untenstehenden Burschen sorgten dafür, daß die Räder fret dlieben und hatten schnell herbeigeholte Blöcke unter den Wagen geschoben. Nun wurden die Räder losgemacht, die Deichsel abgenommen, kurzum, der Wagen so gründlich wie möglich in seine Bestandteile zerlegt. Mehrere Burschen hatten unterdes vorsichtig die große Feuerleiter vom ersten Hofe herangeholt und an das Scheunen- dach angelegt. Jetzt kam das schwerste Stück Arbeit. Ein Teil der Burschen verteilte sich über das Doch und die anderen schleppten Stück für Stück die einzelnen Teile des Wagens die Leiter hinauf. Oben wurde alles, so gut es ging, zusammengefügt, und bald ragte die Deichsel wie ein umgefallenes Ausrufungszeichen über das Scheunendach hinaus. Jetzt kamen die Mädchen an di« Reihe. Der Mist wurde von ihnen kiepenweise die Leiter hinauf getragen und oben von den Burschen auf den Wagen geladen. Endlich war aus die? vollbracht. Es herrschte allgemeine Befriedigung über die getane Arbeit. Nun wurde die Leiter zurückgebracht. Dabei war man wohl nicht vorsichtig genug oder die Burschen meinten, sie hätten es jetzt nicht mehr nötig, denn plötzlich fiel die Leiter von der Hauswand polternd in den Hof. Ein Aufkreischen, ein Gelächter und dann ein schleuniger Rückzug folgte. Hier und da im Dorfe bellte noch kurz ein Hund auf, der aber gleich wieder still war, als er merkte, daß es ja etwas Bekanntes war, was da über den Hof huschte. Dann herrschte tiefes Schweigen. Fern im Osten aber zeigte sich schon ein schmaler, hellgrauer Streifen. Auch bei Hersemanns war längst wieder alles ruhig. Als die Leiter siel, war Frau Hersemann vor Schreck hoch im Bette empor gefahren. Ihr Gatte brummte schlaftrunken nur einige unzufammenhängende Worte. Sie stieß ihn aber energisch in die Seite:.Du. Aaler. nu Heere doch, ick glowe, se wulln bi uns krakelen. Steh man up und kick nach Da sull doch gli det Dunner rinschloan." Vater Hersemann wollte nicht gern aus seinem warmen Bette heraus, es half aber alles nichts. Brummend zog er sich die Hosen an und tappte hinaus. Nach kurzer Zeit kam er fluchend zurück. ,Dat sull der Diebel Halen! Hat Koarl doch die Leiter so dämlich uphängt, det sie nu über'n Hof leit un en Stücke Zun (Zaun) hät's mi och umschloan. Na, wart man, den kep ick mi morgen.".Aber bat Krischen, Voater, ick hew et doch ganz didlich hert.".Ach, Blak; iS jo wid und brid nischt to fiehn. Wirst wull drömt hewwen." Damit kroch Vater Hersemann wieder ins Bett, und nach zehn Minuten schnarchte er weiter. Draußen aber färbte sich der Himmel immer heller und heller. Das lichte Grau ging in Orange über und ward wieder von dem dunklen Blau durch einen Streifen hellen Grüns ge- trennt. Ein paar blaffe Sterne hingen noch in der hellen Lust wie alte Goldfäden an einem geplünderten Weihnachtsbaum, und dann war plötzlich di« Allsiegerin Sonne und der neu« Tag da. Die Hähne krähten, hier und da brüllte eine Kuh, Türen klappten, halbverschlafen wurden Grüße getauscht, und die Mägde gingen mit den großen Melkeimern nach den Ställen. Bei Hersemanns war der Streit schon wieder in vollem Gange. Der Knecht wollte die Leiter gestern noch richtig hingehängt haben, wogegen der Bauer behauptete, er müsse sie nur angelehnt haben. So ward denn unter Fluchen und Wettern die Morgensuppe einge- nommen. Während die Magd schon im Stalle herumhantierte, holte der Knecht die Pferde heraus, und der Bauer ging hinter die Scheune, um nochmals die Festigkeit der Ladung zu prüfen. Das erste, was man von ihm hörte, war ein kräftiger Fluch. Dann aber versetzte ihm das Erstaunen förmlich den Atem. Daß ihm der