Diese Worte verfehlten am Ende nicht, Gallardo zu be- ruhigen. Die Erinnerung an die frühere Eingeschränktheit machte ihn duldsam gegen die arme Frau. Schön. Die Ein- äugige mag bleiben, und es komme, wie Gott wolle. Und indem er fast rückwärts ging, um das gefürchtete Auge, den bösen Blick jenes Weibes nicht von neuem zu sehen, durchschritt er den Hof und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück, das an den Vorhof stieß.. Die weißen Wände bis Manneshöhe von Fayenceplatten besetzt, waren mit Plakaten von Stiergefechten geschmückt, die auf Seide von verschiedenen Farben gedruckt waren. Diplome mit schön verzierten Titelköpfen wohltätiger Gesellschaften erinnerten an die Stiergefechte, bei denen Gallardo unent- geltlich zu Gunsten der Armen mitgewirkt hatte. Unzählige Bilder des Stierfechters, aufrecht, fitzend, mit ausgebreitetem Mantel oder zum Stoß ausholend, zeugten vow der Sorgfalt, mit der die Zeitungen die Bewegungen und die verschiedenen Haltungen des großen Mannes wiedergaben. Ueber der Türe befand sich ein Bild Carmens in weißeni Schleier, der das Dunkel ihrer Augen noch mehr hervorhob, und mit einem Strauß von Nelken im schwarzen Haar. An entgegen- gesetzten Wand, über dem Sessel des Schreibtisches, schien der riesige Kopf eines schwarzen Stieres über den geordneten Zustand des Zimmers den Vorsitz zu führen. Seine Augen waren von Glas, das Maul glänzend gefirnißt, und ein Flecken von weißen Haaren war an der Stirn zu sehen. Den Kopf zierte ein gewaltiges Hörnerpaac mit feinen Spitzen, hell wie Elfenbein an der Wurzel und nach und nach in Dunkel bis zur Tintenfarbe an den scharfen Enden über- gehend. Ter Picador Potage erging sich in poetischen Ver- gleichen beim Anblick der enormen Hörner jenes Tieres, die so groß waren und so weit auseinander standen, daß ein Finke auf der Spitze des einen singen konnte, ohne auf der anderen gehört zu werden. lForisetzuiig folgt, x Die Ausstellung der Sezefftoti. IL Von Heinrich Hübner sind schöne, farbenfrohe, aber sehr beherrschte Interieurs vorhanden. Man sieht allerdings, wie diese geschmackvolle Korrektheit doch wieder die bei den übrigen erfrischende Unmittelbarkeit ausschließt(127, 123, 129). Das Bild B o n d y s(22) Pödicure, ein sehr schöner Akt in einer trotz der Seltsamkeit nicht unschönen Haltung, ist ein Zwitter zwischen Zeichnung und Malerei und wirkt so direkt unangmehm. Nirgends merkte ninn mehr, wie wenig diese Techniken zusammen- gehören. Nicht entfernt geht die sfigur in dem Zimmer auf, wie dies in der Natur der sfali ist; dasnr enthält das Werk jene leicht pathetische formale Schönheit der Jngres-Schüler. Riesig frisch, treu und ausdrucksvoll ist das Sprecbild Philipp F r a n ck s(ö3 Alt-Berlin). Es sind überhaupt noch eine Reihe Stadtbilder vorhanden, wie die guten Charlottenburger Laudschaftc» Werner H o f fm a n n s,„Schlotzgarten" und„Spree "(124,126), doch unterscheidet sich dieses eben durch den Grad der Neigung, mit der der Maler sich dem Stück Natur zuwendet— die Leidenschaft. Seine Farben treffen nicht nur den Ton und die Lichtvcrhältnisie, sondern drücken auch den Charakter, die Stimmung deS Dal- gestellten aus. Recht angenehm wirken auch trotz ihrer Schlichtheit die Land- schalten P o t i n e r s. Im„Kahn im Rohr"(203) ist die etwas nüchterne Farbe der märkischen Landschaft gut getroffen. Die „Sonnige Veranda"(206) ist voll Leben und Schönheit, trotz