überfliegen hastig Sara.Ich hoffe, Du kannst was leisten; denn hier müssen wir uns gehörig tummeln!" Sara lächelt ihr freundlich zu; doch Boel achtet kaum darauf, und bald ist sie wieder mitten in der Arbeit. Auch diese gefällt Sara nicht. Sie geht hinein in ihre Cammer und wieder hinaus. Sie fühlt sich hier arm, fremd und über- flüssig- Da hört sie jemand kommen. Sie horcht mit den Ohren, den Augen, dem ganzen Körper. Sie stützt sich auf den rechten Fuss, der linke berührt den Erdboden nur mit der Zehenspitze, und der Kopf ist dem Laut der Schritte zugewandt, die näher und immer näher kommen. Einen Augenblick ist sie unsicher; sie denkt daran fortzulaufen. Aber dann steht Anders, der Sohn vom Wiesenhofe, grab vor ihr in dem klaren Licht des Nachmittags, das voll zu den grossen Fenstern des Brauhauses hereinströmt. Er drückt ihr warm die Hand und sagt erfreut:.Willkommen, Sara!" Sara ist eS, als käme mit ihm die Sonne ins HauS. Ihre Augen leuchten, und ihre Wangen brennen. Mit einem Male werden die kalten Räume des Hofes licht und warm, wie wenn plötzlich im Dunkeln ein grosses Feuer an- gezündet wird. Anders vom Wiesenhof sieht seinem Vater ähnlich. Er ist vollwangig, aber blaß; seine Augen find ganz hellblau, seine Lippen dick und dunkelrot, dazu hat er gelbeS, lockiges Haar. Sara dankt zurückhaltend und sucht ihre Freude zu verbergen. Es kommt jemand. Sarä schreitet leichtfüssig einher; sie ist nicht mehr allein; sie fühlt sich nicht mehr fremd hier. Der Widerhall ihrer eigenen Schritte Ängstigt sie nicht mehr. Ihre kleine Kammer liegt nach dem Garten hinaus. Der Fjord ist nicht weit; sie kann das singende Sausen von da drautzen hören. Lange steht sie da und lauscht. Und ihr Blick wird so ruhig, als sei siefröhlichen Herzens. Sie schüttelt sich leicht, und dann setzt sie sich, legt die Hände !n den Schoss und betrachtet des Tischlers Lars Meisterwerk. Sie besass bisher keine Kommode und findet diese so nett. Und dann ist es ihr Eigentum, für das sie lange gespart hat. Sie findet den Schlüssel und öffnet sämtliche Schubladen, eine nach der anderen, um zu sehen, ob das Zeug auch ordentlich liegt. Viel hat sie ja noch nicht. Sie nimmt eine neue weisse Nachtjacke heraus mit ausgezackter Halskrause und fängt an, sich auszukleiden. Das braune Wollkleid mag wohl geniert haben; denn sie reibt sich und streicht mit der Hand über den festen weihen Hals, wie liebkosend. Dann strafft sie das Hemd über der strotzenden Brust. Nachdem sie noch dies und jenes fingeriert hat, hüpft sie hinein in das saubere Bett, in dem sie sich recht behaglich ausstreckt. Und dann faltet sie die Hände. Gleich darauf umfängt sie ein leichter Halbschlummer; aber die Gedanken arbeiten noch fort. Sie sieht ein helllockiges Haupt vor sich und ein Paar rote, stark gewölbte Lippen, deren Winkel in einer dunklen Falte endigen, die ihr so gut gefällt. Und mit diesem Bild vor Augen schläft Sara ein. (Fortsetzung folgt.) Robert Schumann » 1810 8. Juni 1910. Als Takmensch und als Träumer stand Robert Schumann mitten in seiner Zeit. Bon einem tatkräftigen, rührigen, aus Drang und Not zu Wohlstand und Ansehen emporgestiegenen Vater erbte er Scheitslust und-kraft, Unternehmungsgeist und Geschäftssinn; von einer hochbegabten, aber zur Melancholie ge- neigten Mutter echte er Dichtergabe und Schaffensdrang, erfuhr er aber auch das.große Hemmnis, daß die kleinstädtisch denkende. auf bürgerliche Sicherheit bedächte