kungSvolle Straßenabschlüsse bedacht. Eine Großtat war auch die Verwandlung der alten Wälle in einen Kranz der prächtigsten Promenadenwege, Avenuen mit vielen Reihen hoher, alter Bäume, die das ganze Weichbild der Stadt umziehen. Um solcher Schönheiten willen sieht man gern über moderne Scheußlichkeiten hinweg, zumal man ja von Deutschland her noch schlimmeres gewohnt ist. Brüssel, Ja. noble"(die stolze), findet so leicht nicht ihresgleichen. Dr. Hermann Hieber. Zehn Jabre Radium. Von R. France. In unserer jubiläumssüchtigen Zeit ist der zehnte Jahrestag einer Entdeckung im Begriffe, unbemerkt vorbeizugehen, trotzdem gerade sie, viel mehr als andere hochgepriesene, Aussicht hat. daß ihr Geburtsdatum als Wendepunkt einer, zwei Geisteswelten scheidenden, neuen Zeit gelten wird. Schon jetzt deutet manches darauf, daß wenigstens dort, wo die Wissenschast die Geistigkeit bestimmt, sehr bald von einem Zeitalter vor der Entdeckung des Radiums und von einem besseren nach dieser Entdeckung ge- sprochen werden wird. Radium. Wie modern mutet dieser Begriff an und schon ist er zehn Jahre alt. Im Jahre 1900 entdeckte nach manchen Vorgängern das Ehepaar Curie dieses Element, das in einem tieferen Sinne des Wortes seine Welt zertrümmert. Schon läßt sich heute eine Geschichte der Radiumwissenschaft schreiben, eine Geschichte von geistigen Revolutionen und wissen- schaftlichen Umwälzungen, die nur deshalb noch nicht allgemein als Weltereignis gelten, weil sie, wie diefranzösische Revolution", erst in demi-Stadium sind, da sie der König noch für eine Brot- revolte hielt, die Wissenschaft aber weiß in Wirklichkeit sehr wohl, daß sie in ihrer eisigen Welt mit dem Radium auf eine Scholle geraten ist, die sich vom Lande löste und nun unaufhaltsam hinaus- treibt in ferne, unbekannte Meere. Ich habe' die Absicht, hier in großen Umrissen darzustellen, welche Wandlungen unseres Weltbildes durch das Studium des Radiums bereits eingetreten sind. Den Gebildeten wird immer wieder erzählt, daß eS das Wunderbarste am Radium sei, wie es stets leuchte und Wärme ausstrahle, ohne von seiner Masse zu verlieren, daß es so teuer sei, daß 1 Kilogramm 150 Millionen Mark kosten würde, daß es auf Pflanzen und Tiere eigenartig wirke, in den heilkräftigen Quellen, im Padeschlamm, den die Rheumatiker brauchen, vor- handen sei und'da wohl die Rolle desBrunnengeistes" spiele, und daß es dreierlei Strahlen und eineEmanation" habe; daß es wahrscheinlich diese sei, die das Höhenklima von Arosa so wunder- tätig gestalte. Das alles sind aber Nebensachen. Nicht einmal die so vielbesprochene Umwandlung der Emanation in ein anderes Element, in das Edelgas Helium, hätte das Radium in den Mittelpunkt aller Denkerfragen gerückt, wenn nicht Namsay und Rutherford, zwei der besten Köpfe des zeitgenössischen Englands, ihre Gedanken daran gesponnen hätten. Als sich aber zu den Experimentatoren auch die Denker gesellten, da wankten die Grund- Pfeiler der alten Welt im vollsten Sinne des Bildes. Radium ist ein. Element und verwandelt sich in Helium. Das ist für einen Chemiker der alten Schule etwa dasselbe wie für meine Mitmenschen, wenn ich in zwei Gestalten erscheinen könnte. Das Radium schleudert Teilchen von sich ab und vermindert da- durch sein Atomgewicht. Sein chemischer Bau zerberstet, seine Atome zerfallen. Es ist nicht ewig, es hat eineLebensdauer". Sie ist allerdings lang; für Radium hat man die Lebensdauer auf 1760 