Fudelabend einen Streich gespielt hatte, war ja klar, aber wo, in drei Teufelsnamcn, waren sie denn mit dem schweren Wagen hingefahren? Ohne Pferde war er doch nicht fortzu- bringen gewesen, und dann führte der einzige Ausgang doch auch über den ersten Hof, ganz dicht am Wohnhause vorüber. Da hätten sie es doch hören müssen. Hinten, nach den Feldern zu, konnten sie auch nicht gefahren sein, sonst hätten sie doch den Zaun um- legen müssen. Ihm war. als ob er keinen eigenen Augen nicht mehr trauen könne. Er ging hin und schüttelte jeden einzelnen Pfosten am Zaune; aber alles war fest und ganz. Mittlerweile war der Knecht auch herbeigekommen, und der Bauer, der seinen Zorn doch an irgend jemand auslassen mußte, überschüttete ihn mit Schimpfreden und wollte durchaus von ihm wissen, wo der Wagen wäre. Auf den Skandal hin waren nicht nur Frau und Magd, fon- dern auch die lieben Nachbarsleute jenseits des Zaunes hinzuge- kommen. Immer mehr Menschen sammelten sich an, und während die anderen Bauern verwunderte Fragen taten, hörte Hersemann aus jedem Worte die Schadenfreude heraus. Endlich rief er ganz verzweifelt aus:.Aber, mien Jeses, he kann doch nich dorch de Luft gefoaren sinn.".Na, dat glow ick doch bale," sagte da einer der Nachbarn,.un et schient, he iS unnerwegs haken gebliewen." Dabei wies er hinauf nach dem Scheunendache, und ein nicht endenwollendes Gelächter übertönte den Wutausbruch des Bauern. Er sah aber ein, daß die Sache durch Schelten und Fluchen nicht besser würde und ging den und jenen Nachbar� an, ihm doch heute seine Knechte zu borgen. Aber es war Frühsing, das Feld mußte bestellt werden und die Arbeit tat wirklich bei jedem einzelnen not, da brauchten sie nicht erst lange nach einer Ausrede zu suchen. Endlich trieb der Bauer ein paar Tagelöhner auf, die mit ihren Frauen zu Hilf« kamen. Der alte Hersemann sagte nichts mehr, seine Wut war zu groß. Nicht nur, daß er den fremden Arbeitern den Tagelohn zahle« mußte. tS gingen ihm auch noch mehrere kost» bare Arbeitstage verloren. Als schließlich alles wieder in Ord­nung war und auch die schadhaften Stellen im Scheunendache aus» gebessert waren, war es gerade der Bauer, der am wenigsten von der ganzen Sache sprach. Denn er merkte wohl, daß sogar seine nächsten Nachbarn das Ganze mehr komisch als tragisch fanden, und daß es ihm heimlich wohl die meisten gönnten. Anscheinend ging nun alles wieder seinen gewohnten Gang- Der Bauer war noch immer grob, die Bäuerin noch ebenso geizig- Vom Besuche des Fudelabends aber wurde seitdem weder Knecht noch Magd abgehalten. Es wurde nicht erst darüber gesprochen. Als der Knecht am nächsten Abend seine Mütze nahm, faßte sich das Mädchen auch ein Herz, stand auf und ging mit ihm hinaus. Niemand verwehrte es ihnen, und dabei blieb es. (Zrabbe und die Litcrarur-ßonzcn- Im Jahre 19® gab der inzwischen verstorbene Eduard Grise» bach eine äußerlich recht vornehm gehaltene und trotz mancher Kor» rekturflüchtigkeiten sehr geschätzte vierbändige Ausgabe von Grabbes Werken" heraus. In der Vorbemerkung spricht Grisebach u. a. der Königl. Bibliothek in Berlin   verbindlichsten Dank aus, weil sie ihn in seiner Arbeit unterstützt und gefördert habe. Dr. Wukadinovisch, Privaidozent an der deutschen Uniber» sität zu Prag  , erfreute sich im Sommer des Jahres 1999 gleich» falls der Unterstützung und Förderungunserer" Königl. Bibliothek; er durchsuchte die Grabbe  -Schätze des Instituts dieselben, die Grisebach zur Verfügung gestanden hatten und ist drauf und dran, in die neue Grabbe  -Ausgabe, die er demnächst zu verösient» lichen gedenkt, eine