war froh und gesund, wenn nun ihn wieder zurück hatte. Den Filzhut im Genick, erging er sich träge, schwang seinen Spa- zierstock mit dem Goldgrisf und betrachtete die großen Brillan» ten an seinen Fingern. Im Vorhof erwarteten ihn einige Männer an der inneren Tür, durch dessen Eisengitter der weiße, frisch go° scheuerte Patio fichtbar war. Es waren von der Sonne ge> bräunte Leute, die säuerlichen Schweiß ausdünsteten, mit schmutzigen Kitteln und breiten, an den Rändern zerfressenen Hüten. Die einen waren Feldarbeiter, auf der Durchreise begriffen, die es für selbstverständlich fanden, den berühmten Matador, den fie Sennor Juan nannten, um eine milde Gabe anzugehen. Andere wohnten in der Stadt und duzten den Stierfecher, den sie mit Juanito anredeten. Gallardo besaß durch seinen ausgebreiteten Verkehr ein gutes Gedächtnis tllr Gesichter und er ließ auch das Duzen zu. Es waren Schulkameraden oder Genossen aus feinem jugendlichen Landstreicherleben. Gehen die Geschäfte nicht, wie?... Die Zeiten sind eben schlecht für alle." Und bevor noch diese Herblassung sie zu größerer Zu- traulichkeit veranlassen konnte, wandte er sich zu Garabato, der mit der Türklinke in der Hand dastand. Sage der Sennora. sie solle Dir ein paar Peseten für jeden von ihnen geben." Und pfeifend ging er auf die Straße, befriedigt von seiner Milde und von der Schönheit des Lebens. Von der Tür der benachbarten Schankwirtschaft folgten ihm die Kellner und die Gäste mit Blicken, als ob sie ihn nie im Leben gesehen hätten, tranken und lächelten ihm zu und verschlangen ihn vor Neugier mit den Augen. lFortsetzung folkt.j (Nachdruck verdaten.) 141 Wenn die f�atur ruft. Von Jack London . Autorisierte U Übersetzung von L. L ö n S. Und ebenso deutlich wie an diese merwürdige Menschen- erscheinung, erinnerte er sich an einen Ton, einen Ruf. Er hörte ihn, deutlich klang er noch in seinen Ohren. Ein eigenartiges Glücksgefühl überkam ihn dann und eine Sehnsucht nach irgend etwas, worüber er sich selbst keine Reschcnschaft geben konnte. Manchmal sprang er dann auf und lief dem Rufe nach, als ob er nicht im Traum, in seiner Erinnerung, sondern in Wirklichkeit er- klungen wäre. Wenn er dann so durch den Wald strich, dann bellte er laut oder winselte leise vor sich hin, je nachdem ihm zu Mute war. Er steckte die Nase in das kühle Moos und sog glückselig den Geruch der frischen Erde ein. Halbe Tage lang lag er oft im Walde hinter dicken Stämmen oder im hohen Grase versteckt, ganz Auge und ganz Ohr, damit ihm nichts entgehen konnte. Er wollte den Ruf belauschen,-der immer erscholl, und von dem er nicht wußte, woher er kam. Manchmal, wenn er in der Mittagsglut schlummernd vor dem Zelte lag, warf er plötzlich den Kopf hoch, seine Ohren spitzten sich, und er horchte in die Ferne. Dann raste er davon, weiter und weiter, stundenlang, tagelang. In trockenen Bachbettcn lief er ent- lang, kroch vorsichtig und lautlos über das weiche Moos und be« lauschte die Vögel; ganz regungslos konnte er daliegen, um ein Volk Waldhühner zu beobachten, das in dem hohen Grase hin- und herlief. Am liebsten aber wanderte er leise in der Dämmerung der Hochsommernächte und horchte auf die tausendfachen Stimmen der Wildnis, und suchte doch nur die eine Stimme; die Stimme, die ihn gerufen hatte. Eines Nachts sprang er mitten