Jahre berechnet, für andere radioaktive Substanzen, wie das Thorium, auf mehr als 14 Milliarden Jahre. Das alles sind Dinge, die nach der herrschenden Anschauung vom Bau der Materie nicht möglich sind. Ein Atom, der kleinste Teil jeder Substanz, ist, wie schon der Name andeutet, unteilbar; es ist auch un- vergänglich. Radium und seine Verwandten überzeugten uns vom Gegenteil. Heute wissen wir: ES gibt keine Atome und keine unwandelbaren Elemente. Das Uranium, ein schweres, grau- schwarzes Metall der Erdrinde, zerfällt; es wird zu Radium, zu telium, Polonium, Aktinium; es endet wahrscheinlich als Blei. as Thorium, das in allen Gasglühlichtern glüht, zerfällt, wie es scheint, zu Wismut , zu dem rötlich-weißcn Aschbleimctall, aus dem wir Medizinen, weiße Schminke und Porzellanfarben machen. Ramsay behauptet, aus der Kieselsäure, aus reinem Blei, also aus Elementen, Kohlenstoff erzeugt zu haben; das macht den Traum der Alchimisten wahr. Versteht man nun unsere scheinbar übertriebenen Bilder vom Zusammenbruch einer alten Welt? Die Chemie und die Physik mußten sich ihr Weltbild neu konstruieren. Rutherford, Ostwald und Nernst haben dies mit bewunderungswürdigem Scharfsinn begonnen, dazu mit einer Kühnheit und Kraft der Phantasie, die sie zugleich zu großen Künstlern des Denkens stempelt. Wenn man ihre Folgerungen hört, ohne die Beweise zu kennen, erschrickt man vor der Ungewohnhcit, Unfaßlichkeit, vor der scheinbaren Unmöglichkeit solcher Borstellungen. DaS neue Weltbild verlangt von uns, daß wir die Materie, die alt- gewohnten,felsenfesten" Dinge als Schein, als Täuschung an- sehen. Die neue Physik sagt uns: Es gibt keine Materie, es gibt nur Energien; es gibt nur eine einzige Energie, und da? ist die Elektrizität. Sie baut das Weltall auf; als Elektron durcheilt sie mit Lichtgeschwindigkeit den Raum; die Elektronen gehen Ver» bindungen ein und wirken dann als Atom; ihre Geschwindigkeit wechselt und nur dadurch täuschen sie Masse vor; in ihnen ver- birgt sich das Geheimnis von Licht, Wärme, mechanischer und wohl auch Geisteskraft. Sie erfüllen den Raum mit einem Reigen von Gesetzmäßigkeiten; alsUratome" führen sie alle Schönheit, Bedeutung, Lust und Leid der Welt auch wieder dorthin zurück, woher sie wie eine Welle für den Moment auftauchten, in den Ozean der Urenergie. Im Anfang und am Ende ist nicht der Stoff, sondern die Kraft. Nüchtern heißt dies Zauberbild, das die neue Physik fest- zuhalten sucht, Elcktronentheorie. Noch steht sie mitten im Kampfe. Wir wissen erst, daß der alte Materialismus gestürzt ist. Nur das ist sicher. Ilm das Neue zu ringen ist höchste Lust für die Menschenkinder, die in dem Wirbel der Unbegreiflichkelten die unbegreifliche Sehnsucht haben: als Teil das Ganze zu be- greifen. Und all diese Wandlungen und Großtaten des Menschen- geistes gingen hervor ans dem sanften Glimmen des Zehntel- grammsRadiumchlorid", das vor zehn Jahren zum erstenmal in dem kleinen Pariser Laboratorium sich in einem erstaunten Menschcnauge spiegelte. Wer sich das klar zur Empfindung bringen kann, den umwittert etwas von den Zauberwirkungen einer höchsten dichterischen Leistung, geschaffen von der Wirklich- keit im Drama der Menschheit. Rleines feuilleton. Achtjährige Schriftsteller. Otto Anthes , nach Gurlikt»der einzige vernünftige deutsche Oberlehrer", hat sich vor ein paar Jahren in einer tapferen und klugen Schrift mit viel Temperament gegen die elende Methode