht gar Hoch- mut haftete ihm an, wie das die Stellung eines begüterten. Land- edclmannes so leicht mit sich bringt. Daß er trotz des Lebens im Uebcrfluß kein verweichlichter Haushund wurde, dafür sorgte die Jagd und andere Leibesübung, die ihm auch zu seinem kräftigen Körper und den starken Muskeln verholfen hatte. So stand es mit Buck im Jahre 1897, als die großen Funde in Klondike die Menschen aus allen Gegenden der Welt nordwärts riefen. Aber Buck las, wie gesagt, keine Zeitungen und wußte von alledem nichts. Er wußte auch nicht, daß Manuel, der Gärtner- gehilfe, eine wenig wünschenswerte Bekanntschaft für ihn war. Eine böse Leidenschaft hatte dieser Manuel: er spielte nämlich. Und zum Spiel gehört Geld, viel Geld sogar manchmal, so daß der Lohn eines Gärtnergehilfen dafür nicht ausreicht. An dem Abend, der für Buck verhängnisvoll werden sollte, war sein Herr zu einer Winzer-Versammlung gegangen und die Knaben berieten eifrig die Gründung eines Turnvereins. Niemand hörte es, als Manuel Buck zu sich rief, und niemand sah es, als er durch die Felder mit ihm davonging, um einen kurzen Abendspaziergang mit ihm zu machen. Daß wenigstens dachte sich Buck. Niemand sah es auch, daß aus dem Schatten des kleinen Bahnhofsgebäudes ein Mann heraustrat und einige Worte mit Manuel Ivcchselte und niemand hörte es, daß gleich darauf Geld in seiner Hand klapperte. „Du kannst die Ware aber wohl verpacken, ehe Du sie ablieferst." meinte der Mann brummig und Manuel nickte. Er zog einen dicken Strick aus der Tasche und legte ihn als Schlinge um den Hals des Hundes. x „Brauchst nur ein bißchen anzuziehen, dann wird ihm die Puste schon ausgehen," riet Manuel und lachte. Mit ruhiger Würde hatte Buck bisher alles über sich ergehen lassen. Angenehm war es ihm ja grade nicht, daß man einen Strick um seinen Hals legte, aber er wußte das aus Erfahrung, daß alles, was die Menschen tun, einen Zweck hat, wenn er ihm auch nicht immer gleich klar war. Als aber Manuel die Enden des Strickes in die Hand des Fremden legte, glaubte er doch, seinem Unmut Ausdruck geben zu müssen und knurrte. Er hatte lediglich damit andeuten wollen, daß er eigentlich mit fremden Leuten nichts zu tun haben wünschte, aber zu seiner Ucberraschung fühlte er nun einen Druck am Halse, der ihm fast den Atem nahm. Mit einem Wutlaut stürzte er sich auf den Fremden, aber ein Ruck an der Leine ließ seine Zähne scharf über die Zunge zusammenschlagen und ein weiterer Ruck warf ihn zu Boden. Er zog und zerrte vergebens; inimer fester legte sich die Schlinge um seinen Hals. Nie in seinem Leben war er so behandelt ivorden, nie in seinem Leben hatte er solch eine Wut in sich gefühlt. Vor seinen Augen begann alles zu tanzen, vor seinen Ohren brauste es und seine Sinne schwanden. Er merkte es nicht, daß etwas Dunkles über ihn geworfen wurde und man ihn in den Gepäckwagen des Zuges schob. Das erste, was ihm zum Bewußtsein kam, war ein Gefühl des Schmerzes an seiner Zunge und ein Rütteln, das ihm durch den Körper ging. Der schrille Pfiff einer Lokomotive aber belehrte ihn bald darüber, wo er sich befand, denn er war oft genug mit seinem Herrn gereist und kannte das Eisenbahnfahren. Langsam öffnete er die Augen und mit dem Blicke eines gefangenen Königs- sohnes sah er um sich. In diesem Augenblicke griff der Mann, der neben ihm stand, nach den Enden des Strickes, aber nicht schnell
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27 (8.4.1910) 68
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