Die Große Berliner Kunstausstellung. EL 6. Figurenbild und dekorative Landschaft. DaS frühere.Genrebild' erhält fich noch in alter finniger Einfalt, wie auch diese Ausstellung zeigt. Nur versteckt es, durch das Gelächter der Moderne scheu geworden, seine Spruchbänder ein wenig mehr, beachtet dafür etwas mehr die Arbeit selbst und geht so ebenfalls einer allmähligen Veredelung entgegen. Die Vorgänge sind noch selten frei von Banalität und über- großer Harmlosigkeit, der Mangel an Originalität und eigenem Einfall tritt in dem Wiederholen uralter Themen zutage. SoAdam und Eva' von Stahl(17). Es ist möglich, daß man diese Rekonstruktion von Museumseindrücken als.neue Romantik' feiert. Adam ist mit einer Jacke angetan, wie sich das fürChristen- menschen' gehört, auch die Eva manierlich bekleidet, dazu betrachten sie sich den fliegenpilzgistigfarbenen Apfel und ertragen das Ge- zappel schlecht kopierter Engel. Die Poesie ist faustdick aufgetragen, aber wie schlechter Rübenzuckerhonig zweiter Qualität. Das Ganze in einem unmöglichen Dunkel. 78 ist ein gut gemalter Akt von Brüne, dessen Gähnen ganz unnötig ist und nur von der Arbeit selbst ablenkt. Wieviel Geist gehört dazu, einen Menschen gähnen zu lasten? Mehr Verdienst ist es, einen weiblichen Akt so treu und lebendig zu malen, daß er Beachtung erzwingt, wie eS bei diesem Fall ist. Das große Bild von Groeber, die Malschüler(Saal El. 81). ist roh und keineswegs mehr als eine Anhäufung von Porträtstudien. SkarbinaS Kammerkätzchen(8b) spricht für sich. Do mortuis... die beiden'Szenen �von Kallmorgen : 8S(Die Kameraben), VI(Beim Netzflicken) belegen den Eindruck eines im Grunde pe- dantischen Zeichners, der der Farbe keineswegs sehr verständnisvoll gegenübersteht, dafür ein sehr korrekter Beobachter ist. Die ländlicheHochzeit' auf Fano von WilckenS(103) ist etwas grell belichtet, aber groß gearbeitet und nicht ohne Hoffnungen für die Zukunft. Müller-Schö'nefeldS.Sehnsucht'(154) enthält einen sehr schönen weiblichen Akt in entsprechender langweiliger, gemachter Pose, das Bild einer alten Frau mit Haube(1ö2) viel feine Details, aber zuviel Zartheit und Kleinlichkeit. In schöner lauer Maiennacht ttäumts sich gar wundersam', betitelt Jülich (207) sein Bild. Aber es fitzt sich wohl un- (gemütlich, wenn einen der Künstler so hölzern in die Brombeeren etzt, die Quelle ist wohl sehr spät in den Traum eingetreten, die Sussicht durch den Hügel gehemmt und so die Einheit der Land- schaft gestört.Man" wird gut tun, mehr die Natur auch nachtS mit ostenen Augen, besonders auf ihre auch nachts höchst lebendigen Farben anzusehen. An fich möchte man diesen Hang zur Poesie aus der Malerei nicht fortwünschen, nur sollte er nicht als Deckmantel für schlechte Malerei dienen. Ebenso verttäumt, aber am hellen Tage sind die.Reflexe' von Eourvoisier(208) gemalt. In einer Landschaft, die allenfalls für eine Stubendecke taugte, steht ein miserabel gemalter Akt in unmöglichen Farben. In dasLaubenkoloniefest'(361) von E i ch h o r st ist wohl zu viel.hübsche" Charakteristik hineingebracht, das Bild nicht ohne Reize und interessante gelungene Details, aber als Ganzes wohl nicht, bedeutend. Sehr anständig ist der.Kuhhandel' von Würtenberger (474) sowohl in der kräftig-klaren Zeichnung, als in den flächigen Farben, eines der besten Bilder dieser Ausstellung. Eine gute unbefangeneMadonna", anmutig- naiv, ohne Allegorie und Ver- klärung, ist die von Plontke(522). Eine