In Sorgen wartet. Nibelheim ist in Not. Der greise König fühlt sein nahes Ende, sein einziger Erbe aber, Prinz Hagen , der Sohn des Hagen, der den Siegfried schlug, liegt— gleich Calderons Sigismund— in Ketten, weil die unbezähmbare Wildheit seines Gemüts dem Reich und seinem Volke jeden Tag mit neuen Ver- heerungen droht. Gerald soll Jung-Hagens Erzieher werden und nimmt den wilden von zügelloser Machtbegierde erfüllten Knaben an die Oberwelt mit hinauf. Der nächste Akt spielt einige Jahre später in dem Palais des Milliardärs Jsman in der fünften Avenue New Jorks. Wir erfahren, daß Geralds Zögling, dessen geheimnisvoller Ursprung keinem Irdischen als dem jungen Dichter bekannt ist, seit einigen Jahren verschollen ist. Zur selben Zeit macht sich in den Straßen New Jorks«in Agitator bemerkbar, der gegen die Reichen predigt und dessen dämonische Beredsamkeit die Millionenstadt in ständiger Er- regung hält. Auch die Schwester Geralds, Estella, wird von Teil- nähme und Neugierde in eine dieser Versammlungen getrieben, und nach dem Eintritt des schönen Mädchens scheint dem leidenschaft- lichen Vollsredner alle übrige Welt versunken zu sein. Er spricht nur noch für fie, er dringt nach der Versammlung sie verfolgend bis in das Haus, in dem fie wohnt, wo sich eben die obersten der oberen Fünfhundert zum Festbankett zusammengefunden haben. Gerald erkennt in dem Demagogen der Straße, dem ungestümen Werber. seinen entwichenen Zögling. Da tritt Mime hinzu und verkündet Alberichs Tod. Prinz Hagen ist König von Ribelheim und Herr des Goldes geworden I Hagen will aber König nicht bloß von Ribelheim, sondern auch von den Vereinigten Staaten sein. Mit dem Golde, das ihm jetzt unerschöpflich zufließt, kämpft er weiter gegen die Männer, die er haßt, und für das Weib, das er liebt. Schon ist er der größte Busineßman zwischen New Jork und San Francisco geworden, die Börsen der ganzen Welt richten ihre Kurse nach seinen Mienen, die Milliardäre zittern. Einer ist gekommen, der stärker ist als siel Seinem Palast in der fünften Avenue ist an Pracht keiner zu vergleichen, seine Feste verschlingen Mllionen, man drängt fich um den Mächtigen, den alle heimlich hassen und dem doch alle schmeicheln, weil sein Zorn fie mit Ver- nichtnng bedroht. Die Slaatserhaltendcn von gestern sind die Revolutionäre von heute. Aber noch schleicht die Verschwörung ohn- mächtig im Dunkeln, und der Allgewaltige bringt schließlich seine Widersacher von sich auf die Knie. Der Schluß des dritten Aktes führt den Helden auf den Gipfel seiner Macht und das Werk auf die Höhe seiner Vollendung. Im vierten Akt wird dann gezeigt, wie Hägens kapitalistisches Selbstherrschertum zusammenbricht. Herr über alle toten Dinge der Erde, hat er doch keine lebendigen Menschen für sich zu gewinnen vermocht. Selbst das Weib, dem er seine ganze Macht als gehör- samer Knecht zu Füßen legt, Estella, gesteht ihm, daß sie ihm mit dem Herzen nicht zu eigen ist. Seine Garden meutern. Der Kongreß in Washington erklärt sein gesamtes Vermögen zum Nationaleigentum. »Die Konzentration der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen einen Punkt, wo fie unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Expropriateurs werden expropriiert.