Frau den Genius des Sohnes lange Jahre von seiner wahren Bestimmung zurückhielt. Bis er aus eigener Tatkraft den Zwang zerbrach und sich ganz der Musik ergab. Und dann kam der an Bitternis reiche Kampf um Klara Wieck gegen den Widerstand eines verstockten Vaters. Bis auch hier Schumanns Energie siegte und er die geliebte Frau und .Künstlerin heimführte ohne Einwilligung des Vaters. Der Lebens- kämpf aber ging weiter, wenn auch nicht gerade um die Notdurft des Daseins, so doch um das Durchsetzen der Persönlichkeit, die Erjüllung der Ideale, die Aufgaben der grossen Kunst. Als Gründer und Leiter einer neuen Musikzeitung, als Vertreter be- drängter und bedrohter Künstlerinteressen entwickelte der junge Schumann bemerkenswerten praktischen Sinn und wirksame Tat- kraft. Hegte er doch sogar den Plan, eine Agentur zur Heraus- gäbe von Musikwerken zu errichten,.welche den Zweck hätte, alle Vorteile, die bis jetzt den Verlegern in so reichlichem Masse zu- fliehen, den Komponisten zuzuwenden", und schrieb er doch schon frühzeitig das stolze Wort:Wir schreiben ja nicht, um die Kauf- leute reich zu machen." Als Tatmensch mußte er gegen seine Zeit gerichtet sein. Und er war eS auch. Er bekämpfte das Spielerische, Gehaltlose und Floskelhafte in der Musik, die kaninchenhafte Etudenproduktion der Czerny, Herz und Hiwken, widerlegte die Vorurteile der Alken gegen die.Teufelsromantiker" und stimmte den Marsch de» Davidsbündler gegen die Philister an. Er wies auf Mendelssohn und Chopin , Berlioz und Liszt hin, auf denen die Zukunft der Musik beruhe, und rief dem Kreis der Seinen, aus dem er di« Jdealkämpferschar der Davidsbündler in Wirklichkeit und Phan» tasie sich gebildet hatte, die Forderung zu:.Jünglinge, schafft für» Licht!" denn:Licht senden in die Tiefe des menschlichen Herzen» des Künstlers Beruf!" Auf der Höhe der Bildung seiner Zeit stehend, blieb Schu- mann keiner ihrer Strömungen und Regungen fern.Es affiziert mich alles, was in der Welt vorgeht, Politik, Literatur, Menschen; ... deshalb sind diele meiner Kompositionen so schwer zu der- stehen, weil sie an entfernte Interessen anknüpfen, oft auch be- deutend, weil mich alles Merkwürdige der Zeit ergreift und ich eS dann musikalisch aussprechen muh." Er erklärte die Republik für die beste Staatssorm. Bis zuletzt behielt er den UnabhängigkeitS- drang und die Selbständigkeit der Gesinnung fest. Als Mann des Lichtes stand er stets in Kampfstellung gegen alle Dunkelmänner in Leben und Kunst. Der feste Profilzug zielbewuhter Tatkraft wird in Robert Schumanns geistigem Bild« gewöhnlich übersehen. Aber er ist so deutlich, daß er selbst in Ernst Rietschels Medaillonbild von Klara und Robert die körperlichen Profillinien bestimmt hat. Im Gegen- satz zu dem bekanntesten Schumannbilde, dem Gemälde Bende- manns, das das volle, bartlose, runde, vom glatten Scheitelhaar umrahmt« Antlitz des Träumers mit den sinnend verschwommenen Augen von dorn zeigt. Gewiss, er war auch ein Träumer, ein Dichter, ein Jnncnmensch, der in geheimste Herzenstiefen lauschte. Er war ein Mann, der wie Schiller nichts ohne Innerlich­keit tun konnte, wie er denn selbst sagte:»Ich hasse alles, was nicht vom innersten Lebensdrange kommt." Er ist Lyriker und Tonpoet. Er gehört zu den Doppelnaturen, die im neunzehnten Jahrhundert häufig werden, in denen sich Dichter und Musiker in fast gleich starken Kräfteverhältnissen vereinigen. Vom Dichten kommt er zum