dritte,Sehnsucht" von Oskar Hermann-Lamb(b27 ) enthält mindestens einen sehr guten Akt in einer guten Landschaft nur das Tuch und der Titel find wohl unnütz hineingebracht. DieZigeuner von Sacramento' von Rodriguez-Acosta (374) sind leider nur in die schönen Farben hingesetzt, aber nicht verarbeitet. Die Darstellung ist dafür natürlich und ohne störendes Arrangement. Sehr schlimm ist der Saal mit den K a r t o n S, die von der Reklame als hochbedeutsam ausposaunt wurden. Zunächst drängt sich eine Kohlezeichnung von Hans L o o s ch e nDie Arbeit' auf (701). Ein Mann in realem Gewand wälzt in einer Stellung, die ihm einen Leistenbruch garantteren würde, in der Sinnlosigkeit aller «llegorieen und der preußischen Akademiker im besonderen, aus einen Erdhaufen einen FelS. DaS ist nicht ein Sinnbild der Arbeit. sondern ein Sinnbild unprakttschen Atelierstumpfsinnes. Ein Blick auf Hodler, den Autodidakten, zeigt, wie.Arbeit' heute ohne solche armseligen Mätzchen stark und anschaulich ausgedrückt werden kann. Hinter dem armen Opfer dieses unpraktischen Arbeitgebers steht ein recht verelendeter Engel mit eigentümlichen Flügeln und be- trachtet das furchtbar langweilige Geäst; er soll aber wohl einige Sepfel pflücken und der übliche Lohn für die schwere Arbeit des FelswälzenS die.Arbeit' damit abfinden? LoöschenSHygiea"(708) ist bedeutend erträglicher, obschon der Gegenstand die Langeweile und Phrasenhaftigkeit aussttahlt, die mit diesen konventionellen Lügen untrennbar verbunden sind. Der Karton 702 von Picard(Der Kampf) ist noch schwächlicher in dem Knäuel von Leibern und stimmt allenfalls heiter, weil derlei doch immerhin hinter uns liegt. Die Geschichte von der heiligen Genoveva , die Paris Nahrung?« mittel bringt, wurde von P u v i s' d e Chavannes für da? Pariser Pantheon als Wandgemälde ausgeführt. Die Zeichnungen 703705 lasten viel lichte Farben, fteie, natürliche Bewegung und lebhafte Szenerien vermuten. 574 Prozession im Böhmerwald von M a l y ist eine sehr gute Aufgabe mit unendlichen malerischen Möglichkeiten, nur sehr grob und bunt erledigt. Das Waldfest von E i ch h o r st(348) hat wohl ein jeder schon dutzendweis in alten illustrierten Zeitschriften gefunden und sich des traulichen deutschen Waldes, des ersehnten ruhigen Genießens der Figuren, gefreut. Das gilt auch hier. Man vergißt ganz gern dabei, wie viel weiter wir m der Wiedergabe des Waldes mit unseren heutigen Mitteln ge« kommen find. Die Art unserer derzeitigen Staats- und Stadtausträge zeigt 34g von Marcus, Quedlinburg wird von der Aebtissin unter- worfen. Ein Historienbild aber doch erfaßt vom Geist der Zeit, großzügig, teilweise sehr malerisch, mit recht anschaulich gegebenen Pferden, nicht ohne Bühnenpathos, das in der Natur dieser Aufträge liegt. Dagegen ist(Leuthen") von Kaempffer 356 das alte schlechte Schlachtenbild, mit stürmenden Pferden falschen Ton- werten mehr mit Schwung als Sorgfalt gemalt und schließlich ein« sehr platte Symbolisierung des Ereignisses. Sehr platt ist auchDas goldene Zeitalter'(703) von M e n a r d. Mühlenbruchs»Im Spiel der Wellen'(1117) ist mindestens in der Komposition auch in der Farbe nicht schlechter als KlingerS ebenfalls nur gezeichnete.Sirene'; beide fallen vor der wirklich dichterisch gesehenen Böcklins in nichts zurück. Ein leuchtendes Blau strahlt schon durch drei Säle von dem Tripthchon der Johanna Engel,Im Kranze der Zeiten"(1113), auf dem drei Akte, die keineswegs Zeiten