aber lebe, muß ich b'azu Gelb haben(I). Eigenes Geld' hakte ichnicht, und so nahm ich, wo es nur vorhanden war. Ich weißnicht— vielleicht war das auch schlecht, aber ich achtete aufniemanden. Ich kümmere mich nicht darum, welcher Meinung dieMenschen von meinen Handlungen sind. Du weißt selbst, daßich mein Leben nicht umsonst hingeben, sondern eher ein fremdesvernichten werde. Ich war stets bestrebt, die Schwachen zu unter-drücken und von ihnen zu nehmen, was ich nötig hatte. Hätte ichihr Leben bedurft, ich hätte es genommen, aber ich hatte kein Be-dürfnis nach dem Leben anderer. Denke nicht, daß ich unterSchwache die armen Leute verstehe. NeinI Bei mir ist auch derReiche ein schwaches Geschöpf. Als ich mich in Freiheit befand,war ich stärker als ein Reicher, aber jetzt bin ich schwach, manhat mir alles genommen, was ich hatte, und mir bleibt nur übrig,zu sterben."In dem Material, das ich gegenwärtig besitze, bildet dieserBrief durch seinen trostlos düsteren, hoffnungslosen Zynismusallerdings eine Ausnahme. Die übrigen Briefe lehnen sich nur ingrößerem oder geringerem Maße an ihn an. In ihnen wird dieseStimmung meist gemildert durch die hervorbrechende Anerkennungeiner irgendwo existierenden, aber nicht zugänglichen Wahrheit unddurch eine tiefe, herzergreifende Trauer um das vernichtete Leben.Bisweilen stößt man in den Briefen auf Versuche, die Expro-priations-,.Tätigkeit" zu rechtfertigen.„Ich will Ihnen mitteilen—so schreibt einer der zum Tode verurteilten Expropriateure aneinen politischen Gefangenen—, was mich in dieser Minute quält.Ich weiß, dre meisten Menschen halten mich wie auch die übrigenExpropriateure für einen gewöhnlichen Dieb. Aber ich habe nichtfür mich geraubt, sondern denen geholfen, die nichts hatten. Vielewissen das. Ich tat das nicht im Namen irgendeiner Partei, son-Kern auf eigene Faust, und es kränkt mich so, daß man von mirin dieser Weise spricht. Als ich früher in der gemeinschaftlichenZelle zusammen mit Kriminalgefangenen sah, sagten alle, daß dieExpropriateure nur für sich raubten. Ich frage Sie: find dennwirklich alle, die mit Ihnen in einer Zelle sitzen(es handelt sichhier offenbar um politische Gefangene) derselben Meinung wie dieKriminalgefangenen? Ich sagte den Kriminalgefangenen früher,daß es auch Menschen gebe, die nicht für sich, sondern für andererauben. Von mir persönlich habe ich nicht gesprochen, aber es warmir immer so bitterlich zumute, wenn von den Expropriateuren sogesprochen wurde."„Das Urteil ist bestätigt!"Mit den obenstehenden Briefen ist das„autobiographische"Material erschöpft, das die zum Tode Verurteilten unserem Korre-spondenten zustellten. Diese intimen, offenherzigen und voll-kommen uneigennützigen Bekenntnisse und Berichte wurden aufverschiedenen Wegen, aber fast immer unoffiziell, aus den Zellender Todeskandidaten in andere Gefängniszellen geschafft, zu Per-sonen, die nicht die geringste Möglichkeit hatten, auf das Schicksalder Verurteilten einzuwirken. Darum hört man aus jeder Zeilein diesen Briefen nur die Offenheit vor dem Tode heraus. VieleBriefschreiber sagen offen, daß sie unter den gegebenen Bedingungenkeinen Ausweg vor sich sehen, und zweifeln, ob es sich überhauptlohne, vom Leben zu träumen. Und trotzdem könnte man vielleichtnur in dem ersten Briese Anzeichen eines wirklichen Zynismusund einer Reuelosigkeit finden. Aus allen übrigen ertönen trübeNachdenklichkeit und die Sehnsucht nach einem anderen Leben, nacheiner schwer erreichbaren Wahrheit. Kann man wirklich, Handaufs H«rz, sagen, daß für die Autoren dieser Beichten kein Raumsein könne inmitten der Menschen, und daß die Hand, die. dieTodesurteile bestätigt, Scheusäle aus dem Leben entfernt, dieweder für Reue, noch für Besserung zugänglich find?