Vers an die Mutter, das herzige Mütterchen, das Mutter- chen Gottes, und seinen stilvollen Gesang bewunderte, bei- fällig mit dem Kopfe nickend, eine Schar abseits stehender Kameraden. Die Trommeln wirbelten in einem fort hinter dem Bild, die Trompeten schmetterten ihre Klagen in die Luft, und alle sangen zu gleicher Zeit, indem sie ihre mißtönigen Stim- wen durcheinander mischten, ohne daß einer sich durch den anderen aus dem Konzept bringen ließ. Jeder beendete un- bekümmert seine Saeta, als seien sie alle taub, ohne andere Lebensäußerung als die anbetend zitternde Stimme und die in hypnotischer Verzückung auf das Bild starr gerichteten Augen. Jesus war gestorben. Seinetwegen kleideten sich die Weiber schwarz, und maskierten sich die Männer in aben- teuerlichen Kapuzen. Die Trompeten verkündigten es mit ihren langgezogenen Klagen, und die Kirchen mit ihrem düsteren Stillschweigen und den dunklen Vorhängen ihrer Tore.... Und der Fluß setzt sein schalkhaftes Gemurmel fort, als ob er einsame Paare einladen wollte, sich an seinen Ufern niederzulassen, die Palmen wiegten sich nach wie vor in leisen Schwingungen, die Orangen dufteten verführerisch, als wollten sie allein die Macht der Liebe, die das Leben schafft und ergötzt, anerkennen. Der Mond lächelte unver- zagt und der Turm, dem die Nacht ein veilchenblaues Ge- wand angelegt, verlor sich in den geheiinnisvollen Höhen des Aethers, und mit der Einfalt der unbelebten Dinge dachte er vielleicht, daß die Ideen der Menschen im Lause der Jahr- hunderte sich seltsam verändern, und daß diejenigen, die ihn aufgebaut, eines ganz anderen Sinnes waren, als die jetzt zu seinen Füßen wimmelnden Leute. lFortsetzung solgt.Z

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Sara.

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Die Geschichte einer Liebe.

Bon Johan Skjoldborg. Berechtigte Uebcrsetzung aus dem Dänischen von Laura Heidt v ' tks ist der dritte Weihnachtstag. Sara kommt von der kleinen Geschäftsstadt, die sich rings um den Schornstein der Genoffen- schaftsmeierei herumgebildet hat. Sie schreitet quer über die Felder dem Wiesenhofe zu. Das Wetter ist schön. Der Schnee liegt nicht hoch, aber gleich- mäßig über den Feldern, ohne kahle Stellen, und die feste Schnee- decke hat eine dünne glasartige Kruste, auf der die kleinen ab- gebröckelten Stücke bei jedem Schritt, den sie tut, nach allen Seiten rieseln. Die kleinen zugefrorenen Teiche, an denen sie vorbeikommt. sind voll krummer Linien und Riffe von den Schlittschuhen der spielenden Kinder und wie gepudert mit feinen Eisstückchcn wie der Staub auf der Violine nach dem Bogenstrich. Das Eis, das auf Gräben und Pfützen liegt, schlägt mit singendem Ton tiefe Risse. Jeder Laut wird in der Luft zum Ton. Auch der Fjord ist an den Rändern zugefroren bis hinaus zur großen Tiefe. Die Mitte aber ist dunkelblau und die Wellen darauf tanzen hinaus ins Meer und in die weite Welt. Es saust vor Soras Ohren und ihr Blut kocht; noch nie hat sie solch ein Weihnachtsfest erlebt. Am zioeiten Neujahrstag ist Ball im Hallumer Krug; kein Lffentlicher Tanz, sondern Ball für die Jugend eines auserwählten Kreises. Und sie soll mit dabei sein; Anders ist der Obmann des Ganzen, und sie soll mit. Sie hat den Weg erreicht und setzt nun die Füße an im Polka- kakt. Sie soll mit. Das hatte Anders für sie durchgesetzt. Jetzt kam sie von der Schneiderin. Sie hatte ihr den Stoff gebracht für ihr Ballkleid, weißen, durchsichtigen Wbschstosf. Das konnte reizend werden. Solch ein Kleid hat sie noch nie besessen. Vielleicht hätte sie doch lieber den weißen Mousselin mit den blauen Blumen nehmen sollen, aber das wäre wohl für sie zu auf- fallend gewesen. Der durchsichtige Waschstoff könnte auch sehr hübsch werden, wenn die Taille oben ohne Futter blieb, mit einem Plissee um Brust und Schultern und hohem Stehkragen. Und dann «m die Taille vielleicht einen roten Seidengürtel. Dann brauchte sich Anders ihrer'nicht zu schämen. Und dies Kleid war viel billiger als das andere, und dann konnte es ge- waschen werden... Aber sie mußte eilen, um heim zu kommen und dann so fleißig, so fleißig sein die ganze Weihnachtswochc, das war nur in der Ordnung. Bocl sollte ihre Verwandten besuchen jenseits der Berge, wo pe ihre Kinder in.Pflege gegeben hatte; der Junge war im Westen

