«unkt des Rings, die Banderillas in der Hand, ruhig, ohne jede Aufregung, langsamen Schritts, als ob es sich um ein harmloses Spiel handelte. Der Stier verfolgte ihn mit neugierigen Blicken, gleichsam verblüfft, sich nur einem ein» zigen Manne gegenüber zu sehen, nach dem soeben bestandenen wüsten Kampf, während dessen Mäntel geworfen, spitze Lanzen in seinen Nacken gebohrt, und ihm ein Pferd nach dem andern zum Niederstoßen ausgeliefert wurde. Ter Mann hypnotisierte die Bestie. Er näherte sich ihr, bis er mit der Spitze der Banderillas ihren Nacken berührte und lief dann in kurzen Schritten rückwärts, wobei chm der Stier wie gebannt nachlief bis ans andere Ende der Arena. Das Tier schien von ihm abgerichtet zu sein, folgte allen seinen Bewegungen, bis dieser dem Spiel ein Ende mochte, die Arme ausbreitete, mit einer Banderilla(kurzer Spieß mit Eisenspitze und einem sfähnlein» in jeder Hand, seinen schlanken, schmächtigen Körper auf die Fußspitzen hob, auf die Bestie nüt majestätischer Ruhe zuging und die bunten Stäbe in den Hals des überraschten Tieres heftete. Dreimal hintereinander führte er das Kunststück aus unter dem lärmenden Beifall der Menge. Diejenigen, die sich für Sachverständige hielten, rächten sich jetzt für die durch Gallordo hervorgebrachte Begeisterung. Das hieß ein Stier- fechter sein! Das war echte Kunst! Gallardo stand an der Barriere und wischte sich den Schweiß vom Gesicht ab mit einem von Garabato gereichten Handtuch. Hierauf trank er ein Glas Wasser, indem er dem Ring den Rücken zukehrte, um die Leistungen seines Kollegen nicht mitansehen zu müssen. Außerhalb der Arena schätzte er seine Nebenbuhler hoch, aber sobald er sie betrat, sah er in allen nur Feinde, und ihre Erfolge schmerzten ihn wie Beleidigungen. (Fortsetzung folgt.) (NaSdruck verboten.) � Glenn die JVatur ruft» Von Jack London . Autorisierte Uebersctzung von L. L ö n S. II. Das Recht des Stärkeren. Der erste Tag am Golf von Dyea erschien Buck wie ein böser Traum. Jede Stunde brachte neue Schrecken. Mitten auö dem Herzen der Zivilisation hatte man ihn herauSgeriffen und hinein» geschleudert in die Wildnis. Es war vorbei mit seinem Leben in Sonnenschein und Ucppigkeit; hier gab es nicht Ruhe noch Rast, ja nicht einmal«inen Augenblick persönlicbcr Sicherheit. Jetzt galt es, auf der Hut zu sein bei Tag und Nacht, denn nicht Gesetz und Sitte, sondern nur der Reißzahn herrschte hier. Solche Hunde hatte er noch nie gesehen, wie sie hier in Scharen umherliefen. Er begriff es kaum, daß es Hunde waren und nicht wilde Tiere. Nie hätte er einen Kauipf für möglich gehalten wie er ihn hier sah. Unvergeßlich blieb ihm der Tag, als er zum ersten Male Zeuge eines solchen Kampfes war; Zottel toav es. der ihm zum Opfer fiel. Sie lagen alle zusammen an? Außcnrairdc deS Lagers im Schutze der großen Holzhaufen, als Zottel in feiner freundlichen Art an einem der fremden Hunde heruinschnuppert«. Ganz plötzlich, ohne warnendes Knurren, wie es sonst doch udlich war. sprang oer Köter auf und ein Biß der großen Zähne hatte Zottel ein« Wunde gerissen vom Auge bis zum Kiefer. So war eS WolfSart und wie unter den Wölfen war auch hier der weitere Verlauf des Streites. Von allen Seiten kamen sie zusammengelaufen, die rauhaarigen Köter; wohl vierzig an der Zahl, stellten sie sich im Kreise um die Kämpfer auf, lautlos, aber mit brennender Gier in den flackernden Augen. Nur ab und zu konnte mau ein