pe«rschütterte die Luft, als daS Volk— die Marfeiller an derSpitze— die Tuilerien stürmte. Sie ist das Lied der throne-stürzenden, autokratievernichtenden Revolution von unten auf.Rouget de l'Jsle— er hieß mit Vornamen Claude Joseph undstammte aus altangesehener Familie in Lonsle-Saunier— ist alsPerson hinter seinem Liede fast verschwunden. Er hat noch man-cherlei �Dichterisches geschrieben, doch es bedeutete nichts undwurde vergessen. Er selbst hat sein Blut in den Kriegen der Re-Volution vergoffen, hat später jahrelang in bitterer Armut gelebtund ist erst nach der Julirevolution von 1330 durch eine Pensiondes Bürgerkönigtums von Sorgen befreit worden. Er starb amL6. Juni 1836 in Choissy-le-Roi, und in seinem Sterbeorte hatman ihm ein Denkmal errichtet. Warum das? Die Marseillaisegenügte wahrlich. Sie war in demselben Jahre geboren, in demGoethe am Tage der überraschenden Kriegsereignisse bei Valmy—am 20. September 1793— das Wort sprach:„Von hier undheute geht eine neue Epoche der Weltgeschichteaus und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen." Er hatte dieWucht des Revolutionsheeres begriffen. Die Marseillaise, in derdiese Wucht sich rhythmisch und wörtlich ausdrückte, hat er freilichnicht leiden können, wenigstens nicht im Munde wohlhabenderLeute. Sie war nach seiner Meinung bloß„zum Trost und zurAufmunterung der armen Teufel geschrieben und komponiert".Aber sie war schnell— den Rebolutionskolonnen weit voraus— inDeutschland eingedrungen und zündete auch hier mächtig.Im Jahre 1792 hielt sich in Deutschland die Begeisterung fürdie Revolution noch auf größter Höhe. Bald gab es Uebersetzungenund eigene Lieder zur Marfeiller Melodie. Der wackere JohannHeinrich Voß, einer von den wenigen, die sich durch denGang der Revolution nicht um ihre ideale Begeisterung bringenließen, dichtete schon 1792 ein hartknorriges„Kriegslied derNeufranken" nach der Melodie Rougets; ein anderes, das von derArt an die Marseillaise ausgeht, wurde im folgenden Jahre inHamburg öffentlich gesungen. Und als in der Julirevolution von1839 das Lied in Frankreich mächtig auferstanden war, hallte esbald auch jenseits des Rheines. Im Sturmjahre 1848 schrieb derBerliner Eylert eine Uebersetzung, die man in kleinen Liederheftenjener Zeit findet, und später hat auch Jakob Audorf eineUebersetzung versucht. Den Rhythmus des Liedes treffen dieseNachdichtungen freilich nicht. Den hat auch nur einer getroffen,und nicht in einer Uebersetzung, sondern in einem eigenen starkenLiede: nämlich Freiligrath in dem ersten Gedichte seines be�rühmten Zyklus von 1846: Qa ira. frd.pcary in Berlin.Robert Pearh hat nun auch in Berlin seine Visitenkarte abge-geben, und zwar zunächst vor der dortigen Geographischen Gesell-fchaft, denn es ist mit Recht üblich, daß auch die mehr sportlichenForschungsreisenden zuerst das Handwerk grüßen, zu dessen Förde-rung ihre Mühe in erster Linie aufgewandt ist. Wer nun von denvielen Besuchern des Vortrages gekommen wäre, um aus demeigenen Munde des Reisenden die„Beweise" für die Erreichungdes Nordpols zu hören, um die ein so heftiger Streit entbrannt undfür manchen heute noch nicht entschieden ist, der wird enttäuscht vonbannen gegangen sein. Das ist wohl jetzt aber nicht mehr dieHauptsache und für eine ruhige, einer sensationellen Aufregung ab.holde Leute auch nicht gewesen. Im allgemeinen hat man bishereinem Reisenden immer das Vertrauen entgegengebracht, die vonihm selbst nach seiner Rückkehr gemachten Angaben für glaubwürdigzu halten, und erst beim Schlußkampf um den Nordpol ist es dannanders geworden. Genug, Peary hat in seinem Vortrag überhauptnur eine Art von wissenschaftlichen Beobachtungen erwähnt, nämlichdie