*(Marx, Kapitel I S. 793.) Hagen steigt wieder hinab in das Schattenreich, defien König er ist; hell klingt aus dem Orchester, indes sich der Vorhang senkt, das Heldenmotiv des sieg- reichen Siegfried. „Prinz Hagen ist, wie Freunde deS Dichters zu erzählen wisien, als Teil einer Reihe von Dramen gedacht, die gleichsam einen modernen Ring der Nibelungen darstellen sollen. Es ist das Werk eines Mannes, der mit den Mitteln einer starken dramatischen Begabung zu höchsten Zielen strebt. Sinclair hat sein Stück noch einer Probe- aufführung in San Francisco im Januar v. I. vollständig um- gearbeitet; in seiner jetzigen Fassung ist eS durchaus bühnenfähig und bühnenwirksam. Od freilich ein deutscher Tbeaterdirektor die nicht unbedeutenden Kosten einer stilgerechten Aufführung riskieren wird, um dafür, wie vorauszusehen, das allerhöchste Mißsallen der deutschen Kunstmagnalen zu erregen? Das Wagnis wäre nicht gering I Ganz anders läge die Sache, wenn dieses sozialistische Stück zunächst einmal einem Arbeiterpublikum vorgeführt werden könnte. Vielleicht eröffnet sich hier der Freien Volksbühne eine nicht leicht zu lösende, aber überaus dankbare Aufgabel Friedrich Stampfer. polentäeckung oder arhtifebe for Fehling? (Zw den Polarplänen Zeppelins.) Die Havarie des Zeppelin-LustschiffcS.Deutschland * fällt zeitlich fast mit dem Beginn der Polarstudienfahrt ZeppelinS zusammen. Wenn nun auch schon früher über die Möglichkeit eines Erfolges der geplanten Polarfahrt verschiedene Stimmen laut wurden, so ist doch durch die Havarie der.Deutschland * diese Frage wieder akut ge- worden. Ein erfahrener Polarreisendcr, an den sich eine Hamburger Korrespondenz wandte, der Ingenieur F. de Gisbert, läßt sich darüber also aus: Wird Zeppelin mittels eines nach starrem System gebauten Forfcherluftichiffes die Lösung des Streites und der Frage über» Haupt briitgen können? Wird er, volkstümlich gesprochen, den Nord» pol entdecken können? Es sprechen sichZ heute viele Stimmen» gewichtige Stimmen wohl zustimmend aus. Aber dennoch mutz diese Hoffnung bestritten werden. Die Frage zerfällt in zwei Teile.— Ob Polentdickung oder—» arktische Forschung. Zuerst seien die Möglichkeiten der Polentdeckung genauer be» trachtet. Nehmen wir als Ausgangspunkt der Expedition Nordspitzbergen an. Von Hammerfest bis zur Mosiel-Bay würde vom Luftschiff zunächst eine Strecke in Luftlinie von etwa 1100 Kiloi.reter zu be» wältigen sein. Auf dieser Strecke könnte als einzige Zwischen» landungsstelle nur die Bären-Jnsel in Betracht kommen. Aiehmen wir aber an, daß das Luftschiff bis Spitzbergen ungefährdet käme und daß es selbst die sehr berüchtigten Nebel der Bären-Jnsel-Zone vermiede. Auf der Fahrt über Spitzbergen wird das Luftschiff, wenn ihm nicht gerade glückliche Zufälle blühen, mit dem Auftreten der plötzlichen Schnee st ürme zu rechnen haben. Von solchem Schneesturm macht sich der Nichtkenner der arktischen Zone stets ein falsches Bild. Sie treten mit unbeschreibbarer Plötzlichkeit und Heftigkeit auf, so daß buchstäblich der Blick nicht drei Meter vorwärts mehr frei ist. Die Menge des herabkommenden Schnee« ist ebenfalls außerordentlich groß, so daß in weniger Zeit sich eine derartige Belastung auf die gewaltige Fläche des Luft- schiffeö legen würde, daß sie die Auftriebkraft um das Vielfache übersteigen müßte. Es ist serner zu beachten, daß wie Schneestürme so auch Nebel plötzlich und mit stärkster Intensität auftreten,� und daß alle Niederschläge in festen Formen sich auf das Luftschiff setzen. Also in dieser Zone als Eisüberzug. Immerhin ist aber auf Spitzbergen selbst noch mit einer ge» wiffen Regelmäßigkeit der Temperatur zu rechnen. Nun könnte aber das Luftschiff nicht einfach von der Moffel-Bay in schlanken Flügen bis zum 99. Grad nördlicher Breite stiegen. Die meteorologischen