Nnterhaltungsölatt des'Dorwärts AK. 86. Mittwoch, den 4 Mai. 1919 «iaSdrua vervot«».? 241 Die Hrena. Roman von Vicente BlaSco Jbanez. Autorisiert« Uebersetzung von Julio Brouta. Sie betraten die Wohnung von Donna Sol. Der Hof war im arabischen Stil gehalten und erinnerte mit seinen vielfarbigen, feingearbeiteten Wölbungen an die Hufeisen- bogen der Älhambra. Der Wasserstrahl eines Brunnens, in dessen Becken Goldfische schwammen, unterbrach angenehm einförmig die abendliche Stille. In den mit geschnitzten Teckenverzierungen versehenen Seitengalerien, die durch die Marmorsäulen der Bogengänge vom Hofe abgeschlossen wurden, sah der Stierfvchter allerlei altertümliche Truhen, dunkle Gemälde, Heiligenbilder mit bleichen Gesichtern, ehr- würdige Möbel und Gerätschaften aus altem rostigen Eisen und wurmstichigem, wie mit Schrot beschossenem Holze. Ein Diener wies sie die breite Marmortreppe hinauf, und während des Aufstiegs geriet der Matador wiederum in Verwunderung beim Anblick von Altarbildern mit ver- schwommenen Gesichtern, Gestalten auf mattgoldenem Hinter- gründe von lebensgroßen, wie mit Beilhieben aus dem Holz gearbeiteten heiligen Jungfrauen, herstammend von alten Kirchenaltären: da hingen Teppiche, in den blassen Farben von dürrem Laub, an den Rändern mit Blumen und Früch- ten umrankt, die einen stellten Szenen aus der Kreuzigung dar, die anderen behaarte Ungeheuer mit Hörnern und Hufen, die von jungen weiblichen Wesen in leichten Kleidern geneckt wurden. Da sieht man wieder seine Unwissenheit!", sagte er staunend zum Verwalter.Ich hätte geglaubt, alle diese Dinge seien nur gut für Klöster!... Die feinen Leute aber scheinen große Vorliebe dafür zu haben!" Als sie oben angelangt waren, zündeten sich bei ihrem Weiterschreiten die elektrischen Glühlampen wie von selbst an, während auf den Fensterscheiben noch die letzten Abend- gluten brannten. Gallardo erfuhr eine neue Ueberraschung. Er war stolz auf sein in Madrid   angeschafftes Mobiliar, das seinen hohen Preis laut zu verkündigen schien, und hier verlor er fast die Fassung beim Anblick dieser leichten und zerbrechlichen weißen oder mattgrünen Stühle, Tische und Schränke, dieser ein- farbigen Wände, die nur mit an kleinen dicken Schnüren hängenden Bildern geschmückt waren, alle glänzend ge- firnißt und von der leichten Eleganz feiner Tischlerarbeit. Er schämte sich seiner eigenen Verblüffung und dessen, was er in seiner Behausung als höchsten Luxus angestaunt hatte. Da sieht man wieder seine Unwissenheit!" sagte er wieder. und ängstlich setzte er sich nieder, wobei er befürchtete, der Stuhl könnte unter seinem Gewicht zusammenbrechen. Das Erscheinen von Donna Sol lenkte seine Gedanken ab. So hatte er sie noch nie gesehen, ohne Schleier und ohne Hut. das reiche, lichtvolle Haar unbedeckt, das ihren roman- Aschen Namen zu rechtfertigen schien. Arme vom reinsten Weiß kamen unter den trichterförmigen Seidenärmeln eines auf der Brust zusammengefalteten japanischen Hauskleides hervor, das den herrlichen Ansatz des bernsteinfarbenen Halses unbedeckt ließ. An ihren Händen, die sie lebhaft bewegte, funkelten Edelsteine von feenhaftem Licht.  -Schwere goldene Armbänder, einige von durchbrochener orientalischer Arbeit mit geheimen rätselhaften Inschriften, andere massiv mit leise klirrenden Amuletten und exotischen Figuren schmückten ihre Unterarme, gewiß Erinnerungen an Reifen durch ferne Länder. Während deS Sprechens hatte sie mit männlicher Unge- zwungenheit ein Bein über das andere geschlagen, und auf einer ihrer Fußspitzen baumelte ein roter Pantoffel mit hohem, vergoldetem Absatz, niedlich wie ein Spielzeug und mit dichter Stickerei besetzt. In Gallardos Ohren sauste es, und seine Blicke verdunkel- ten sich: es gelang ihm nur, ihre beiden hellen und zugleich vertraulich und spöttisch blickenden Augen zu unterscheiden. Um seine Erregung zu verbergen, zeigte er. wie ein schämiges Kind, das