der in unseren Schulen üblichen Aufsatz« schreiberei gewandt. Er nannte die geistlose, trockene, schulmeister- lich-pedantische Schablonisiererei, die da ihr Unwesen treibt, einen papiernen Drachen", der fruchtbares Kinderland verwüste, indenr erdie eingeborene und in die Schule mitgebrachte lebendige Kraft der Bildlichkeit und Anschaulichkeit systematisch ertötet und an deren Stelle eine kraft- und saftlose unsinnige Redeweise setzt". Anthes vertritt den unzweifelhaft richtigen Standpunkt, daß die in weitesten Volkskreisen wahrzunehmende Armut und Unper- sönlichkeit im schriftlichen(wie mündlichen) Gedankenausdruck zurückzuführen ist auf den in den Schulen geübten Unfug, nicht den Trieb und die Fähigkeit des Kindes zu selbständigem schriftlichen Produzieren und eigenkräftigem Gestalten tätig sein zu lassen. sondern ihm die Ansichten, Urteile und Gedankengänge des Lehrers aufzuzwingen, so daß es in ein Schema gepreßt wird und seine eigenen sprachbildnerischen Fähigkeiten verkümmern. Das Kind erlebt nichts, reproduziert nichts Eigenes, schafft und gestaltet nicht von Innen heraus, sondern wird in eine fertige fremde Form gezwungen, vom Lehrer nach einer Schablone zurechtgestutzt und zum geistigen Wiederkäuen abgerichtet. Es sagt und schreibt nicht das, was es sagen möchte, was es weiß und fühlt und denkt, an Urteilen, Meinungen und Ideen in sich trägt und erzeugt, sondern das, was der Lehrer ihm vorsagt und vordenkt, mit ihm durch- genommen und durchgepaukt hat. Neben Anthes haben auch andere Schulreformer die Gängel- bandführerei des Aufsatzunterrichts entschieden verurteilt, besonders die Bremer Pädagogen Ulbricht und Scharrelmaun. Hauptsächlich die Anregungen des letzteren haben eine Wiener Pädagogin ver- anlaßt, 8 8)�jährige Kinder der 3. Volksschulklasse aus freier Hand heraus kleine Aufsätzchen schreiben zu lassen. Da gab es kein Vorbereiten und kein Ausnötigen fremden Stoffes, keinen geist» losen Mechanismus und kein»ödes Papageientum. Alles war eigenes Produkt.Die Kinder wurden in eine Plauderei ver- wickelt: Wias möchtest du am liebsten können? Wohin reisen? Was würdest du machen, wenn du der Lehrer wärst? Unversehens wurde die Plauderei abgebrochen und das Kind angewiesen, die Antwort niederzuschreiben, kurz und bündig, ohne Rücksicht auf, Orthographie, Grammatik und Stil. Und siehe dal Sie schrieben mit Lust, mit wahrer Wut. Und nicht ein Hauch von Affektion, keine Spur von Absichtlichkeit, kein Schweiß. Wir erhielten geradezu Urbilder der kindlichen Psyche, Momentphotographien, deren Wert über das Pädagogische weit hinausreicht." AuS der Sammlung der IbS Aufsätzchen, die bereits in 2. Auf- läge vorliegt*), seien einige Proben hier wiedergegeben: Was ich am lieb st en werden möchte. Ich möchte am liebsten Malerin werden und sehr viel Sprachen lernen. Ich möchte auch Mineraljen sammeln u. Münzen, ich habe schon einige. Ich möchte auch noch sehr viel Musik spielen. Wenn ich Sprachen lerne hat es nur den Grund, das es sehr lustig ist. Mama möchte ich auch werden; ich würde die schwachen Kinder zuhause lernen lassen, die starken in der Schule. Wenn ich Malerin werde, so werde ich es nur um schöne Bilder zu malen, *) Der Schulaufsatz unserer Achtjährigen. 155 Originalaufsätze. Aus dem 6. Jahresbericht des Mädchen- lyzeumS von Frau Dr. Eugenie Schwarzwald . Mit einem Geleitwort von Dr. Rob. Scheu. 2. vermehrte Auflage Betta» von H. Heller u. Co., Wim I«