einiger Männer, als liefen sie unter einer schweren Lastgebückt.„Es ist nichts... eine Quetschung. Du blutest nicht.Du wirst noch vor Schlub des Kampfes wieder auf denBeinen sein."Eine dumpfe, von Schmerz geschwächte Stimme, die wieaus dem tiefsten Innern kam, stöhnte herauf unter Seufzern.in einem Dialekt, der Carmen an ihre engere Heimat er-innerte:„Heilige Jungfrau der Einsamkeit!... Ich glaube,etwas ist gebrochen. Seht genau zu, Doktor... Oh, meineKinderl"Carmen fuhr vor Schreck zusammen und hob zur Jung-frau ihre Augen empor, wahnsinnig vor Angst. Auf den ein-gefallenen bleichen Wangen schien die Erregung ihre Gesichts-züge tiefer einzugraben. Sie fühlte sich krank und fürchtete,auf den Steinboden ohnmächtig niederfallen zu müssen. Sieversuchte von neuem zu beten, sich in ihre Andacht zu flüchtenund in ihr abzusondern, um den äußeren Lärm, den dieWände mit einer zur Verzweiflung treibenden Stärke weiterfortpflanzten, nicht mit anhören zu müssen; aber trotz diesesVorsatzes drangen duinpfe Töne, wie ein Plätschern im Wasserund Stimmen von Männern an ihr Ohr; es schienen Aerzteund Krankenwärter zu sein, die dem Picador Mut zusprachen.Dieser stieß seine Klagen mit der Offenheit eines unge-fchliffenen Viehtreibers aus, indem er zugleich mit mann-lichem Stolz den Schmerz verbeißen wollte, den ihm seinegebrochenen Knochen verursachten.„Jungfrau der Einsamkeit!... Meine Kinder!...Was sollen die Aermsten essen, wenn ihr Vater nicht arbeitenkann!...."Carmen erhob sich. Sie hielt es nicht mehr aus. Siefühlte, sie müsse zu Boden stürzen, wenn sie länger in diesemdunkeln, von Schmerzensrufen erfüllten Raum verweilte. Siebrauchte frische Lust und den Anblick der Sonne, und glaubtean ihrem eigenen Körper dieselben Schmerzen zu verspüren,die jenen unbekannten Mann stöhnen machten.Sie ging auf den Hof hinaus. Blut auf allen Seiten!Blut am Boden und in der Nähe einige Kübel, in denendas Wasser sich mit der roten Flüssigkeit mischte.Die Picadoren kamen aus der Arena. Das Zeichen zumStecken der Banderillas war gegeben worden, und die Reiterkehrten auf ihren mit Blut befleckten Pferden zurück, derenHaut aufgerissen war, so daß die ekelerregenden Eingeweideaus ihren Leibern hervorquollen.Die Reiter stiegen ab. Und unterhielten sich lebhaft überdie Zwischenfälle des Kampfes. Carmen sah. wie Potagemit der ganzen Schwere seines gewaltigen Körpers vomPferd« stieg, wobei er dem ungeschickt haltenden Burschen eineReihe von Schimpfworten entgegenschleuderte. Die erhaltenenPüfse und die Schmerzen einiger Stürze vom Pferde schienenihn betäubt zu haben. Er fuhr mit einer Hand nach derSchulter, um sie unter schmerzhaftem Zusammenziehen zureiben: trotzdem lächelte er, indem er sein gelbliches Pferde-gebiß zeigte.„Habt Ihr gesehen, wie famos heute Juan seine Sachemacht?" sagte er zu allen, die um ihn standen.„Heute ister wirklich ausgezeichnet."Sein Blick fiel auf die einzige Frau, die im Hofe war;er erkannte sie, ohne Erstaunen zu äußern.ji--»Sie hier, Frau Carmen? Und so munter!"...*" Er sprach mit Ruhe, als ob ihn in dem Stumpfsinn, indem der Weingenuß und die eigene viehische Natur ihn be-fangen hielten, nichts auf der Welt verwundern könnte.„Haben Sie Juan gesehen?" fuhr er fort.„Er hat sichvor dem Stier, vor seinem Maul, zu Boden gelegt. Wasder Kerl tut, bringt keiner fertig.... Gehen Sie hineinund sehen Sie zu, denn heute verlohnt es sich."Er wurde von einer Tür aus, die zum Krankenzimnierführte, gerufen. Sein Gefährte, der Picador, wünschteihn vor seiner Ueberführung nach dem Hospital zu sprechen.„Leben Sie wohl, Frau Carmen. Ich will mal sehen,was dieser arme Kerl wünscht. Ein Sturz mit Knochenbruch,wie es scheint. Er wird während der ganzen Saison un-tauglich bleiben.Carmen zog sich unter die Bogengänge zurück und ver-Füchte, die Augen zu schließen, um das abstoßende Schauspielim Hofe nicht sehen zu müssen, aber gleichzeitig fühlte siesich von dem sinnverwirrenden Rot des Blutes angezogen.Die Pferdeknechte führten die verwundeten Tiere amZügel, die ihre Eingeweide am Boden nachschleppten, Beiihrem Anblick begann ein Stallausseher, wi« von fieberhafterTätigkeit getrieben, Hände und Füße in Bewegung zu setzen.„Nur zu, Ihr Burschen!" schrie er. zu den Stallknechtengewendet.