seit dem Jahre 1893 im Besitz der Königl. Bi» bliothek befindliche und bisher ungedruckte Arbeit Grabbes auf» zunehmen. Man sollte meinen, alle Welt müsse sich freuen, wenn eine dev breiten Oeffentlichkeit bisher unbekannte Arbeit eines so bedeu» tenden und originellen Dichters, wie Christian Dietrich Grabbe  , veröffentlicht wird. Weit gefehlt! Das Literatur-Philistertum fällt über den Prager  Entdecker" her und verhöhnt ihn, weil er ans Licht bringt, was Grisebachunerklärlicherweise" und anders Forscher" vielleicht erklärlicherweis« links liegen ließen! Die Grabbe  -Handschrist trägt diesen Titel:Etwas über den Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in den Jahren 1794 bis 1895 sowie auch einiges über die ebengenannten berden Dichter selbst und über unsere Zeit." Wer seinen Grabbe ein klein wenig kennt, der weiß, daß er diel, viel Gutes über Schiller und über Goethe geschrieben hat(man lese: GrabbeS Briefe, Rezen» sionen,Ueber die Shakspearo-Manie" usw.), daß er sich aber den Teufel daraus gemacht hat, Menschliches-Allzumenschliches an den beidenHeroen" oder das, was ihm an diesen(wie an anderen be- deutenden Männern) menschlich-allzumenschlich erschien, eben nach Grabbescher Art mit starken, deutlichen-allzudeutlichen Worten zu charakterisieren. Daß der Dichter am 12. September 1839 in einem Briefe an seinen Freund und Verleger Kettembeil jenen Goethe-Schillerschen Schriftwechsel eine.Briefscheißerei", einen Monat früher eine. H« m d a u s z i e h e r e i" und vier Monate darauf einen Wasch zettel-Wechsel" genannt hat, das wagte Grisebach doch nicht zu»übersehen", und schon vorher warS den besser be- schlagenen Literaten nicht unbekannt. Welcher vernünftige Grund liegt also vor. einen Mann anzubelfern, der wie Wukadinovisch ein anständigeres literarisches Gewissen als seine Vorgänger und zu große Achtung vor Goethe und Schiller hat, als daß er die läppische Furcht teilte: dem Ansehen derHeroen"(oder GrabbeS l) könne ein Schaden zugefügt werden, wennEtwas über den Brief- Wechsel...." 195 Jahre nach Schillers, 78 Jahre nach Goethes und 74 Jahre nach GrabbeS Tode in Druck gegeben würde?? Aber was das Schönste an der Geschichte ist: Mit seiner kühlen Kritik ist Christian Dietrich Grabbe   vollkommen im Recht, und die Tendenz seines Tadels ist voll anzuerkennen. Man höre, was Grabbe   schrieb:Der Schiller-Goethesche Brief» Wechsel... ist weiter nichts als eine Sammlung billcttmäßiger Lappalien, wobei anfangs Schiller   und Goethe, besonders in ihren staatsbürgerlichen und schriftstellerischen Verhältnissen zueinander, an nichts weniger als deren dereinstige Publikation gedacht haben. ... Nach mehr als 29 Jahren hat sich jedoch Goethe eines Schlimmeren besonnen.... Schiller und Goethe, ihr beiden Herren am deutschen Dichter» Himmel, brauchtet euren Glanz nicht mit den Erbärmlichkeiten eures Privatlebens zu umnebeln. Recht gut. daß man eure Charaktere kennen lernt, aber so manche Elendigkeiten, die wir nicht zu wissen brauchten, dabei! Auch das mag gut sein, wenig- stens bei dem blinden Bewunderer Menschenkenntnis verbreiten, aber war es(gelinde ausgedrückt) klug oder delikat, daß Goethe sie bekannt machte? Was Schiller oder Goethe künstlerisch oder mora» lisch sind, weiß der Gebildete auch ohne diese Briefe.... Schmutz ist Schmutz und kommt er auch aus dem Palaste eines sogenannten Dichterfürsten. Beschenkt dieser die Welt mit Sächelchen, die wie die qu. Briefsammlung oft nichts enthalten, als Einladungen zum gemeinsamen Ausfahren, Grüße an die liebe Frau, und Carlchen bisweilen dazu, so schütze uns Gott, wenn etwa