artig sein will, lächelnd seine Zähne. Oh nein... um Gotteswillen».. vielen Dank. Es ist nicht der Rede wert gewesen." Auf diese Weise lehnte er die Dankesbezeugungen der Dame für seine Leistung am bewußten Nachmittag zurück. Nach und nach trat bei Gallardo eine gewisse Beruhigung ein. Donna Sol und der Verwalter sprachen über Stiere, und das gab dem Fechter mit einem Mal sein volles Selbst« bewußtsein zurück. Sie hatte ibn öfters in der Arena gesehen und erinnerte sich genau der hauptsächlichsten Ereignisse. Gallardo fühlte, wie sein Stolz erwachte bei dem Gedanken, daß diese Frau ihn in solchen Augenblicken beobachtet hast* und daß das Airdenken daran noch frisch in ihrem Gedächt» nis war. Sie hatte ein mit seltenen Blumen verziertes Lackkistchen geöffnet und bot den beiden Männern Zigaretten an, die einen seltsamen Duft verbreiteten. Sie enthielten Opium und schmeckten sehr angenehm. Indem sie dies bemerkte, zündete sie selbst eine an und folgte den Rauckwolken mit ihren grün schimmernden Augen, die beim Einfallen des Lichts wie flüssiges Gold erzitterten." Der an den kräftigen Havannatabak gewöhnte Stierfcch- ter zog neugierig an seiner Zigarette. Das reine Stroh! Ein Vergnügen für Damen. Indessen schien der sonderbare Duft, den der Rauch verbreitete, langsam seine Schüchternheit auf» zulösen. Donna Sol sah ihm fest in die Augen und fragte nach seiner Lebensweise. Sie wünschte auch das Vorleben des von der Gunst des Publikums so hoch getragenen Matadors ken- nen zu lernen. Und Gallardo. der nun ganz seiner Herr ge» worden war, redete in einem fort, beschrieb seine ersten An» sänge, indem er sich mit stolzem Wohlgefallen über seine niedere Herkunft verbreitete, obwohl er die Dinge verschwieg, deren er sich aus seiner abenteuerlichen Jugend doch schämen zu müssen glaubte. Sehr interessant... sehr eigenartig," sagte die schöne Frau. Und ihre vom Stierfechter abgewandten Augen waren in träumerische Betrachtung versunken, als ob sie etwas Unsicht- bares ergründen wollten. Er ist der erste Mann der Welt!" rief Don Josä in über» fließender Begeisterung aus.Glauben Sie mir, Sol, es gibt keinen zweiten Burschen wie den. Und seine Widerstands- fähigkeit bei Verwundungen?" Hier erging sich der Verwalter lobend über die Körper- krast Gallardos, wie wenn er sein Erzeuger gewesen wäre: er zählte die empfangenen Wunden einzeln auf und gab ein« genaue Beschreibung, wie wenn er sie durch die Kleider hin» durch sehen könnte. Die Blicke der Frau folgten diesem anato- mischen Abstecher mit aufrichtiger Bewunderung. Ein wirk- licher Held! Scheu, bescheiden und einfach, wie alle körperlich Starken. Don Josä sprach davon, sich zu empfehlen. Sieben Uhr hätte es geschlagen, und er werde zu Hause erwartet. Aber Donna Sol hatte sich mit lächelnder Entschiedenheit erhoben, als ob sie sich seinem Weggange widersetzen wollte. Sie müßten bleiben und mit ihr das Abendessen einnehmen: eine Ein» ladung in aller Vertraulichkeit. Sie erwarte heute abend niemanden. Der Marquis und seine Familie seien aufs Land gegangen. Ich befinde mich ganz allein. Kein Wort mehr, hier Hab' ich zu befehlen. Sie werden hier bleiben und mir Ge» sellschaft leisten." Und als ob ihre Verfügungen keinen Widerspruch dulde» ten, verließ sie das Zimmer. Der Verwalter protestierte. Er konnte unter keinen Um» ständen bleiben: er sei heute Nachmittag von auswärts zurück- gekommen und seine Familie hätte ihn kaum gesehen. Außer- dem habe er zwei Freunde zu sich eingeladen. Was seinen Maestro anbelangte, so erschien ihm recht und billig, daß er bleibe: in Wirklichkeit sei die Einladung für ihn. Aber bleiben Sie doch hier," sagte der geängstigte Stier- fechter,verdammte Geschichte!... Um Gotteswillen lassen Sie mich nicht allein. Ich weiß nicht, was ich hier tun und sagen soll." Eine Viertelstunde später erschien Donna Sol von neuem. aber sie bot diesmal einen anderen Anblick dar, nicht mehr den