„Kräftig... kräftig dort!"Die Pferde wurden geflickt, als ob sie alte Schuhe wären.und ihre Schwäche wurde bis zum letzten Augenblick aus-gebeutet, indem man ihren Todeskampf und ihr schließlichesEingehen soweit als möglich hinausschob.lZortsetzmig folgt.)-(Ztaqdruck' ver»ote».Z" Qlckarie.Von Branislav Nuschitch.Aus dem Serbischen übersetzt von Martha Borojcvitch.Hatusch-Hanuma wartet, sie weicht nicht von der Türe. Esvergehen fünf, es vergehen zehn Minuten, es vergeht eine Viertel-stunde, sie aber wartet, und— endlich kommt er.„Da, nimm Dein� Kopftuch I" sagt Halil-Efendi, als er durchdie Türe tritt, und übergibt ihr den eingewickelten Gegenstand.Und neugierig erwartet er die Neuigkeit, für welche er schon einAngeld gegeben.„Nicht mir gib dieses Kopstuch, sondern... sondern geh' undbringe es Seliha..."„Bei Deinem Glauben, sprichst Du wahr?" fragt freudig Halil-Efendi, und man sieht, wie er die Lippen zusammenpreßt, um dieausbrechenden Tränen zurückzuhalten.„Es ist sol"Halil-Efendi blickt dankbar zum Himmel auf, hebt die Armein die Luft, und etwas unverständlich murmelt er:„Allah... wer wird wie Allah... Allahl" dann läuft er indas Haus und Hatusch-Hanuma ihm nach.Und von da an arbeitet Seliha weniger im Haushalt; Hatusch-Hanuma erlaubt ihr es nicht. Sie ist auch besser angezogen. Halil-Efendi aber geht jetzt mit erhobenem Kopfe durch die Tscbarschia,er reckt und brüstet sich so. daß sogar einmal im Geschäft Schaban.Efendi der Mistta(Oberpriester) vor all den dort versammeltenBeyS fragte:„Was hat denn der, daß er den Kopf so hoch trägt?"� Und als erst noch einige Monate verflossen und Seliha einKnäblein gebar, da— man sehe den Halil-Efendi. Eng ist ihm derOrt, schmal die Gassen. Auch die Leute kommen ihm wunderlichvor; er erzählt ihnen, daß er Vater sei, daß er einen Sohn besiße,und sie wünschen ihm Glück dazu, aber umsonst, d i e freuen sichnicht so wie er, sie schluchzen nicht bewegt dazu, sie lächeln nichtbeglückt, sie danken auch dein Allah nicht wie er.Tann die Geschenke! Wie viele Geschenke brachte er Selihaund küßte ihr das�Haar, die Stirne, die Augen, den Mund, dieWangen und den Hals. Darauf kehrte er sich zu Hawsch-Hanuma.küßte und liebkoste auch sie. Die ganze Welt hätte er umarmt undgeküßt. Er vergaß nicht, zur selben Stunde in der Tschamja seinOpfer niederzulegen, seine Armen zu beschenken und jenen Hundenunter der Laterne an der Ecke des Gemeindehauses kaufte er dies-mal für acbt Metallik Brot. Ganz natürlich, daß er sich freute;aber Hatusch-Hanuma? l I Sie trug das Kind, küßte es und sanges ein. Wenn es zu weinen anfing war ihr das jetzt süßer zuhören als stüher der Gesang der Nachtigall, wenn sie in der Abend-dämmerung im Garten sah. Sie liebte es, wenn das Kind weinte»denn war es still, erschien ihr das Haus wie tot. Weinte es. s»waren die Räume voll von Leben, voll von dem, wonach sich diesesHaus so lange gesehnt hatte.Halil-Efendi nannte es natürlich Hudaverh. Hatusch-Hanumaaber gab ihm aus Zärtlichkeit den Namen Pascha, so nannte sie ihnauch, und alle schlössen sich ihr an.Auch Seliha freute sich, aber ihre Freude war Mutterfreude»andere Freuden kannte sie nicht.So zog in das Haus Halil-Efendis Leben ein, und die Träume,die er einst geträumt, nahmen Gestalt an. Und warum denn nicht?Sie gingen jetzt nicht mehr ins Leere. Hatte er jetzt nicht wirklichein Kind, einen Sohn, dem er auch den Namen, den er bevorzugt,gegeben? Jetzt möge ihn Allah nur gesund und leben lassen, wen»er groß geworden und die Schulen absolviert hat wird er Offizier,dann Bey werden, darauf Pascha und dem Sultan dienen.Und der Sultan wird seinen Namen erfahren»nd auch denseines Vaters, Halil-Efendis. Tann wird er iHalil) nicht mehrZollbeamter mit vierhundert Piaster monatlicher Gage bleiben,sondern zu seinem Sohne nach Stambul ziehen. Dort wird Huda-verh-Pascha sein Serail haben, und so wird er und Hatusch-Hanumadem Sohne das Haus führen. Denn Hudavery-Pascha wird keineZeit für solch kleinliche Beschäftigungen haben; er hat dem Sultanseine Zeit zu widmen und mit ihm wichtige Negierungsgcschästezu besprechen.Aber während Halil-Efendi so träumte, träumte auch die armeSeliha einen Traum, den sie niemand anvertraute und wozu ihrauch der Mut gefehlt hätte. Sie ist Tscharie, sie erhandelt undverkaust man wieder. Jetzt schon ist ste in zweiten Händen, undwer weiß, was sie noch erwartet. S i e kann man wegtreiben oder