zv Hause, und Sören, der Großknecht sollte auch fort; es gab also genug zu tun. Aber sie konnten ruhig fortgehen, alle miteinander Sara hatte das Gefühl, als könnte sie mit Leichtigkeit dey ganzen Hof allein besorgen, wenn es hätte sein sollen.> Die Weihnachtswoche vergeht Sara wie ein Tag, ein froher, schnell verstreichender Tag, den sie in einem Ruck durchlebt. Wenn die anderen fort sind, sitzt sie abends drinnen im Wohn- zimmer bei den Wiesenhosleuten- die gewöhnlich irgend ein Weih- nachtslied singen. Sara hat eine klare, schöne Stimme, und die Bäuerin Maren sagt ihr, daß sie mit der ganzen Stimme singen soll. Soras Gesang ist nämlich so eigentümlich lebendig und kommt so aus freuderfüllter Brust, daß der Wiesenhofbäuerin beim Zu- hören die alten Verse ganz frisch und jung vorkommen. Niels, der Mann, sitzt dabei ganz still und fühlt sich außerordentlich wohl. Es sind ja die Töne aus Saras Kindheit, es ist von ihm die Rede, der aus aller Rot hilft, und vom himmlischen Gesang der Engel. Das Herz klopft so leise._ Aber deutlicher noch und näher als den Gesang der Enger vernimmt Sara die Ballmusik der Violinen und Klarinetten. Und der Gedanke, daß sie den ganzen zweiten Neujahrsabend in Anders Nähe sein soll, ist Saras schönstes Weihnachtsgeschenk Am Sonnabend hat sie Anprobe Es bleibt grab in der Dämmerung noch so viel Zeit, zur Schneiderin zu laufen. Doch da sind noch viele andere, die in der Schnciderstube aii- probieren sollen. Sara sitzt unruhig; sie bekommt geradezu Fieber vom Warten, denn sie hat noch so viel zu tun daheim. Sie hat aber trotzdem nicht den Mut, dies zu sagen und zur Eile anzutreiben, denn es sind die Töchter so netter und wohlhaben. der Leute, die zugegen sind. 1 Außerdem hat sie auch Furcht, der Schneiderin zu mißfallen. in deren Hand ihr Schicksal ruht; diese beeilt sich ja auch, so sehr sie kann. Aber es gibt so unendlich viel Nadeln, die umgesteckt werden muffen, und es nimmt kein Ende. Schließlich rafft sie sich auf und sagt, es sei gewiß Keffer, daß sie morgen käme. Ja, wenn sie das könnte, so wäre es gewiß das beste. Ja, das kann Sara gut. Sie antwortet anscheinend so ver. gnügt, als wäre es die leichteste Sache der Welt, weiß dabei aber ganz qenau, wie viel Schwierigkeit damit verbunden sein wird.> Also diese feinen Hofbefitzeriöchier waren es, mit denen sie Zusammensein sollte. Wenn sie sich jetzt nur so benehmen könnte, wie sie müßte, damit sie Anders gefiel Er hatte ihretwegen so viel auszustehen gehabt... Ob sie wohl etwas ins Haar stecken sollte, etwa eine rote Schleife? Nein, das Haar war ja sowieso rot. Aber ein Band auf der Schulter, ein kleines, flottes Band viel- leicht... Am Sonntag probiert Sara das Futter an. Aber. als sie ain Montag wieder zur Anprobe kommt, ist die Schneiderin nicht damit fertig. Dienstagabend ist der Ball. Sara mutz das Kleid um 7 Uhr holen. Es ist der letzte Augenblick. Daher will sie sich zu Hause erst vollständig fertig machen und dann nur hineingehen und das Kleid überziehen, damit sie nicht so spät daherkommt nach all den anderen.» Vor dem Spiegel, der auf ihrer Kommode steht, löst ste das Haar Es wälzt sich an ihrem Körper hinab Es wogt goldig glänzend mit dunklerem Schatten Kaum daß sie den Kamm hin- durÄzwingen kann, so dick ist es, und es ist ganz unbändig. Plötzlich schüttelt fie voll Ausgclaffcnheit den Kopf und läßt das Haar fallen, wie es will. Sie schaut darunter hervor, wie hinter einem Gitter und lächelt ihrem eigenen Spiegelbilde zu.> Erst schlingt sie das Haar zu einem Strang, den sie zu einem 5knoten zusammenrollt. Aber auf diese Weise fitzen die Stirnhaare gar zu straff; fie versucht wohl daran zu lockern, da sie aber keinen Kamm zum Stützen hat, gibt sie es auf. Tann flicht sie das Haar in zwei Flechten, die fie im Nacken zusammenschlingt. Dadurch bekommen die vorderen Haare eine freiere Lage; leicht und lose liegen fie auf der Stirn und fallen ganz von selber in drei wogenden, welligen Locken von links nach rechts hinab.. Die Haarfrisur nimmt am meisten Zeit in Anspruch. Sobald Sara fertig ist, beginnt sie in der Kammer aufzuräumen. Sie ist so leicht wie eine Feder und berührt kaum den Erdboden. Noch ein paar Mal blickt sie in den Spiegel, ordnet noch etwas am Haar und löscht dann die Lampe aus. i Sara weiß nicht, was sie alles tun möchte, um daS Mück zu verdienen, dem sie entgegengeht. Ihr Herz ist so voll. Sie fühlt nur, daß sie gut sein will, so gut, so gut. Und während sie im Abenddunkel vorwärts schreitet, drückt fie die Hände an die Brust und danlt Gott im Himmel aus ihrem kindlich frommen Gemüt. Wie Sara eintritt, sitzt die Schneiderin da und näht, wie ge- hetzt, einen letzten Haken an der Seidentaille einer der Töchter von Skovluud fest. Birthe von Skovlund steht ungeduldig da und loartet darauf, und sie hat einen scharfen Zug um den Mjand, als hätte jfc- soeben der Schneiderin bittere Worte gesagt. . �Fortsetzung folgt.); i