Hornern zu unterscheiden verstehen und die einen Schlacht- ochsen genau so wie erneu Kainpfstier ansehen! Der spanische Stier sei eine wilde Bestie, die kühnste Bestie der Welt. Und sie gedachten der zahlreichen Kämpfe zwischen Stieren und ge- fährlichen Raubtieren, in denen die nationale Bestie stets ohne Schwierigkeit gesiegt hatte. „Auch das habe ich mit angesehen," sagte er.„Ein groster eiserner Käfig inmitten des Zirkus und Barrabas darin. Zu- erst wurde der Löwe losgelassen, und die verdammte Katze, die Gutmütigkeit des StiereZ benützend, sprang auf seinen Rist und begann, ihn mit Zähnen und Klauen zu zerfleischen. Barrabas raste wie eine Furie herum, um ihn abzuschütteln und vor die Hörner zu bekommen, die seine Waffen sind. Durch eine seiner kreisförmigen Bewegungen gelang es ihm endlich, den Löwen vor sich zu werfen und ihn aufzuspießen, und. meine Herren, wie ein Spielball I Er nahm ihn von einem Horn auf andere und warf ihn in einem fort herum, bis er ihn verächtlich zur Seite stieß und der sogenannte König der Tiere wie ein Lumpenballen fortgeworfen. Klagelaute wie eine ge- prügelte Katze von sich gab.... Dann wurde der Tiger auf Barrabas losgelassen, und da ging die Sache noch schneller. Kaum wurde der Stier ihn gewahr, spießte er ihn auf. warf ihn in die Luft und nach gehörigem Herumschütteln flog der Tiger in die Ecke wie der andere, wo er sich zusammenkauerte und kleinlaut liegen blieb. Und Barabas, der obendrein ein boshafter Spötter war, verrichtete seine Notdurft über den beiden Bestien, und als der Bändiger sie herausschleppte, ge- nügte ein Korb voll Sägemehl nicht, um die Spuren des Kampfes zu verwischen, da sie vor Angst ihren ganzen Leibes- inhalt von sich gegeben hatten." Bei den„Fiinsundvierzigern" erzeugten diese Erinnerun- gen stets großes Gelächter. Der spanische Stier! Dem soll man mit Löwen und Tigern kommen! Und in den beifälligen Ausrufen dieser Leute lag ein Ausdruck nationalen Stolzes, wie wenn der herausfordende Mut der spanischen Bestie gleich- zeitig die Ueberlegenheit ihres Landes und ihrer Rasse über die übrige Welt bedeutet hätte. lFortsetzung folgt.)! (Nachdruck derdoltt.1 11 Das JVTccr. Von R. Ewald. Autorisierte Uebersetzung von H. Kiy. Mit seinen weißen Kreidefelsen ragt das Land aus dem Meere empor. Da oben wuchsen grüne Buchenwälder und Gräser und goldenes Getreide und tausend bunte Blumen. Die Vögel zwitscherten, und die Hirsche sprangen. Die Bauern pflügten ihre Felder, und hart am Felsufer hatte ein vornehmer Herr sich ein Schloß erbaut, das mit Türmen und Türmchen und goldenen Wetterfahnen in die Lüfte ragte. Darüber lag, hoch und blau, der Himmel. Und unten rollten die Wogen des Meeres. Ich kann machen, was ich will," rief da? Meer.„Bin ich milde gestimmt, so lasse ich die kleinste Nußschale aus meinem Rücken tanzen; und es geschieht ihr nichts. Bin ich aber zornig, so zer- schmettere ich das größte Schiff und sende es mit Mann und MauS auf meinen Grund hinab. Niemand ist über mir, niemand neben mir." „Ich bin über dir," grollte der Himmel. „Gott mag wissen, was für ein Geselle du eigentlich bist," sagte das Meer.„Du hängst da oben und blähst dich auf, aber bei genauerer Prüfung würde sich wohl herausstellen, daß du nur Humbug bist." „Ich spiegle mich ja in dir, so daß du sehen kannst, wer ich bin," erwiderte der Himnicl. „Das wst du, solange es mir paßt," sagte das Meer.„Kräusele ich mich aber nur ein wenig, so verwische ich dein Bild." „Von mir hast du deine blaue Färbung," entgegnete der Himmel. „Pah," sagte das Meer.„Das magst du Kindern und Bauern vorreden. Ich habe meine eigene Farbe. Und ich habe viele Farben ringsum in der Welt, soweit ich meine Wellcn�rolleu lasse. Die habe ich von den Tieren und Pflanzen, die in meinem Schöße wachsen." Da rief das Land:„Ich bin auch noch da, und ich bin doch zum mindesten deinesgleichen, wenn nicht noch mehr." Da sckilug das Meer mit seinen Wellen gegen die Felsküste und riß ein kleines Stück von dem Kreidefelsen los. „Du?" drohte es. Du bist mein Geschöpf und nicht ein bißchen mehr. So wie du dasteht mit all der Herrlichkeit, mit der du prahlst, bist du aus meinem Grunde emporgewachsen." „Du lügst", rief das Land. „Wirklich?" war die Antwort des Meeres.„Greif in deine Brust, und du wirst seben, das- es wabr ist, was ich sage. Deine weiße Kreide ist voll von meinen Tieren, Schnecken, Muscheln und Korallen. Jede Handvoll deines Boden» zeigt, woher du stamnist." „Ich mache mir nichts aus solchen alten Geschichten", sagte da» Land.