der Unscheinbarkeit des Vorwurfs. Klemm s.Eisplatz"(147) und.Eisschneiden", beide stark dckorativ-flächig gemalt, sind doch zugleich im Ausdruck recht kräftig und vertieft. Dogegen fällt bei den Landschaften Paul Baums allmählich, trotz der interessanten Wirkung der Farbteilung, eine gewisse Banalität in der Wahl der Landschaften auf. P a n k o k gibt sich in seinen Porträts<199, 200) ganz als Kunstgewerbler, der mit größerem Verständnis die anscheinend selbst entworfenen schönen bunten Vorhänge und Decken malt, als die hineingehörigen Leute. Das Bild deS Abgeordneten Haußmann er- schöpft mindestens nicht die Persönlichkeit, dafür scheint ihm der vornehme Durchschnittsmensch(199) mehr zu liegen. Deutsche Landschaften ohne fntbige Durchdringung, aber dafür ficht gehaltvoll find wieder von V o l k ni a n n<270 Bergknppe, 271 Erntereises Kornfeld) von Pietzsch,(201, 202 Jsarlandjchast) und von dem verstorbenen Otto Reiniger (200—211) aus- gestellt.— Einen Ansatz zum vertieften Porträt bildet das Bildnis Max Reinhardts(15) von B c r n e i s. Wieviel stärker ist hier, obgleich der Dargestellte, wie der Hai'zmann Pankoks nicht durch das Äuge in direkten Ksntalt mit dein Beschauer tritt, ohne jenen Aufwand an Kleinarbeit, in großen Linien und'wenigen Farben ein ganz besonderer Mensch gekennzeichnet. Nach derselben Seite, nur allmählich recht doktrinär und wie erstarrend in den einmal gefundenen Ausdrucksformeln, wenden sich auch Hobler, Münch und M a t i s s e. Gemeinsam ist den dreien, daß sie durch die Mittel der Farbe und einer ganz auf den Zweck hin verstärkten Form sehr komplizierte innere Vorstellungen hervorzurufen suchen, Vorstellungen, die wir in der Regel in das Unterbewußtsein legen. Im Bilde 179 malt Münch nickt bestimmte Krankenpflegerinnen, sondern sucht das eigene peinliche Uiilustgefühl, das mit dem Anblick von Krankenhäuslern verbunden ist, zu erwecken, wie er in den»Badenden Männern" (180) den Eindruck der Zerrissenheit und Disharmonie des Naturbildes zu erhalten wünscht, wie er früher das„Schreien" in der Namr radierte. Sehr nahe steht ihm der Pariser Matisse, der nur zur Wiedergabe seiner„Gesichte" und nicht minder qualvollen Eindrücke die Farben absichtlich und zielvoll so grell im„Mädchen mit der Katze"(166), oder so stark betäubend iui„Knaben in Landschaft(165) milbenutzt. Wie auch Hobler gibt er nur das, was zu dem Hervor- bringen des Eindrucks nötig ist; und in einer Form, die jede Ab- lenkuug auf nebensächliche Details unmöglich macht. Bei Hobler ist im„Mäher"(121) und im„Holzhauer"(122) das Unterstreichen und Herausarbeiten zum gewollten Eindruck besonders leicht wahrnehmbar. Ist bei diesen beiden Bildern das Vorzeigen, Mitwirken des Muskekgerüstes wesentlich und sinnvoll, so wirft dieses Mittel im„Blick ins Thal"(123) bereits maniriert. In dem großen dekorativen Bild, das nachträglich der AuS- stellung eingefügt worden ist, strebt Hobler durch- die Verbindung einer Reihe von Figuren in bestimmten Halmngen entsprechende rythmische Vorstellungen an und will damit wieder das„Aufsteigen deS Tages" und ähnliche Vorgangsreihen zusammenzufassen, eben» falls wie Matiffe durch eine strenge Unterordnung, Srarrheit der ein- zelnen, die Aufinerksainleit auf seine Idee hinzwingen. Sind diese drei zugleich nicht minder kraftvoll im Erfassen der Farbe, so wirkt Ludwig v. Hofmann mit seinem anmutigen Reigen bedeutend schwächer und vor