Schmatzen hören, wenn einer von ihnen gar zu eifrig mit der langen Zunge um das Maul leckte. Buck begrift nicht, was dies zu bedeuten hatte. Zottel war in Heller Wut auf seinen Gegner losgesprungcn, der mit geschickter Wendung auswich, gleichzeitig aber um sich biß und Zottel noch einen Ecbmiß beibrachte. Wieder sprang Zottel auf ihn zu, aber in so mcriwürdiger Weise verstand eS der Hund sich zu decken und ihm einen Stoß zu versetzen, daß er das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte. Er stand nicht wieder auf. AIS ob sie nur auf diesen Augenblick fe wartet hätten, so stürzten sich blitzschr.ell die anderen Köter mit urchtbarem Geheul darüber her und begruben den sich heftig Strälibenden unter sich. So schnell war alles gekommen, daß Buck wie versteinert da- stand. Er sah nur. daß ein teuflischer Zug von Schadenfreude über das Gesicht von Spitz ging, er sah Fran?oiS, der zu einem Beil iff und sich zwischen die heulende Rotte stürzte, und drei andere änner mit Stöcken, die ihm folgten. Es dauerte nicht lange, bis die Hunde auseinander getrieben waren, höchsten? zwei Minuten, aber schon lag er da, schlaff und leblos,«ine blutige Mas'e auf d»-> weißen zertrampelten Schnee. Förmlich ia Stücke gerissm hatten sie ihn. Diesen Anblick vergaß Buck nie wieder; selbst im Traume er» schien ihm das grausige Bild. So also ging es hier zu; ehrliches Spiel gab es nicht. Wer einmal von den Füßen kam. der stand nickn wieder auf. Er muhte zusehen, daß ihm das nicht einmal passierte. Noch immer stand Spitz abseits, und die Schadenfreude leuchtete aus feinen Augen. In diesem Augenblicke zog der Haß in Bucks Herzen ein; Spitz hatte sich einen Todfeind erworben. Und ehe Buck sich von diesem Schrecken erholt hatte, traf ihn ein neuer. Franeois kam mit Riemen und Seilen, so wie dce Pferde sie trugen. Und so wie diese, schirrte man auch ihn an und spannte ihn mit anderen Hunden vor einen Schlitten. So war aus ihm ajso ein Arbeitstier geworden, das Holz vom Walde holen mußte. Es kränkte ihn im tiefsten Herzen, aber die Klugheit sagte ihm, daß cs nickts nützen würde, sich dagegen aufzulehnen, denn Frantzois war ein strenger Herr, der unbedingten Gehorsam verlangte. So tat er denn die neue, ungewohnte Arbeit nach besten Kräften. Dasch» der hinter ihm ging, rügte jeden Fehler durch einen Kniff seiner scharfen Zähne, während Spitz, der als Leithund vorn an der Spitze ging, sich damit begnügen mußte, bei jeder Störung ein drohendes Knurren auszustoßen. Buck lernt« leicht, und ehe seine erste Fahrt beendet war, hatte er begriffen, daß man bei„Bcr!" zu halten hatte und anziehen müsse, sobald Franeois.höhl rief, und daß man. wenn es bergab ging, sich wohl hüten mußte, zu nahe an die schweren Schlitten» iusen zu kommen. »Drei gute Hünd." erzählte Francis nachher den andere». ,,ff«r gute Hünd. Das Buck. das zieht wie Teifel.* Am Nachmittag kam Perrault , der es eilig mit der Abreise hatte, mit noch zwei Hunden. Bill und Jeß hießen sie und waren Brüder, zwei echte Eskimobund«. Obwohl sie beide von derselben Mutter stammten, waren sie so verschieden, wie Tag und Nacht. Bills größter Fehler war seine Gutmütigkeit, während Jeß gerade das Gegenteil von ihm war, unfreundlich und verschlossen, mit einem höhnischen Zug um den Mund und boshaften Augen. Buck begrüßte sie freundlich als neue Kameraden. Dasch beachtete sie gar nicht, während Spitz sich bemühte, durch einen gehörigen Biß erst