'Nein." wendete Gallardo ein,»meinem Mütterchen ge- hdrt der Ehrensitz. Hier, Mutter, nimm Platz, oder es wird nicht gegessen. Und er führte sie am Arm zu Tisch mit zärtlichen Auf- merksamkeiten, als ob er sie für den Kummer entschädigen wollte, den sein unstetes Leben in den Kinderjahren ihr an- getan. Die Unterhaltung nahm an Lebhaftigkeit zu, wenn am späten Abend der Nacional erschien, um bei dem Maestro ein Stündchen zu verbringen, als ob sein Besuch eine Pflicht der Unterwürfigkeit gewesen wäre. Gallardo, mit dem kostbaren Pelz eines Gutsherrn bekleidet, das Haupt unbedeckt, um das der Zopf glatt herumgelegt war. empfing stets seinen Bande- rillero mit neckischer Freundlichkeit.Wovon ging die Rede bei den Aficionados? Was für Humbug wurde wieder herumgeboten? Ging es vorwärts mit jenem Ding der kommenden Republik? Garabato, ein Glas Wein für Sebastian." Allein Sebastian, der Nacional, wies das Angebotene zurück. Keinen Tropfen Wein, er trinke nicht. Der Wein sei schuld an der Rückständigkeit der Arbeiterklasse. Die ganze Gesellschaft brach in ein Gelächter aus, wie wenn ein er- warteter Witz nun heraus wäre. Einzig und allein der Sattler verharrte im Schweigen, feindliche Blicke werfend. Er haßte den Nacional und sah einen Gegner in ihm. Auch dieser erfreute sich als wackerer Ehemann einer zahlreichen Nachkommet, schaft und ein Schwärm von Kindern hing an den Rockschößen der Mutter in der kleinen Schankwirtschaft. Die beiden Jüngsten waren Patenkinder Gallardos und seiner Frau, der Matador und der Banderillero waren durch Ge- vatterschaft verbunden. Der Heuchler! Er brachte alle Sonn- tage die beiden festlich gekleideten Patenkinder zum Handkuß ins Haus, und jedesmal, wenn die Kleinen ein Geschenk er- hielten, erblaßte der Sattler vor Wut. Sie kamen, um die Seinigen zu berauben. Vielleicht malte sich auch der Bande- rillero in Gedanken aus, daß ein Teil des Vermögens in den Besitz der Patenkinder übergehen konnte. Der Räuber! Nicht «inmal zur Familie gehörte er!... lgortsetzung folgt.Z (Nachdruck verdoten.). 12] Wenn die JVatur ruft. Von Jack London . Autorisierte Uebersetzung von L. L ö n S. Bucks Liebe zu Thornten aber wuchs noch mehr von Tag zu Tag. Er allein durfte eS wagen, ihm etwas zu tragen zu geben, wenn sie auf Reisen waren, und nichts wäre ihm zu schwer ge- Wesen. Eines Tages saßen sie frühstückend nicht weit von einem Abhänge, der wohl övtl Fuß steil abfiel. John Thornten saß dem Rande am nächsten und Buck neben ihm. Da durchfuhr ihn die Laune, Bucks Gehorsam zu prüfen. Ohne über die Folgen nach- zudenken, streckte er die Hand über die gähnend« Tiefe und rief: Hoppl" Mit Mühe nur gelang es ihm. den Hund im letzten Augenblicke noch zu ergreifen und festzuhalten, bis Hans und Peter sie beide wieder in Sicherheit brachten. ..Der Hund ist mir unheimlich," meinte Peter, als sie wieder zu Atem gekommen waren. Thornten schüttelte den Kopf.Nein," antwortete er,un- heimlich nicht, großartig ist er." Na, ich möchte nicht derjenige sein, der einmal Händel mit Dir anfängt, wenn der dabei ist," sagte Peter und nickte dem Hunde zu. Den Teufel auch," meinte Hans,ich wollte es keinem raten, Dir zu nahe zu kommen." Es war nicht lange danach, in Cercle City, als der besprochene