»Die find zur Welt gekommen,' sagte der Zeisig.»Millionen und Billionen und Trillionen. Sie find über uns hergefallen, gleich «wer schwarzen Wolke und haben das Ganze aufgefressen.- »Mit dem GraS und den Blättern mag es hingehen," sagte die Schwalbe.»Aber wo find die Kühe und Pferde und Menschen ge- blieben? Die haben sie doch nicht frefien können." »Nicht so unmittelbar," antwortete der Zeisig.»Wer nun sollst du hören." Da bekam die Schwalbe plötzlich Angst. ES fiel ihr ein. daß das Heuschreckenweibchen sich so genau nach dem grünen Lande im Norden erkundigt und ihren Kindern in den Eiern zugeflüstert hatte, daß sie dorthin ziehen sollten. »Um Gottes Willen... sag mir zu allererst, wohin die Heu- schrecken gezogen find." fragte sie. «In den Tod." erwiderte der Zeisig.»Nicht viele von ihnen find mit dem Leben davongekommen." Erzähle." sagte die Schwalbe beruhigt. Und der Zeisig erzählte. Daß sie gekommen wären, wie fie zu kommen pflegten, und daß sie am Himmel gestanden hätten als eine ungeheure schwarze Wolke. die dann über du Insel niedergefallen wäre. Die Wolke wäre größer als die Insel gewesen, so daß viele der Tiere ringsum ins Meer ge- fallen wären. Und nur einen Tag hätte es gedauert, bis alle grünen Hälmchen aufgefrefien waren. «Und was dann?" fragte die Schwalbe. «Dann entstand am Abend ein entsetzlicher Shmn," berichtete der Zeisig.»Noch nie habe ich solch einen Sturm erlebt. Die Dächer flogen von den Häusern, die Bäume im Walde zerbrachen und die Wogen' rollten in Bergeshöhe auf die Küste zu. Und dieser Sturm Vernicktete das ganze Heuschreckenheer. Als er vorüber war, da war das Meer, soweit man sehen konnte, mit toten Heuschrecken bedeckt. In vielen Schichten lagen sie da, gleich einer dicken Decke, die auf und nieder wogte. Das User war ganz mit Leichen an- gefüllt und jedet Wellenschlag brachte mehr und mehr heran. Zuletzt umgab ein gewaltiger Wall von toten Heuschrecken die ganze Insel. Denn es war gleichgültig, woher der Wind wehte; das Meer war überall voller Leichen, und sie trieben hierhin und dorthin und endigten sämtlich auf der Insel. »Das war gut für fie", sagte die Schwalbe. .Vielleicht," sagte der Zeisig.»Aber es war nicht gut für uns. Denn dann kam die Pest." «Erzähle," bat die Schwalbe. «Es ist bald erzählt," sagte der Zeisig.«Auf den Sturm folgte eine Windstille, und dann folgte viele Wochen hindurch eine solche Wärme, wie sie noch niemand erlebt hatte. Die Sonne brannte vom Morgen bis zum Abend hernieder, die Bäume ließen ihre entblätterten Zweige hängen, alles Wasser trocknete ein, und Tiere und Menschen saßen still da und ächzten und konnten sich kaum bewegen. «Und dann?" Dann kam die Pest," fuhr der Zeisig fort.«Die toten Heu- schrecken verfaulten, und eS entstand ein entsetzlicher Gestank, der sich mit jedem Tage verschlimmerte. Ein ganzer Nebel von Gift und Fäulnis lag über der Insel. Die Tiere wurden krank und die Menschen wurden krank. Die Fliegen fielen tot aus der Lust herab, die Vögel piepten und waren im selben Augenblick entseelt. Die Pferde und Kühe stürzten tot zu Boden. Die Menschen seufzten auf, wo sie saßen und Oualen litten, und dann war es vorbei. Es war die Pest, die alle lebenden Wesen ergriff. Ich bin der einzige Ueberlebende auf der Insel, und ich sterbe, bevor es Abend wird." «Das ist ja«ine grauenhaste Geschichte," sagte die Schwalbe. «DaL einzige Gute daran ist, daß auch die Heuschrecken tot find. Das kommt davon, wenn man den Mund zu weit aufwt. Und dann spuckten sie obendrein ihr Futter wieder