dem einen und dann dem anderen die nötige Achtung beizubringen. Bill war versöhnlich mit dem langen Schwänze wedelnd herange- kommen. Er iah aber bald, daß mit Friedfertigkeit nichts auSzu- richten war, und als das scharfe Gebiß von Spitz in seine Schenkel schlug, schrie er nur laut auf und lief davon. Bei Ich war nicht so leicbte Arbeit zu machen. Wie sehr sich Spitz auch bemühte. hinterrücks an ihn heranzukommen, stets fand er ihn kampfbereit mit gesträubtem Haar, zurückgelegten Ohren, teuflisch leuchtenden Augen und hecbelnd vor Erregung. So gefährlich sah er aus. daß Spitz es aufgab, ihm den beabsichtigten Willkomm zu geben. Um seinem Aerger Luft zu machen, trieb er dann den unschuldigen. kläglich heulenden Billy bis an die Grenzen des Lagers vor sich her. Gegen Abend brachte Perrault noch«inen Hund heran, einen alten, mageren, ruppig aussehenden, mit Narben bedeckten, ein» äugigen Gesellen. Sollet hieß er. was in der Landessprache so diel wie Brummkopf bedeutete. Und brummig war er auch. Ebenso wie Dasch oerlangte er. daß man ihn in Ruhe lasse, und als er langsam und bedächtig in ihrer Mitte sich niederlegte, wagte selbst Spitz sich nicht an ihn heran. Eine Eigentümlichkeit hatte er an sich, und Buck hatte das Pech, damit zuerst Bekanntschaft zu machen. Er tonnte cs nicht leiden, wenn jemand an seiner blinden Seite auf ibn zukam; diese Beleidigung hatte sich Buck unwissentlich zu- schulden kommen lassen. Ein scharfer Biß und eine Wunde an der Schulter, die bis auf den Knocken ging, erinnerte Buck noch lange daran, und er sowohl wie die anderen sahen sich in Zukunft besser vor. Sonst aber war er ein guter Kamerad. Sein einziger Wunsch war, wie bei Dasch, er wollte seine Ruhe haben. Später allerdings erfuhren die Hunde, daß cs auch etwas anderes, nicht minder WünichenswerteS für die beiden gab. In dieser Nacht litt Buck zum ersten Male an Schlaflosigkeit. Das Zelt, von einem Feuer matt erleuchtet, lag friedlich und einladend mitten in der weißen Ebene; als aber Buck, wie er das für selbstverständlich hielt, sick dort zur Nachtruhe gemütlich niederlasser» wollte, wurde er von Perrault und Franeois mit Flüchen und Schimpfmorten hinausgetrieben. Ein scharfer Wind blies vom Wasser herüber, die Kälte brannte in der frischen Wunde; er wußte nicht, wo er bleiben sollte. Still legte er sich in den Schnee und versucht« zu schlafen, aber die Kälte war zu groß. Zitternd vor Frost, elend und müde schlich er cm den anderen Zelten vorüber» die er nicht wieder zu betreten wagte. Dann und wann fuhr einer von den fremden Hunden wütend auf ihn los. aber er sträubte sein Rückenhaar und knurrte so grimmig, daß er unbehelligt blieb. Endlich fiel ibm ein. daß er einmal zusehen könnte, wie seine Kameraden sich einqerichtet hatten für die Nacht. Er fand� sie nirgends. In den Zelten tonnten sie dock nicht sein, sonst würde mau auch ihm erlaubt haben, dort zu bleiben. Ruhelos wanderte er hin und her; trostlos war ihm zu Mute. Da gab der Schnee jjanz plötzlich unter seinen Füßen nach, und etwas Dunkles rührte gch. Knurrend sträubte er sein Rückenbaar und machte sich zum Kampf bereit, aber nur ein freundlicher Ton kam als Antwort, und neugierig ging er näher heran. Ein warmer Hauch traf seine Nase, und das schwarze Ding, das da im Scknee cingcg-�ben lag.
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27 (12.4.1910) 70
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