in dem Polarmeer von ihm ausgeführten Lotungen, deren Er-gebnisse freilich von erheblicher Wichtigkeit sind. In der Breite vonLS Grad und 23 Minuten fand er eine Meerestiefe von nur 319Faden(569 Metern), nur 19 englische Meilen weiter nödlich einesolche von 799 Faden oder rund 1259 Metern, in 87 Grad 15 Mi-nuten 1269 Faden(2279 Meter), endlich in einem Abstand von nur6 Meilen vom Pol die sehr erhebliche Tiefe von 1599 Faden(2799Meter). Die drei letzten Zahlen haben aber nur die Bedeutungeines Mindestmatzes, weil der Meeresboden bei diesen Lotungennoch nicht erreicht wurde, so daß man nur sagen kann, das Meermüsse an diesen Stellen noch tiefer sein. Peary hat jedenfalls be-wiesen, daß sich ein Me�r von erheblicher Tiefe über den Nordpolerstreckt und damit die Vermutung bestätigt, die schon im achtzehntenJahrhundert die Walfänger im Nordpolargebiet geäußert hatten.Schon damals nämlich fiel es auf, daß sich in günstigen Jahrenoffenes Meer bis in hohe Breiten eröffnete. Es ist sogar wahrschein-lich, daß nianchc englische Walfangschiffe vor mehr als 299 Jahrenbereits so hohe Breiten wie 82 bis 83 Grad in offenem Wasser er-reicht haben, ein Erfolg, der dann erst nach langer Zeit wieder er-rungen wurde. Einige holländische Schiffe behaupteten damalssogar bis zu 89 Grad, also ganz nahe an den Pol, gelangt zu sein,wurden aber von sachverständiger Seite widerlegt.Peary trennte sich bekanntlich von seinem letzten europäischenBegleiter, dem Kapitän Bartlett, in der Breite von 87 Grad und<48 Minuten. Die Strecke von diesem Punkt bis zum Pol beliefsich also auf rund 249 Kilometer, die von Pearh!n fünf Gewalt»Märschen überwunden wurde. Wenn überhaupt ein Polarreisenderder Gegenwart zu einer so ungewöhnlichen Leistung befähigt seinkonnte, so Ivar es Peary. Das geht am besten aus der Uebersichthervor, die der Reisende selbst von seiner Laufbahn als Polorfor-scher gegeben hat. Nicht weniger als acht Reisen hat er ins arktischeGebiet unternommen, 6 von ihnen mit dem bestimmten Plan, denPol zu erreichen, und mehr als 12 Jahre seines Lebens hat erinnerhalb des nördlichen Polarkreises zugebracht. Die erste Reiseunternahm er vor nunmehr 24 Jahren, also im Jahre 1886. Erdrang auf dem grönländischen Inlandeis von der bekannten Disko-bucht aus ungefähr 169 Kilometer nach Norden vor und gelangtebis zu einer Breite von nicht ganz 79 Grad, dafür in eine Meeres-höhe von 2399 Metern. Die folgende Reise fiel in die Jahre 1891und 1892 und erstreckte sich über 16 Monate. Bei dem Vormarschgegen Norden, der 899 Kilometer betrug, erlitt Peary einen Bruchdes rechten Beines. Der Haupterfolg war die Entdeckung der In»dependencebay an der Nordküste von Grönland und der Nachweisder Jnselnatur dieses Festlandes. Die höchste erreichte Breite war81 Grad 35 Minuten. Schon im Jahre 1893 befand er sich dannwieder im Polargebiet, diesmal für 27 Monate. Bei dieser Gs»legenheit entdeckte er die berühmten Meteoriten am Kap Dork.Seinen Breitenrekord schlug er aber nur um 5 Minuten. Der Ver-such, auch die größte dieser vom Himmel gefallenen Massen nachseiner Heimat zu schaffen, mißlang im Jahre 1896 und wurde erstim folgenden Jahre von Erfolg gekrönt. Seitdem befinden sichdie Vereinigten Staaten im Besitze des größten bekannten Meteor-steincs der Welt. Einen weiteren Fortschritt gegen den Pol er»zielte Peary erst im Jahre 1899, aber wieder nur um westere 19 Mi-nuten, also bis 81 Grad 59 Minuten. Im Jahre 1999 kam er dannbis 83 Grad 59 Minuten, im Jahre 1992 bis 84 Grad 17 Minuten,im Jahre 1996 bis 87 Grad 69 Minuten und im Jahre 1999 end-lich bis zum Nordpol. Diese etwas trockene Aufzählung durftePeary in feinem Vortrag nicht vermeiden, denn