aus. Hätten sie wie andere ordentliche Leute gegessen, so wäre genug für sie und für uns alle vorhanden. Ich will daran denken, es da unten zu sagen, wenn ich in das Land komme, wo sie wohnen. Wie seltsam I Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schön das Heuschreckenweibchen Violine spielte!" Sie saß ein Weilchen da und dachte über die Sache nach. Dann lüftete sie die Flügel. «Fetzt muß ich fort." sagte sie.Willst du mit?" Der Zeisig antwortete nicht. Er war vom Zweige hinabgefallen und lag tot auf der Erde. Da flog die Schwalbe allein weiter. RalTetimaKige Vcrfchicdenbcit des Scbönbcitöideala. «lieber den Geschmack läßt sich nicht streiten!" sagt ein latei- nischcs Sprichwort, an das man erinnert wird, wenn man die Vcr- schiedenheit der Schönheitsideale bei den Völkern einer selbst nur flüchtigen Betrachtung unterzieht. Bei uns ist das sozusagen ofsi- ziell anerkannte Schönheitsideal die schlanke, dabei aber doch wohl- proportionierte Frau. Der Orientale bevorzugt, ja er züchtet m manchen Fällen die Uebcrfüll« der Formen. Den Arabern ist die abstoßende Wirkung einer Frau mit geringer Fettablagerung geradezu sprichwörtlich. So beißt beispielsweise ein arabisches Sprichwort:Scheußlicher als eine sauertöpfische und magere Frau!" Die arabischen Dichter feiern die Schönheit des Weibes in überschwenglichen Bildern, die. wenn sie auch oft weithergeholt scheinen, doch durchaus konkret-sinnlich sind. Ein treffendes Beispiel für diese semitische Dichtungsart ist das Hohelied, hinter dessen naivsinnlichcr Schilderung weiblicher Körperschönheit tiefsinnige Symbole gewittert wurden, wodurch dieser Hymnus auf Weibes� schönheit unbeanstandet einen Platz in der Bibel fand. Imwohl- riechenden Garten" des Scheich Nefzawi findet sich der arabische Schönheitskanon klar ausgedrückt. Besonders bezeichnend für den erotischen Geschmack ist darin folgende Stelle:«Damit eine Frau den Männern gefalle, muß sie wohlbeleibt sein. Ihre Haare müssen schwarz, ihre Stirne breit sein. Ihre Augenbrauen müssen das Schwarz der Neger besitzen, ihre Augen müssen vollkomnien groß und von reinem Schwarz, das Weiße darin klar sein. Ihre Wangen müssen vollkommen oval sein, sie muß eine feine Nase und einen anmutigen Mund besitzen. Ihr Hals sei lang und ihr Nacken kräftig, der Oberkörper breit. Ihre Brüste müssen fest und voll sein, der Bauch ebenmäßig, der Nabel wohlentwickclt und tief- eingesenkt. Ihre Schenkel und ihre Hinterbacken müssen hart sein. Die Lenden müssen breit und voll abfallen. Die Taille sei wohl- gebildet, Hände und Füße müssen von ausgesprochener Eleganz sein, die Arme sollen fleischig sein, und breiten Schultern zur Einfassung dienen. Wenn man eine Frau mit diesen Eigenschaften von vorne betrachtet, ist man bezaubert, wenn man sie von hinten ansieht, stirbt man vor Entzücken. Sitzend ist sie ein gewölbter Dom, liegend ein weiches Lager, stehend eine Fahnenstange." Die Vorliebe für die enornien hintern Formen tritt, abgesehen von den Arabern, noch bei einigen anderen Völkern auffallend in die Erscheinung, so bei den mohammedanischen Südslavcn, den Somali, den tunesischen Juden, und recht häufig als Ausdruck in- dividuellen,, nicht nationalen Geschmacks, auch bei den Europäern, wo aber, gemäß den allgemeinen Anschauungen, die Pflege solchen Schönheitsideals nur versteckt, nicht offen getrieben wird. Auf afrikanischem Boden bedienen sich einige Völker einer ein- fachen Methode, um die etwa mangelnde Fettleibigkeit bei ihren Frauen auf künstlichem Wege