Kall eintrat. Der Schwarze Berten, ein übclbeleumundeter Bursche, hatte in einem Gasthaus Streit angefangen, der zu Hand- greiflichkeiten ausartete. Thornten wollte Frieden stiften und trennte die beiden Kämpfenden. Da wandte sich Berten gegen Thornten, und er schlug derartig auf ihn ein, daß dieser gegen den Schenktisch taumelte. Da erklang plötzlich ein furchtbares Geheul, wie es noch keine» gehört hatte. Es war Buck, der still in einer Ecke gelegen und kein Auge von seinem Herrn gelassen hatte. Mit einem Satze war er auf Berten zugesprungen, und nur eine unwillkürliche Armbewegung verhinderte es, daß Buck ihm die Kehle durchbiß. So schlug er seine Zähne tief in das Armfleisch des Mannes, aber «he die Zuschauer ihn zurückreißen konnten, hatte er den Mann furchtbar zugerichtet. Die Goldgräber riefen sogleich eine Ver- fammlung zusammen, die entschied daß der Hund ein Recht gehabt habe, seinen Herrn zu verteidigen. Von dem Tage an war «ucks Name bekannt in ganz Alaska . Im Laufe der Zeit fand sich noch einmal Gelegenheit für Sepi Hund, seinem Herrn das Leben zu retten. Die drei'Freunde treidelten ein Boot durch ein sehr wildes Wasier. Hans und Peter gingen am Ufer entlang und zogen. Thornten stand im Boot und steuerte es mit einer langen Stange um die vielen Felskanten herum. Dann und wann rief er den beiden anderen eine An- Weisung zu. Buck ging unruhig und aufgeregt hoch am Nferrand! entlang und beobachtete jede Bewegung seines Herrn. An einer besonders schlechten Stelle wollte Thornten mehr in, die Mitte des Flusies und verlangte mehr Leine. Hans trat dicht an das Ufer, um das Boot zu beobachten. Gegen das reißende Wasser war wenig auszurichten, und trotz aller Gegenwehr Thorntens glitt es blitzschnell stromabwärts. Hans zog mit aller Kraft den Strick zurück, aber der plötzliche Ruck ließ das Boot um- kippen. Mit dem Boden nach oben blieb es an einem Felsstück hängen, während Thornten weit hinausflog und weiter ström- abwärts getrieben wurde, den bösen Stromschnellen zu. die auch dem geschicktesten Schwimmer gefährlich werden mußten. Buck war ohne Besinnen ins Wasser gesprungen und über- holte, nachdem er etwa 600 Fuß getrieben war, endlich John Thornten, der ihn am Schwanz ergriff. Sofort wendete ix und ruderte mit aller Macht dem Ufer zu. Aber es war beschwerlich gegen den Strom zu schwimmen, das Wasser war zu reißend, und er wurde immer weiter abwärts getrieben. Schon wurde ein ge- fährliches Rauschen hörbar; es war die Stelle, wo das Wasser sich durch die Felsen Bahn brach wie durch die Zähne eines Riesen- kammes. Der Zug nach unten war zu stark, und unmöglich war es. das Ufer zu erreichen, daS merkte Thornten wohl. Vergeblich versuchte er, sich an einen der Felsen zu klammern; er wurde immer hart an ihnen vorbeigetrieben, ohne sie erreichen zu können. Endlich umklammerte er mit beiden Armen eine hervorspringende Ecke und rief durch daS Rauschen des Wassers Buck zu, weiter zu schwimmen. Beim Klange der Stimme hob der Hund den Kopf, warf einen langen Blick auf seinen Herrn und wandte sich dann gehorsam dem Ufer zu. Allein kam er besser vorwärts und wurde von Hans und Peter ganz erschöpft an das Ufer gezogen. Sie wußten aber, daß Thornten in seiner gefährlichen Lage