es gab kein besseresMittel für ihn, seine Qualifikation zum Nordpolentdecker nachzu-weisen. Zweimal hatte er sein Schiff durch das Eis bis zumhöchsten jemals auf der westlichen Halbkugel erreichten Punkt hin-aufgeführt und bis zum höchsten Punkt, den überhaupt je ein Schiffunter eigenem Dampf errungen hatte. Viele andere Schiffe habenversucht, ihm dieses Meisterstück nachzumachen, aber sie sind entwederzugrunde gegangen oder auf halbem Wege umgekehrt. Vielleichtseine glänzendste Leistung und eine der erstaunlichsten, die imKamps um den Nordpol überhaupt verrichtet worden ist, war seineHeimreise im Jahre 1996, als er den„Noosevelt" durch das schwersteEis und unter einer unermüdlichen Folge von Stürmen mit ge-brochenem Steuerruder und Achtersteven, mit beschädigten Schrau-ben und unter fortwährender Tätigkeit der Pumpen glücklich bisin einen sicheren Hafen führte. Als das Schiff nach dieser Reisegedockt wurde, war es eine Sehenswürdigkeit, die mit Recht vonvielen mit der größten Verwunderung bestaunt wurde. Wer solcheTaten zu vollbringen imstande ist, dem mag freilich das Vertrauenin ausserordentlichem Grade entgegenkommen, und daraus erklärtes sich, daß Peary sofort mit einer Gläubigkeit als Nordpolentdeckerbegrüßt wurde, die seinem Nebenbuhler nicht zuteil wurde. AuSseinem Munde klingt auch die Behauptung, daß seine Leistungs-fähigkeit bei der letzten erfolgreichen Reise mit jedem Tage zunahm,statt etwa sich zu vermindern, nicht wie eine Renommage. Denletzten Teil der Strecke durchmaß Peary bekanntlich mit seinemschvarzen Drener Henson und drei Eskimos. Zur Beförderunghatte er 5 Schlitten und 49 seiner besten Hunde. Er rechnete dar-auf, den Pol in fünf Märschen von je 25 geographischen Meilenletwa 49 Kilometer) zu erreichen. Am Ende des fünften Marschesverzog sich die Bewölkung des Himmels soweit, daß es Peary mög-lich wurde, ungefähr zur örtlichen Mittagsstunde die Breite von89 Grad 57 Minuten zu bestimmen. Nach einigen Stunden bracher von neuem mit einem ganz leichten Schlitten, der nur Jnstru-mente trug und von einem doppelten Hundegespann gezogen wurde,wieder auf, drang noch weitere 16 Kilometer vor und konnte, da sichder Himmel glücklicherweise wieder aufklärte, neue Beobachtungenaufnehmen, die ihm zeigten, daß er bereits etwas über den Polhinausgegangen war. Nach seiner Rückkehr zum Lager machte ernoch eine Reise von 13 Kilometern ostwärts und führte noch mehrereBeobachtungen aus, die seine Ueberzeugung befestigten, daß er denPol erreicht und überschritten habe. Wenn etwas an dem Verlaufdieser Expedition zu bedauern bliebe, so ist es der Umstand, daßdie letzten Lotungen in den höchsten Breiten nicht ganz zum Zielgeführt haben. Die erwähnte Lotung von 1269 Faden, die nochKapitän Bartlett ausführte, wurde absichtlich nicht bis zum Meeres-<boden vorgenommen, weil Bartlett fürchtete, der Lotungsdrahtkönne dabei reißen. Peary hatte ihm aber ausdrücklich die größteVorsicht anbefohlen, weil er für eine ähnliche Messung in unmittel»barer Nähe des Pols den Apparat brauchen wollte. Leider wurdediese Absicht dennoch nicht erreicht, da bei der letzten Lotung von1599 Faden der Draht riß und verloren ging. Wie tief das Meeram Nordpol ist, bleibt also noch genauer festzustellen, und die Aus-führung einer solchen Messung würde allein eine Reise lohnen. Daskann um so mehr gesagt werden, als jetzt Hoffnung vorhanden ist,daß dxe Polarforschungen künftig von einem mehr wissenschaftlichenGeist getragen sein tvcrden als bisher, da st-tzt der Anreiz zur Ent»deckung des Pols geschwunden ist.__Verantw. Redakteur: Richard Barth, Berlin.— Druck u. Verlag: Hiomani«ucytruckecei u.Vertagsanilatl Paul Singer 8cCo..Berlin8V1.