„Das ist schon so lange her, daß eS jetzt nicht mehr wahr ist. Jetzt habe ich meine eigenen Pflanzen nnd meine eigenen Tiere, die hundertmal schöner sind als die deinen. Und ich denke, du lässest mich bleiben, was ich bin." „Das meinst du," sagte das Meer.„Aber daß du so dastehst, verdankst du meiner Gnade. Ich habe dich aufgebaut; und ich reiße dich wieder nieder, wenn ich Lust dazu habe. Ich mache, was ich will." „Komm, wenn du Mut hast," rief das Land. Das Meer lachte und zeigte seine weißen Zähne. Dann er» faßte es wieder ein kleines Stück Kreidefelsen und noch eins und noch eins. „Viel Vergnügen," sagte daS Land. Und die Wälder und Gräser grünten, die Blumen dufteten, die Vögel zwitscherten, und die Hirsche sprangen, die Bauern pflügten ihren Acker, und daS Schloß ragte mit seinen Türmen und Türmchen und goldenen Wetterfahnen in die Lüfte. Jahr auf Jahr, Jahrhundert auf Jahrhundert verging; denn die Großen rechnen mit großen Zahlen Das Meer umschäumte das Land und nahm ein Felsstückchen nach dem anderen fort. „Du wirst mir etwas zudringlich," sagte das Land. „Ich mache, was ich will," entgegnete das Meer.»Und ich nehme nur. was mein ist." „Meine Spitze erreichst du nie," versicherte das Land. Aber das Meer wogte und arbeitete, Tag auf Tag, Jahr auf Jahr, Jahrhundert, Jahrhundert. Immer mehr Felsstücke rollten in seinen Schoß und wurden zerdrückt und fortgespült. Immer tiefer höhlte das Meer den Felsen aus. Im Keller des Schlaffes hörte man bei richtigem Sturme schon das Getöse der See. Und eines Nachts stürzte der Kreidefelsen mit der Burg und dem Wald zusammen. Mit fürchterlichem Krachen fiel er ein, so daß niemand den TodeSschrei der Menschen und Tiere hörte. Der Schaum spritzte hoch empor, während der Sturm sang und die Wogen erbrausten. Drei Tage danach war das Meer still und blailk. Nur die Hälfte des Felsens war übriggeblieben. Der Rest war zerschmettert, verschwunden, spurlos ausgelöscht von der Erde. „Jetzt bist du da, wo du vorher warst," triumphierte daS Meer. „Wir wollen einmal sehen, wie du dich aufführst; vielleicht erlaube ich dir, dich noch einmal zu erheben." „Du böseS Meer," schalt der Felsen. Doch daS Meer blieb hart:„Ich mache, was ich will." » Dem Felsen gegenüber, auf der anderen Seite des Meeres, aber viele, viele Meilen weit entfernt, sah das Land ganz anders aus. Es war flach, und ringsum grünten große Wiesen, auf denen die Kühe weideten. Viele Häuser gab es dort nicht; und die, die da waren, waren auf hohen Wällen, Steindämmen oder Pfahlwerken errichtet. „Ich habe Furcht vor dem Meere," sagte der Bauer,„dem mächtigen, eigenwilligen Ungetüm, das da macht, was es will. Stets kann es kommen und mir meine Wiesen und Kühe wegspülen. Ich lebe von seiner Gnade und hoffe auf seine Barmherzigkeit." „Sieh da— das war wohl gesprochen", sagte das Meer.„Der Vernünftige weiß, wer der Stärkere ist." Und manchmal überspülte das Meer die Wiesen, um zu zeigen, daß es machen konnte, was es wollte. Der Bauer erbaute Deiche, um sich durch Schleusen zu schützen, damit das Meer wieder ablaufen konnte, wenn es hercingespült war. „Bau du nur", höhnte das Meer,„ich spül' über die Firlefänze da weg, sobald ich Lust habe." „Ich weiß es wohl." erwiderte der Bauer.„Ich habe die Schleusen erbaut, damit deine Herrlichkeit möglichst leicht zurücklaufen kann, wenn es dir behagt." „Gut," sagte das Meer. «Verschone meine grünen Wiesen," bat daS Land. „Ich mache, was ich will," rief das Meer. Und um seine Macht zu zeigen und sie in Unruhe zu versetzen, spielte das Meer täglich mit ihnen. ES zog sich so weit zurück, daß man nur fern am Horizont einen glitzernden Streifen gewahrte. Der ganze Grund war trocken, der Tang ließ seine Blätter hängen, und die Garnelen ihre Fühler, und sie fühlten sich entsetzlich unbehaglich. „Es ist Ebbe." sagte der Bauer. Eine Weile danach kam das Meer dann wieder, zuerst sachte und dann schneller, in Neinen Wellen, die sprangen und hüpften, und in großen, die mit Macht heranrollten. Im Handumdrehen war der Boden wieder bedeckt. Die Tangblätter fächelten wie die Blätter im Walde. Und die Garnelen sprangen zwischen ihr�e» umher wie die Vögel in den richtigen Bäumen oben am Lande. „Es ist Flut," sagte der Bauer. „Ich bin es," berichtigte das Meer. Eines Tages ging die Möwe dicht am Strande spazieren.»Ich weiß nicht, was das ist," bemerkte sie,«hier wird es seichter und seichter. Man kann sich ja kaum nocb ordentliche nasse Füße holen."
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27 (10.5.1910) 89
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