aus dem Schlafe auf; er zitterte am ganzen Körper, jedes Haar seines Felles sträubte sich. Er hatte ihn wieder gehört, den Ruf, und dieses Mal so deutlich, wie nie zuvor; ein langanhaltendes Heulen war es gewesen, ähnlich dem eines Hundes, aber doch anders. Und er kannte die Stimme; er hatte sie schon früher gehört. Wie gehetzt rannte er dahin, und erst als er ganz nahe gekommen war, schlich er langsam und vor- sichtig vorwärts, bis zu einem offenen Platze unter hohen Bäumen. Da sah er ausrecht sitzend, die lange spitze Schnauze dem Nacht- Himmel zuwenoend, einen großen, mageren Wolf. Buck war ganz geräuschlos gekommen, aber der Wolf hatte ihn doch bemerkt und hörte auf zu heulen. Buck schlich näher, den Körper eng an die Erde gedrückt mit wcitausgestreckter Rute, einen Fuß vorsichtig vor den anderen setzend. Jede Bewegung sprach eine Drohung aus, untermischt mit Freundlichkeit. Es war die Ver- ficherung des Waffenstillstandes, wie Raubtiere ihn gegenseitig aus- zudrücken pflegen, aber der Wolf sprang auf und suchte das Weite. Buck folgte ihm in großen Sätzen. Er hetzte ihn in einen Hohl- weg und versperrte ihm den Rückzug. Da wandte der Wolf sich um, erhob sich auf die Hinterbeine wie Joß und alle die anderen halbwilden Eskimohunde, knurrte, fletschte die Zähne und biß UM sich, genau wie diese. Buck aber nahm den Kampf nicht auf. Er ging mit freund- lichem Knurren ganz nah um ihn herum. Der Wolf aber war arg» wöhnisch und bange, denn Buck war wohl dreimal so groß wie er; sein Kopf reichte kaum an BuckS Schulter. Mit aller List suchte er zu entschlüpfen. Endlich gelang es, und die Jagd begann wieder» bis er von neuem gestellt wurde. Endlich merkte er aber doch, daß Buck ihm freundlich gesinnt war, beschnüffelte ihn und balgte sich spielend mit ihm herum. Nach einer Weile setzte sich der Wolf in Trab, zeigte deutlich, daß er irgendeinem Ziele zustrebte, und forderte Buck auf, mitzukommen. So liefen sie Seite an Seite im dämmrigen Lichte der Nacht, weit hinaus bis an die Quelle des Flusses und weiter noch. Die Sonne stieg hoch und höher, und der Tag wurde warm. Sie kamen in flaches Land mit tiefen Wäldern und glitzernden Strömen. Buck war glückselig, denn jetzt wußte er, daß er dem Rufe folgte, den er so oft gehört hatte; sein wilder Bruder führte ihn dahin, woher er erklang. Alte Erinnerungen drangen auf ihn ein; es war ihm. als habe er alles schon einmal erlebt vor ewigen Zeiten in einer anderen Welt. Als sie an einem der Flüsse stillstanden, um sich zu erfrischen. da erst fand Buck Zeit, an John Thornten zu denken. Er setzte sich und stierte vor sich hin. Der Wolf aber lief weiter. An den Ruf. dem er folgen wollte, dachte er jetzt nicht mehr. Da kam der Wolf zurück, beschnüffelte ihn und forderte ihn auf, mitzukommen. Doch Buck drehte sich um und trabte langsam zurück. Wohl eine Stunde lang lief fein wilder Bruder winselnd neben ihm her. Dann setzte er sich hin, streckte seine Nase gegen den Abendhimmel aus und heulte. Es war ein klägliches Geheul, und Buck hörte es noch lange. bis es sich endlich in der Ferne verlor. John Thornten war gerade beim Mittagessen im Zelt, als Buck heranstürmte und mit solcher Wucht gegen ihn sprang, ihn so un» gestüm liebkoste, daß er hintenüberfiel. Er leckte ihm quer über das Geficht, stieß kurze schrille