Zufälle, die in Spitzbergen zu erwarten sind, würden auf der Pol» fahrt mit verzehnfachter Sicherheit und Stärke eintreffen. Der Weg in Luftlinie von der Moffel-Bay bis zum Pol beträgt ebenfalls über 1100 Kilometer hin und 1100 Kilometer zurück. Man muß bei einer Forschungsreise immer die ungünstigsten Umstände in den Erfolgkoefstzienten einstellen: also annehmen, daß am Nord» pol kein feste? Land, demnach keine Landimgsmöglichkeit sei. Da» durch verdoppelt fich der Weg des Luftschiffes, und es kommen über 2200 Kilometer heraus. Solange die Fahrt über Packeis geht, ist die Temperatur unter dem Luftschiff immer unter 0, während die auf das Luftschiff fallenden Sonnenstrahlen eine Erwärmung der Luftschiffoberfläche herbeiführen müssen. Die dadurch hervorgerufene Feuchtigkeit der Luft ivird fich naturgemäß als Nebel in fester Form auf das Lustschiff niederschlagen und die Belastung des Luft» schiffeö wird, ohne daß noch Schneestürme hinzukommen, sich stets vermehren. Nun soll angenommen werden, daß daö Luftschiff mit einer anhaltenden Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Kilometer die Stunde fährt, so würden unter allergünstigsten Berhällnisien doch 34 Stunden nötig sein, ohne Landungsmöglichkeit. Der Zwang zu einer Landung würde gleichbedeutend fein mit völligem Untergang dcS Luftschiffes und der Mannschaft. DaS Luftschiff müßte also unter allen Umständen einen AktionS» radiuS von mindestens 2000 Kilometer haben. Dabei kämen natür» lich die mitteleuropäischen Verhältnisse vergleichsweise überhaupt nicht in Frage. Für einen solchen Aktionsradius in normalen Ver» hältniffen kommt aber daS Luftschiff, ob starren, halb-»der un» starren Systems noch gar nicht in Frage. Nun sei auch noch eine schätzungsweise Berechnung der Belastung deS Luftschiffs durch einen mittelstarken Schneesturm vorgenommen. Es gehört nicht allzuviel dazu, um auf der Ballonfläcbe eine Schnee» schicht von 10 Zentimeter Höhe zu schaffen. Bei einer Länge des Ballons von etwa 135 Meter und 12 Meter Durchmesser würde die Schneeschicht von 10 Zentimeter eine Belastung von über 2000 Kilogramm darstellen. Nun wäre eine Schneeschicht von 10 Zentimeter aber gar nichts un- gewöhnliches. Und die Schicbt bleibt sehr fest liegen, denn an ein Schmelzen und Abfließen des Schnees ist hier nicht zu denken. Dagegen halte man die höchstgesteigerte Auftriebskraft des Luftschiffes von 5—6000 Kilogramm und man sieht sofort nur, daß heute die Erreichung dcS Nordpols mittels Luftschiff eine Utopie sein mutz. Es bliebe demnach für Zeppelin nur übrig, von der Moffel-Bay ostwärts nach Frauz-Josepb-Land und westwärts bis Graut-Land und Prinz-Patrick-Jusel Erforschungstouren zu unternehmen. Von Moffel-Bay bis Fra »z-Joseph-Land kommt eine Entfernung in Lust» linie von etwa 550 Kilometer in Frage. Mindestens die gleiche Ent- fernung ist von der Moffel-Bay bis Hozen-Jnsel. Auf diesen Strecken ist eigentlich noch alles zu erkunden. Mittels geeigneter Schiffe ließen sich auf Franz-Joscph-Land Stationen für Zeppelin errichten. Wie solche aber nordwestlich, etwa bis Hazen-Jnsel gebricht werden sollen, das zu ergründen wäre weitaus schwieriger. Das Lustschiff müßte selbst über eine Entfernung von 800—900 Kilometer das Nötige hinschaffen. Auf freien Eisflächen ist die LandungSmöglichkeit deS Luit» schiffeö woifl gegeben. Aber daS Eis triftet ununterbrochen. Deshalb könnte keine Station auf dem Eise angelegt werden, sondern nur auf
Ausgabe
27 (8.7.1910) 131
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten