.Auch Du sagst fol"__ »Natürlich, Efend'm... wenn daS Dir die Sorgen ver- scheucht und es Paschas Glück ausmacht!.. DaS war alles, und tags darauf, zu Mittag, als Halil-Efendi nach Hause kam, teilte er seiner Hanuma mit. daß er die Anzahlung erhalten, und daß nachmittags, wenn er die Tscharie übergebe, er den Rest der Summe erhalten würde. So rief denn Hatusch-Hanuma Seliha in ihr Zimmer, setzte sie neben sich auf ein Sitzpolster und begann behutsam dem armen Mädchen die Sache auseinanderzusetzen, wie sie beide, der Efendi und sie, sich um ihr(Selihas) Glück gesorgt, wie sie nun in des reichen Paschas Harem verkauft sei. Sie haben das nicht des Geldes wegen getan, sie ist ihnen lieb und gut, und sie hätten sie auch nie für Geld hergegeben, wenn es sich dabei nicht um das Glück ihres Kindes, ihres(Selihas) eigenen Kindes gehandelt hätte. Denn mit diesem Gelde werden sie nun den kleinen Pascha studieren lassen, ihren(Selihas) Pascha, sie werden ihn hiermit nach Stambul  senden, und so wird er ein großer Mann, ein glücklicher Mann werden. Trotzdem Seliha eigentlich nur eine Tscharie ist, trotzdem sie sich längst schon mit diesem, ihrem Schicksal ausgesöhnt haben sollte, �eigt sich doch in ihrem Auge eine schwere Träne, aber sie mutz »hier Hanuma die Hand küssen, und erst als sie sich in ihrem Zimmer befindet, da wühlt sie den Kopf in ihre Kissen und fängt schwer, schwer zu stöhnen an. Nach langem Weinen erhob sie sich und trug aus dieser und jener Ecke ihre Kleider zusammen, um sie in ein Bündel zusammen- zubinden. Währenddem kommt auch Pascha, den sie so lgnge gesucht, sie ruft ihn hrein, drückt die Tür hinter ihm zu, reiht ihn an sich und hebt nun um ihn zu jammern an, so wie um einen Toten. Das Kind fühlt sich beunruhigt,, es schaut sie an, was ihr fehle, sie fährt aber fort, ihn zu küssen, sie kützt ihm das Haar, die Augen, das Gesicht, die Brust, die Hände, sie kützt ihn närrisch, denn in Wirk- lichkeit stirbt er für sie. Was ist Dir?" frägt Pascha. Mich haben sie verkaust, mein Sohn, verkauft haben sie mich ... Du aber bleibst. Du gehörst ihnen. Du wirst mit diesem Geld, das sie für den Handel erhalten, nach Stambul   gehen... Deine Mutter wird Dich nie, nie wiedersehen... sie wird nicht einmal etwas von Dir hören.... Ich war hier nur notwendig, Dich zu gebären. Jetzt bin ich ihnen überflüssig... jetzt brauchen sie Geld, und da haben sie mich verkauft!.. So jammerte die arme Frau, sie raufte sich das Haar, rang die Hände oder flocht sie fest um den kleinen Pascha herum, drückte ihn an die Brust wie ein Ertrinkender, wie eine Löwin ihre Jungen, auf die der Jäger die Flinte gerichtet. Das Kind, das nicht begreifen konnte, was das alles zu be- deuten hatte, versuchte sich dieser krampfhaften Umarmung zu entwinden. Wenn sie ihn nur losgelassen hätte!? Sie nahm die Schere, schnitt ihm einige Härchen ab, steckte in ihr Bündel auch eines seiner Schuhchen, dann noch ein ihm ange- hörigen alten Fez und dazu ein kleines Jäckchen aus seiner ersten Kinderzeit. Halil und Hatuscha   hörten wohl ihr Gejammer, und selbst sie weinten. Sie tat ihnen leid, die arme Seliha, in ihrem Kummer, sie uTollten sie darin nicht stören und ließen sie sich gehörig aus- weinen. Indem traf auch schon der Wagen vor der Tür ein, und da konnte Halil nicht mehr ausweichen. Er trat auf die Schwelle von Selihas Zimmer. Seliha!" rief er. Sie hob ruhig den Kopf und schaute' ihn vorwurfsvoll an, so wie der Sklave seinen Herrn. Seliha," sagt Halil zu ihr,laß das Weinen. Dein Schicksal scheint es so bestimmt zu haben. Es kann Dein und Deines Kindes Glück werden. Du warst uns lieb und gut, und wenn es die Not nicht gewollt, ich hätte Di>ff nie hergegeben, aber... darum, es mutzte sein." Dank! Efend'm" antwortet ruhig Seliha, und sie nähert sich, um den Saum seines Kleides zu küssen. Siehe, der Wägen wartet!" fügte Halil-Efendi mehr gerührt als ruhig hinzu. Ich bin fertig, Efend'm," antwortet Seliha, sie erhebt sich und nimmt das Bündel auf. Halil und der Hanuma kützt sie noch die Hände und untertämg den Saum ihrer Kleider und nimmt Abschied. Sie dreht sich nicht mehr nach ihrem Kinde um. Sie hat ihn beweint, sie hat ihn be- graben; ihn noch einmal anzusehen, fehlen ihr die Kräfte. Nur, wie sie zur Schwelle des Hauses kommt, fällt sie darauf auf die Knie, und Tränen vergießend kützt sie die Schwelle, und dann dreht sie sich nach Halil und Hatuscha   um und bittet: Hütet ihn!..." m. In jenen feurigen Wagen, die ganze Wolken Rauch über die Felder blasen, und die dann weiter fliegen, sah schon wenige Tage später der kleine Pascha, Hudavery-Pascha, auf seiner Reise nach Stambul  . Hinter dem Gitter des reichen Paschas Harem aber schaut die junge und schöne Tscherkessin traurig zum Himmel auf. Sie tröstet sich mit einer einzigen, mit einer letzten Hoffnung: Er wird viel- leicht wirklich ein Mann, ein großer Mann werden. Er wird Gel? haben und sich dann hoffentlich seiner armen Mutter erinnern. Und so wird er mich loskaufen wenn er mich nur zu finden weiß. Dann bin ich sowieso schon sehr billig, denn ich werde alt sein!... SekgLlcbe StädteMlder. III. Gent. Die belgischen Slädte erinnern einen derart an ihre Per« gangenheit, daß man gar nicht anders kann, als ihren heutige» Zustand damit zu vergleichen. Es ergeben sich dann zwei Arten von Städten: die zurückgegangenen, die berühmtentoten Nester", deren Typus Brügge   geworden ist, und die industriell fortge» schrittenen, die, wenn nicht ganz, so doch annähernd ihre alte wirtschaftliche Bedeutung wiedererlangt haben. Das sind Ant« werpen, Brüssel  , Gent  . Es ist nicht leicht zu entscheiden, welche von den beiden Arte» die sympathischere ist. Die verarmten Städte Löwen ist viel" leicht die allerärmste haben die poetische Stille der Dämmer-- stimmung für sich, die industriellen dagegen machen einen lebendi» geren, fröhlicheren und deshalb der glänzenden Vergangenheit eher entsprechenden Eindruck. Dafür aber haben sie dem GötzenVer- kehr" die größeren Opfer gebracht. Antwerpen   hat durch seine Straßenverbreiterungen unverbesserlichen Schaden erlitten, und ähnlich barbarisch ist man in Gent   verfahren. Die beiden Großstädte Flanderns   verleugnen überhaupt ihre Familienähnlichkeit nicht. Es ist derselbe regsame, frische germa- nische Geist, der sie beide vor den meisten anderen Städten des Landes auszeichnet. Dabei ist Gent   rein vlämisch geblieben und nicht zu einem Viertel deutsch   geworden, wie Antwerpen  . Ein ge- wisser Wohlstand, eine Behäbigkeit und Heiterkeit, wie sie die Brüsseler Bürger in GoethesEgmont  " besitzen oder die Vlamen in Charles de CostersUlenspiegel", ist unverkennbar. Aber das Verständnis für die alten Kunstdenkmäler scheint auch in Gent   zu fehlen. Die Stadtverwaltung hat es geschehen lassen, daß die Plätze um die Hauptgebäude, nämlich um die Käthe- drale von St. Bavo  , die Tuchhallen mit dem Belfried und die Kirche von St. Nikolaus, mit den abscheulichsten modernen Geschäfts-. Häusern französischen   Stils, d. h. solchen aus grellen, farbig glasier» ten Ziegeln und Eisenwerk, bebaut wurden. Auf die Würde der grandiosen Nachbarschaft wurde auch nicht die geringste Rücksicht genommen. Außerdem hat man an das frühgotische, trefflich er» haltene Schloß Gerhards des Teufels, Grafen von Flandern  , einem finster-phantastischen, aber durch seine vielen Türme und Türinchen ausgezeichnet gegliederten Bau, ein Bankgeschäft angeklebt, daS Barock vorstellen soll und im Gegensatze zu dem Ritterschlotz mit seiner wirkungsvollen Massen- und Flächenarchitektur mit schwindek» Haft dekorativen Aufsätzen und vielen Löchern das Auge beleidigt. Die Kathedrale, die gewiß nach der Art der übrigen größeren Kirchen in Flandern  , mit kleinen Häuschen umsäumt war. gcignet. den Grötzeneindruck der Kirche mächtig zu heben, ist von vor» und von hinten freigelegt und, wie man das auch in Deutschland   oft ge» tan hat, mit stillosen kleinlichen Anlagen umgeben worden. Aber das sind noch geringe Uebel, verglichen mit den» Plakak- unfug. Irgendwo ain Marktplatz werden alte Häuser abgerissen. Die Baustellen umgibt man, bis die neuen Gebäude fertiggestellt sind, mit Bretterwänden. Es können aber Monate hingehen, bis überhaupt mit den neuen Gebäuden begonnen wird; die Bretter- wände jedenfalls gehören zu dem typischen belgischen Stadtbild. Und um sich gar keinen Profit entgehen zu lassen, kleistert inan sie über und über mit Plakaten in den schreiendsten Farben voll. So etwas geschieht ungeniert gegenüber von prächtigen romanischen und gotischen Bauwerken, ja man untersteht sich sogar, in den Seitengassen Wände und Portale von schönen alten Häusern damit zu besudeln, ebenso, wie man überall den Eisenbahnlinien entlang mit Plakattafeln und Bildern von Riesenschnapsflaschcn und -Zigarrenkisten die Landschaft verdirbt. Dies in demselben Lande, das vor kurzein einen besonderen Minister der schönen Künste ein- gesetzt hat! Es wäre ungerecht, nur auf die Kirche mit Fingern zu deuten, weil sie das ihr anvertraute köstliche Erbe verfallen und verfaulen läßt; die Stadt Gent   läßt ibre Rathausfassade, einen vornehinen Renaissancebau, der eine reiche gotische Architektur aus dem 14. Jahr- hundert erweitert, ebenso nachlässig verbröckeln wie die Geistlichkeit die Kirchen von St. Michael und St. Nikolaus. Diese allerdings, romanisch begonnen und gotisch zu Ende geführt und romanische Bauwerke sind sehr selten in Flandern  ! ist derart baufällig, daß man sich fürchtet, ihr Inneres zu betreten. Die Verkleidung der Außenwände mit Haustein(pierre bleu) ist zum großen Teil ab- gefallen, aber auch die rohen Ziegelmauern darunter sind schab» Haft und zeigen Risse. Und noch werden keine Anstalten gemacht, an diesem Uebelstand irgend etwas zu ändern. Das Innere von St. Bavo   ist in gutem Zustand, bis auf den Chor, der aber ist von den Jesuiten   wenn nicht von diesen selbst, so doch von den Architekten, die ihren Stil bauten in verschieden­farbigem Marmor und mit viel Aufwand von Bronze überarbeitet worden. Es ist erstaunlich, wie verständnislos man dainals, als man doch im Gegensatz zu heute noch Kultur besaß, für die Bav«