erkennen lasten, durch dekorative Papier« Blumengewinde von der schwachen Aktmalerer ablenken, wozu auch die sehr farbige Wiese und der blitzblaue Himmel helfen. Einen plötzlichen Ruck zur Moderne tat B e ck e r a t h in der Kreuzigung" indem er durch einige Ausdrucksfarben gelb, ocker und bluttot die Szene einfacher und größer zu charakterisieren suchte. Das geht nicht ohne Willkür und Irrtümer ab, dennoch offenbart er viel gestaltende Kraft im römischen Soldaten, in den Körpern der Schacher. Ernst zu nehmen ist auch das Menschenpaar von M a r b e- Fries, in dem doch der Ausdruck recht stark und schön, auch die Körper in der Farbe nicht sehr abfallen. Erforderlich ist aber wohl einige Zurückhaltung, um nicht zuschön" und süß zu werden. DieSommernacht" von Pietschmann(1053) ist eine im allgemeinen selbst hier ziemlich überwundene Stümperei mit billigster Rührung statt Malerei. So sieht der Schrecken aller geschmackvollen Rheinreisenden aus.Kunst fängt an, wo das Banale aufhört"! Der gut bewegten Pferde halber ist 1055,Der Fuhrmann' von Messerschmidt angenehm; sehr schmerzhaft dagegen wieder dieInsel der Seligen' von Wilke(1147) mit dem ganzen imitterten Kulisten- und Statistenapparat eines schlechten Sommer- theatersarrangiert" undgemalt". ImFreibad Wannsee'(1252) von Harnisch sind einige gute ftische Töne, wie die stets der Fall sein muß, wenn von der Natur selbst gemalt wird. Amüsant ist, wie der Maler jeder Darstellung eines Aktes auszuweichen versteht und in der Nähe nur Bekleidete sieht, die entfernten Nackten aber sehr ausreichend durch die Bade- hosenklexeerschöpft". Gar nicht schlecht, obwohl nicht sehr ehrlich gemalt, doch mit guter Bewegung, find die tanzenden Mädchen in der Sonne (131g) Letzte Strahlen" von L i e tz m a n n, zunächst ein Ansatz aber voll Schwung und Freude hingesetzt. Wieder mehr schön gedacht als gekonnt sind Müller- MünstersRoste der Königin'(1333). Die Mägde jener Zeiten dürften nicht so schwächliche Körper besessen und auch kaum den hölzernen Trippelschritt des Stadsräuleins sowie deren billige Nessel- schleier gekannt haben. Eine gut und kräftig in Form und Farbe durchgeführte Deko­ration ist die von JohnsonUnd der Herr sprach"(142g) mit einer schönen Gruppe und sehr gut stimmenden Landschaft. Nicht sehr stark sind die Soldatenstücke von F e h r<1042 und 1434), von denen dasAm Waldrand' interessanter ist. Es mag sehr schwer fallen, bei derart schönen Gelegenheiten die Anekdote fortzulassen und die Aufmerksamkeit einzig auf die Malerei gerichtet zu sehen. Dafür bessert sich diese auch zusehends. Der schwache Eindruck, den man diesmal von den Reiterbildern JankS erhält(145g, 1461, 1467), ist doch ein Zeichen, wie die übrigen den einst als Vortrab geltenden Mün- chenern nachgerückt sind. Ein abschreckendes Beispiel für schlechte Dekoration ist dasTanzlied"(2007) von S t o e v i n g, in dem schwächlich gemalte Figuren mit faden Gesichtern allerlei unechte Be- wegungen versuchen. Endlich darf ein Werk nicht übersehen werden, das bei Vermeidung einiger dekorativer Hilfsmittel in der Kraft der Darstellung der Körper, der Durchführung der guten Komposition einen künftigen Aeister verhieße; es ist dies derRingkamps" von Burmester(1413).__ P. G a n g o If. Der Mnä als Bodenbildner. Wenn ein Gestein zu Staub und Sand zerfallen ist, so unterliegen die feinen Körner der Wirkung des Windes, wem» Sie nicht durch natürliche oder künstliche Mittel festgelegt werde«,