Freudenschreie aus und spielte, wie Hans und Peter sich ausdrückten, den richtigen Hansnarren. Zwei Tage und zwei Näcbte ließ Buck seinen Herrn nicht aus den Augen, folgte ihm auf Schritt und Tritt bei der Arbeit, sah ihm zu, wenn er, setzte sich vor sein Nachtlager und schaute ihn an bis zum anderen Morgen. Am dritten Tage aber erklang wieder der Ruf aus dem Walde. Eine Unruhe kam über ihn, deren er nicht Herr werden konnte; er dachte an den wilden Bruder und das sonnige Land hinter den dunklen Bäumen. Und wieder rannte er fort, aber dieses Mal fand er den Wolf nicht, und hörte auch seine Stimme nicht, so sehr er auch lauschte. Nun blieb er oft tagelang fori und kam auch einmal wieder in das Land, in dem der glitzernde Strom floß. Dort suchte er wohl eine Woche lang herum, fischte nach Lachsen und jagte das Wild. Einmal tötete er einen Baren, den die Moskitos geblendet hatten, als er fischt«, und der nun hilflos durch die Wälder lief. Es war ein harter Kampf, aber er erfüllte Buck mit Genugtuung. Zwei Tage, nachdem er ihn erlegt hatte, fand er wohl ein Dutzend Wölfinnen , die sich um den Rest seiner Beute zankten. Er blies das Rudel auseinander wie Kaff, und die beiden, die auf dem Kampfplatz blieben, mußten wohl Frieden halten. Nun wurde er blutdurstiger als je zuvor. Er war ein Raub- tier, und ihm gehörte alles, was lebte, das Gesetz des Stärkeren schrieb es ihm zu. Es lebte ein Stolz,«in Hochmut in ihm auf, der sich in jeder seiner Mienen, in jeder seiner Bewegungen aus- drückte und seinem prachtvollen, glänzenden Fell womöglich noch einen glänzenderen Schimmer verlieh. Hätte er nicht die weiße Schnauze gehabt und die schneeweihen Locken auf der Brust, man hätte ihn für einen riesigen Wolf halten können. Von seinem Bernhardiner-Vater hatte er die Größe und das Gewicht geerbt, und seine Schäferhund-Mutter hatte ihm die Leichtigkeit und die Schönheit vermacht. Seine Schnauze war lang wie die eines Wolfes, und sein Kopf, w«nn auch breiter, hatte viel Aehnlichkeit mit dem eines Wolfes. Auch Wolfsschlauheit hatte er, dazu die Klugheit von Vater und Mutter und außerdem alle die Erfahrungen seiner harten Lebensschule; das alles machte ihn zu einem furchtbaren Gegner. Er hatte Wildpret im lleberfluß und war daher so vorzüglich bei Kräften, wie nur irgend möglich. Wenn Thorntens Hand ihm liebevoll über das Fell strich, dann knirschte und knackte es, jedes Haar entlud seine Elektrizität. Seine Gedanken gingen blitzschnell bei allem, was lleberlegung verlangte. Er war doppelt so schnell in jeder Bewegung als die Polarhunde. Er sah eine Bewegung, hörte ein Geräusch und rich- tele sich danach, ehe ein anderer Hund nur deren Bedeutung be- griffen hätte. Seine Muskeln waren fest und zugleich leicht und beweglich, wie die besten Federn. Das volle Leben durch- strömte ihn. Solch einen Hund gibt cS nicht zum zweiten Male", sagte John Thornten eines Tages, als er Buck nachsah, der auf den Wald zuging. Nein", meinte Peter,als der gegossen wurde, ging die Form entzwei." Ja, wahrhaftig, das ist so," bestätigte Hans. Sie sahen ihn auf den Wald zuschreiten, sahen aber nicht die furchtbare Veränderung in ihm, als des Waldes Dunkel ihn um- fing. Jetzt schritt er mcht mehr. Jetzt war er ganz Raubtier, das auf leisen Sohlen wie«in Schatten dahinglitt. Er verstand in