(Fortsetzung solgt.jjDieGroße Berliner Kunftausfrellung.IV.'6. B a u k u n st.Die Säle 13 und 16 find den Modellen. Aufnahmen und Zeich-nungen der Architekten überlassen, die insgesamt eine sehr erstculicheFertigkeit und Präzision der zeichnerischen Technik darstellen und be-reits für sich Kunstwerke bilden.In Raum 13 sind es vor allem die Bauten der ArchitektenfirmaI ü r g e n s e n in Bachmann, die sehr gut den Stand der gegen-wärtigen Durchschnittsbauerei in öffentlichen Gebäuden und Kirchenanzeigen.Man sieht ein gutes Anpassungsvermögen, Rüchfichtnahme aufden Stadtcharakter in der St. Gertrud-Kirche zu Lübeck(744). diedann in den weiterhin gebauten Berliner Vorortkirchen(Karls-Horst 721) mitspielt. Die Fensterlösungen(718), die sehr billigeOrnamentik(719), die unverarbeitete Aufnahme älterer Stilelemente(im Kurhaus Warnemünde 713), besonders auch in der BauschuleRendsburg(716) dann aber auch die Zusammenkoppelung vonZiegeln mit Patina in der Friedhofskapelle für Flensburg(746)—das alles zeigt wenig inneres Verständnis für das organische Aus-bilden eine? Baues, sondern ein geschicktes, aber sehr äußerliches1Verarbeiten allgemeiner Einfälle. Auf die mechanische Anlage derRäume, das Aufsetzen der doch als Oberlicht dienenden Dachfensterals markierten zweiten Stock muß ausdrücklich bingewiesen werden.Nach dem nicht sehr originellen Vorbild der Restaurationsanlagender Ausstellung soll auch der Zoologische Garten dem vorgeführtenModell(745) entsprechend verändert werden. Die Zusammenfassungdurch weit vorgeschobene Flügel, in den beiden Turmachsen,die Ausfüllung durch die Terrassen, die flache Deckungder breiten Giebel ist anscheinend Allgemeineigentum der Archi-tektur geworden und sehr erfreulich, nicht aber sind esdie sehr öden, schematischen Lösungen der Lichtöffnungen.Sympathisch ist die Verbindung des großen Maschinenhausschornsteinsmit dem Turmdach dieses Hauses. Ebenfalls viel Oede bei gutergeschlossener Gesamtanlage ist in dem Reformgymnasium fiir Tempel«Hof(896) von Köhler u. Kranz. Viel mehr ist in dem Entwurfeines Rathauses für Schöneberg von B r u r e i n(323), wenigstensim Obergeschoß- und Dachausbauten; dagegen ist die Verbindungmit den Bögen des Erdgeschosses nicht gelungen, auch das Einsetzender„Augen" mehr mechanisch erfolgt. Eine nicht bessere Lösung istsein Entwurf für Plauen(825), in den, er ebenfalls nicht überzeugendorganisch auf zu breite Bögen steile Pfeilerfenster setzt.Sehr spielerisch und äußerlich zusammengestellt ist das Herren»haus auf Rügen(831) von R o h d e, an dem kaum ein Motiv ausdem Zweck entstand und trotz der bunten Behandlung ein ganze?Stilgerümpel durchscheint. Viel ehrlicher, trotz der ihr begreiflichenBeibehaltung des älteren Schloßstils, ist das Herrenhaus Storkau(883) von B r e s l a u e r und S a l i n g e r, das erprobte Lösungen,wie die schöne Gartenterrasse, das Hofportal nicht eines.modernen"Scheins halber, fallen läßt.Sehr beachtenswert sind noch die Zeichnungen eines Kunst-museums für Basel von Froelich, das die Grundtöne der KunstBöcklins verwertet(855, 871, 872), dann der Entwurf zu der Landes»Versicherungsanstalt Posen von R o h d e, der entsprechende lokaleBausamen aufnimmt. Etwas theatralisch für einen Nutzbau scheint(853) das sehr ausdrucksvolle Schulmuseum für Rostock, ebenfallsvon B r u r e i n(362). Die Entwürfe M ö h r i n g s für eine PesterSparkasse find sehr selbständig(816—819).Aus Süddeutschland fallen die Kirche in Memmingen vonKurz(866) mit fichtlich guten Ueberlieferungen in den freiengroßen Formen und schönen Fenster- und Schmucklösungen auf—und das Polizeidienstgebäude in München von Töbelmannu. Groß(845), vor allem deshalb, weil der Einfluß der Umgebungsich bei dem Bau, der durchaus praktisch, zweckmäßig als„Nutzbau"angelegt ist, in dem Aufnehmen der Kuppeln der benachbarten Frauen-kirche in den Dacherkern zeigt, die reiche umrankende Ornamentikdes Seitenerkers aber ebenfalls zu dem Nachbargebäude der anderenSeite überleitet und so das Haus dem Stadtbild einordnet.Man sieht daraus, daß es ebenso schwer sein mag, in einer Stadtmit reicher Tradition der Bauformen nüchtern zu bauen, wie ineiner nüchternen Stadt reich und üppig, ohne protzig und überladenzu werden. So wird man zufrieden sein müssen, wenn— wie esder Fall zu sein scheint— der nüchternen Zweckmäßigkeit nichtmehr die Phrase und die„stilvolle" Dekoration aufgeklebt wird.7. Zeichnende Künste.(Raum 5 b, 56, 7 a.(Jüttner) und 46—50).In den zeichnerischen Werken müssen die Schwächen und Stärkendieser Kunst sich am klarsten widerspiegeln. Muß die gelehrte sorg»fältige Durcharbeitung im Strich den äußeren Eindruck zunächstgünstig gestalten, dafür aber das Mittelmäßige des geistigen Er-leöens, die vorläufige schwache Beziehung zur Naturfarbe, dieTemperamentlosigkeit und Banalität der Vorwürfe, diesen doch sehrabschwächen.Immerhin enthält sie oft viel mehr Frische, unmittelbares An«schauen, als die Uebertragungen in Oelfarbe und Ton und bietetmindestens ein technisch nicht unerfreuliches Bild.Die korrekte Kleinarbeit kommt am schönsten in Architekturstllckenzur Geltung, so in 329 von Bendrat, in der farbigen Zeichnungder Marienkirche zu Greifswald(333) von ihm noch schöner undmalerisch gesehen. Die übliche Außerachtlassung der Luftreflexe störtden Eindruck in dem schön gezeichneten„Schlangenadler" vonL i ß m a n n(341), schöne Nachtbilder find die von Martini»„Im Scheine der Venus" und von Ernst Liebermann(312),unmöglich in den Farben und an Deister Porzellannialerei er-innernd ist das banale Defilö von Sch reuer(318), sehr hart auchDoeplers Hafen(320). Die zahllosen farbigen ZeichnungenJüttners wird man nur mit gemischten Empfindungen betrachten,die ganz original entwickelte technische Eigenart zu geben, die Komikund den Witz der kleinbürgerlichen Weißbierstuben aber nicht langeertragen können, zumal weun er an ein so tieffinniges„witziges"Blatt kommt, wie das 428—„der Maurer gürtet sich zum Kampfim Baugewerbe". Die platte Behaglichkeit, das zufriedene Umherschwimmen im seichtesten Tümpel billigster Komik charakterisiert dengeistigen Tiesstand seines Witzblattpublikums vortrefflich.Unter den Radierungen, die einen sehr breiten, keineswegsdurch besonders eigenartigen Inhalt gerechtfertigten Raum ein-nehmen, ermüden durch eine Ueberhäufung ohne Ordnung dietürkischen Szenen Bauers, deren monotoner Vortrag selbst daSstoffliche Interesse lälmt(1567— 1570, 1662— 1684). Viel lebendiger,wenn auch zu routi? iert und etwas banal nach Reznicek wirkend,sind die leichten anmutigen, Balettgeschichlen Legrands(1571 bis