nicht lange ohne Hilfe bleiben durfte. So schnell sie konnten, rannten sie den Fluß hinauf, bis weit über die Stelle, wo Thornten hing. Sie schnitten ein Stück von dem Seil, befestigten es an Bucks Leib, ohne daß es ihn am Schwimmen hindern konnte und ließen ihn in das Wasser. Er schwamm mit mächtigen Stößen, kam aber nicht grade hinüber. Er merkte es erst, als es zu spät war und die Strömung ihn entwa sechs Fuß weiter unten vorbeitrug. Hans zog ihn sofort zurück, aber das strömende Wasser ging über des Hundes Korper fort und die Leine lag so, daß auch sein Kapf unter Wasser kam. Er war bewußtlos, als Hans und Peter ihn über den Uferrand zogen. Sie rieben und schüttelten, machten kunstliche Atembewegungen und versuchten ihn auf alle mögliche Art zum Leben zu bringen. Da tönte ein schwacher Ruf Thorn» tens durch das Geräusch des Wassers zu ihnen herüber. Wie«in elektrischer Schlag wirkte es auf den Hund. Er sprang auf die Füße und lief zur Uferstclle, von wo er vorher auch abgeschwommen war. Einmal hatte er sich in der Entfernung verrechnet, ein zweites Mal sollte es nicht mißglücken. HanS ließ das Seil durch die Hand gleiten, und Peter hielt es stramm. Gradeaus schwamm Buck bis ganau über die Stelle, wo sein Herr hing, und ließ sich dann treiben. Thornten sah den Hund herankommen, und gerade als er bei ihm war, warf er die Arme um den Leib des TiereS. Hans wickelte den Strick um einen Baum und zog dann mit Peter die beiden an das Land. Manchmal war der Hund, dann wieder der Mann ganz unter Wasser, dann stießen sie gegen scharfe Felsen und dann trieben sie gegen vorstehende Aeste; endlich lagen sie ,m llfergrase. Thornten kam erst zum Bewußtsein, als Hans und Peter ihn lang geschüttelt, auf den Rücken geschlagen und hin- und hergerollt hatten. Sein erster Blick galt Buck, neben dessen leblosem Körper Moor saß und ein jämmerliches Geheul ausstieß, während Skeet Bucks Gesicht und besonders die Augenlider leckte. Es dauerte lange, bis der Hund wieder zu sich kam. Drei Rippen waren ge- krochen. Thornten war auch übel genug zugerichtet. Hier muß gelagert werden," entschied er. Und so geschah e», und sie blieben dort, bis Buck wieder ganz hergestellt war. Als sie im nächsten Winter wieder in Dawson waren, konnte Buck seinem Herrn auch einen Dienst erweisen, der. wenn er auch nicht ganz so groß wie der letzte war, doch fernen Namen berühmter machte in Alaska , als wie den irgend eines Menschen. Und dieser Dienst kam allen drei Freunden zugute. Sie hätten schon lange gern die Mittel zu einer Reise in den jungfräulichen Osten gehabt, wo Goldgräber noch nicht alles um und um gewühlt hatten. Es kam eines Tages im Eldoradogasthaus die Rede auf die Hunde, und jeder hatte von den seinen allerlei zu prahlen, Buck natürlich, um den jeder John Thornten beneidete, war immer der Gegenstand des Vergleichs mit einem anderen, und jeder versuchte, doch irgend einen Fehler an ihm zu finden. Da meinte einer der Männer, daß sein Hund einen Schlitten mit einer Ladung von fünfhundert Pfund ziehen könnte; ein anderer traute seinem Hunde sechshundert Pfund zu, und ein dritter dem seinen sogar siebenhundert. Ach." rief John Thornten wegwerfend,was sind denn sieben- hundert Pfund. Buck kann tausend ziehen." w