allem unwirflichcr(126). Seine Mädchen scheinen Schemen aucb an innerer Lebenskraft. Sehr schön in ernster Ruhe wirkt auch das Bauernporträt von Hobler(ohne Nummer), das den Wunsch erweckt, eine größere Reihe seiner Porträts kennen zu lernen, zumal unsere Bildniskunst nach wie vor sehr im Argen liegt. Von T h o m a ist eine semer zarten, schön geschwungenen Mittel- gebirgslandschaften in der ihm eigenen, innigen Durcharbeitung, die hier Beseclung bedeutet, vorhanden(238, Hochsoiiimerwolken). Nicht gar zu ferne steht ihm als Landschafter Thomas Theodor Heine in seiner„Idylle"<107 u). B e ck ni a n n zeigt in der„AuSgießung de§ heiligen Geistes"(10) nicht nur als Folge seiner großen Aftkompositionen eine große Zu- verläsfigkeit in der Ausstellung seiner Menschen, es kommt diesmal auch zum Geständnis eines nicht minder stark disziplinierten Farben- finnes. Entwickelt er sich auch kaum nach dieser Seite, da er sich einzig der großen Darstellung zuwendet, ohne sie eigentlicki ausfüllen zu können, so gab ihm doch auch da- nur vorübergehende Zusammen- gehen mit den reinen Jinpressionisien einen erheblichen Grad Freiheit in der Farbgebimg. Besonders. erfreulich wirkt diesmal Brockhusen mit den beiden intensiv gesehenen Hafenbildcrn ans Nieuport(32, 33). Man möchte in ihnen abermals einen Beweis sehen, wie sehr die märkische Landschaft unsere Farben durch ihren stillen Charakter dämpft, denn sowohl die früheren Arbeiten Brockhusens als auch die diesmal ausgestellten märkischen Bilder wirken nicht im Ton, wohl aber in der Kraft der Farben stiller— eben weil diese.Stille" in unserer Landschaft liegt. Schließlich sind Kurt Hertmann und HanS Meid als charakieristischc und aussichtsvolle Verfechter der rein malerischen Formgebung zu beachten. Herrmann(112 Fliederblüte im Park des Schlosses Bclvedere bei Weimar , 113 Schloß Belvedere , 114 Früchte) setzt lediglich Monet fort, unter besonderer Bemühung um Vereinfachung, Zusammenfassung auf das notwendigste in der Farbe. Es gibt von jedem Gegenstände, sowohl in der Form als auch nach der Farbe gleichsam„Brennpunkte", die uns die Borstellung des Ganzen geben. Die Farbe selbst ganz zu fassen und auf kürzestem Wege damit den Gegenstand erschöpfend zu charaverifieren, das märe die nunmehr erstrebten Aufgabe der neueren Malerei, die mit der Impression anfing. Hans Meid (im Hanptsaal, 167 BenuSberg, 168 Der verlorene Sohn, 169 Frauen am See) lentt allerdings in diesen sckiöne» Bildern durch den Reichtum seiner Phantasie und das an Slevogt erinnernde Teniperament von seiner Technik etwas ab. Auch kann er lediglich als Beispiel gelten, wie man nur mit Farbe einen lebendigeren, fließenderen Vortrag erbält, weder von Knappheit noch Lelonomie der Farbe kann die Rede sein. Kommen wir nun zu den drei Sonderkollektionen, so werde» wir Trübner als den Stärksten und Wertvollsten an erster Stelle nennen, auch wenn Zorn im Moment mehr zu geben scheint und H a b e r m a n n der lebhaftere ist. Was den Trübner- Saal so besonders macht, ist das starke Gefühl der Sammlung, der Konzentration, Beriunerlichung. Dabei ist Trübner sehr lebhaft, noch reich an gestaltender Phantasie. Seine Größe ist eben neben einer imponierenden Technik der Ernst der Darstellung, die starke Liebe zu seiner Arbeit. Dann allerdings
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27 (13.5.1910) 92
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