hervorzurufen. Von den europäischer Kultur am nächsten stehenden unter diesen Völkern sind die tune- sischen Juden zu erwähnen. Bei ihnen läßt man die Mädchen bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahre sich ungehemmt entwickeln. Maupassant sagt von den jungen tunesischen Jüdinnen:Wie eine Schar flüchtiger Elfen eilen die halberwachsenen Töchter der tune- sischen Juden durch ihre Straßen. In grünen, roten, blauen und weißen Hosen, in vielfarbigen hochhackigen Stiefeln, das dunkel- haarige Köpfchen von einer spitzen oder flachen seidenen Mütze be- deckt, an der langherabwallende Schleier flattern, sind sie eine Verkörperung jugendlicher Anmut und Beweglichkeit." Aber bald ändert sich das Bild. Das junge Mädchen soll verheiratet werden; um aber einen Freier zu finden, muß sie sich erst einer sechswöchigen Mastkur unterwerfen. Während dieser Zeit besteht ihre Nahrung nur aus Mehlspeisen, Reis und Milch. Diese Diät, verbunden mit tunlichster Vermeidung jeder Bewegung und Anstrengung ver- wandelt das schlanke Geschöpf innerhalb sechs Wochen in ein von Ueberfülle strotzendes Weib, das nun in der eigenartigen Hosen- tracht, von weißen Tüchern eingehüllt, schwerfällig daherwatschelt, und an den Vergleich mit einem Elefanten erinnert, den ein ara- bischer Dichter mit Vorliebe für seine Frauengestalten gebraucht. Ein mehr oder minder auffälliger Grad von Steatopygie sFett- steiß) findet sich in den verschiedenen Gegenden des afrikanischen Südens. Besonders bei den Hottentotten tritt die Steatopygie so stark in die Erjcheinung, daß sie ein Nassenmcrkmal dieses Stammes geworden ist. Außer dieser auf physiologische Ursachen zurückzu- führenden Steatopygie sind die absichtlich durch Mästung pro- duzierten Fälle von extremer Entwicklung des Fettgewebes beim weiblichen Körper unter den afrikanischen Stämmen häufig. Die stärkste Anwendung findet diese Sitte heutzutage in Karagwe am Westufcr des Viktoriasees in Deutsch-Ostafrika . Folgende Schilde- rung des englischen Forschers Speke gibt ein anschauliches Bild davon. Er berichtet:«Da ich von Musa(d. h. dem damaligen König) gehört hatte, daß die Frauen des Königs und der Prinzen o gewaltig gemästet würden, daß sie nicht mehr aufrecht stehen önntcn, machte ich am Nachmittag dem ältesten Bruder des Königs, Wazezern, meine Austvartung, in der Hoffnung, mich von der Richtigkeit dieser Angabe selbst überzeugen zu können. Es ver- hielt sich auch tatsächlich so. Als ich die Hütte betrat, fand ich den alten Mann und seine Hauptfrau auf einer mit Gras bestreuten Erdbank, die zudem für Schlafräume abgeteilt war, nebeneinander sitzen, während ihnen gegenüber zahlreiche hölzerne Milchiöpfe auf- gestellt waren. Ich war sehr erstaunt über den außerordentlichen Umfang der bei aller gefälligen Schönheit unmäßig fetten Frau. Sie konnte sich nicht erheben, und ihre Arme waren so dick, daß das Fleisch zwischen den Gelenken wie dicke, locker gestopfte Würste her- abhing. Im Laufe des Gesprächs fragte ich, was sie mit so vielen Milchgeschirrcn täten. Wazezern gab mir die Lösung des Rätsels, indem er auf seine Frau deuteiw sagte:Hier ist das Produkt dieser Geschirre. Von früher Jugend halten wir ihr die Milchgefäße an den Mund, denn es ist am Hofe Sitte, sehr fette Frauen zu haben." Die erhaltenen altägyptifchen Bildwerke, auf denen man ge- mästete Frauen dargestellt findet, beweisen, daß die Frauenmästung eine uralte Einrichtung in diesem Teile Afrikas ist. Dabei muß besonders auf den Umstand hingewiesen werden, daß die in den