Musizieren. Seine Schaffensart ist zwar immer musikalisch, aber auch immer dichterisch beliebt. Die Werke anderer, die er hört, deutet er in dichterischen Bildern aus, von der Ausmalung der Beethovenschen A-Dur-Sinfonie als eine» poesievollen Hochzeitszuges bis zu der scherzhaften Bemerkung, daß er in einzelnen der blonients musicaux von Schubert sogav Schneiderrechnungen erkenne, die er nicht zu bezahlen imstande, .so ein spießbürgerlicher Verdruß schwebt darüber". Von der Dichtkunst kam der junge Schumann ja her. Gedichts, Romane, Phantasien entflossen der Feder des Jünglings, in dessen Herz Jean Paul so gewaltige Erregungen ausgelöst hatte, daß Schumann berichtet, jener habe ihn oft dem Wahnsinn nahe- gebracht. Sein Denken und Dichten steht im Banne dieses wun- derlichen, überreichen Phantasiemenschen, und in den Reiseschilde« rungen und Jugendschwärmereien seiner Briefe wirkt Jean Paul » Geist genau so tonangebend, wie er den romantisch schwärmenden Charakter vieler der ersten Klavierwerke bestimmt hat. Schu- mann behauptete sogar in der Uebertreibung des dankbaren Her- zens, er habe von Jean Paul mehr Kontrapunkt gelernt als von seinem Musiklehrer. Jedenfalls hat er von ihm die Genremalerei und die blumige Fülle des Ausdrucks in Wort und Ton. Auch wohl die gelegentliche Verworrenheit der Tongedanken, das Apha- ristische und Skizzenhafte, den lleberschwang der Phantasie. Die literarisch-dichterischen Anregungen für sein musikalische» Schaffen treten unverkennbar zutage in seiner Neigung, Pro- gramme zu geben. Wenn es auch wahr sein mag, daß die Ueber- schristen und Titel, Angaben und Andeutungen erst nach de» musikalischen Ausführung hinzugesetzt sind, so ist es doch ebens» richtig, daß er nicht eigentlich aus absolutem Mvsikempfindcn her­aus gestaltete, sondern aus dichterisch-bildlichem Anschauen und lyrischem Erleben. Die Davidsbündlertänze, der Karneval, dt« Phantasiestück«, die Kinderszenen, das Jugendalbum usw. find nur so entstanden zu denken. In ihnen lebt sich seine ausserordent- liche Gabe, innerlich Gesehenes musikalisch zu charakterisieren, in einer bunten Fülle von Gestalten und Szenen aus. Aber auch grössere Werke entstanden so, und es ist ein stilles Eingeständnis des Komponisten für diese Schaffensweise, wenn er die Programm- Überschriften zu seiner ersten Sinfonie hinterher tilgt. Weis er diese Abhängigkeit vom Dichterischen als Begrenzung des Mufi- kalifchen empfinden mochte, hat er sich theoretisch in schwankende» Weise über Sinn und Wert der Programmusik ausgesprochen. Seine reine lyrische Natur aber bricht in seinen Liedern in quellender Frische hervor. Hier lebt alles Herrliche in Schumann » genialer Begabung sich aus. Denn das Klavier, das doch immer die Grundlage seines musikalischen ErfindenS und Denkens her» gab, macht er hier in verschiedenstem Masse zum Stimmung»» Untergrund und Seelenkünder der Melodie, die in inniger Ver- webung, bald frei, bald gebunden, darüberschwebt. Sein persön. lichstes Erleben spricht sich hier aus in Gebilden, von denen doch wenigstens ein grosser Teil tief ins Gesamtbewusstsein des beut- schen Volkes übergegangen ist, eine reiche Skala der Gefühle, die von schlichtem Hausglück hinaufsteigt bis in himmlische Ent» zückungen. Und die besten deutschen Poeten haben ihre Worte seinen Tönen dargeboten. Mit keinem anderen Dichter weist Robert Schumann so nahe geistige Verwandtschaft auf wie mit Nikolaus Lenau . Sie schöpfen