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natürlich für jede einigermaßen streng geregelte Tätigkeit unbrauchs In der leichten und freudigen Form des Spiels stellt sich bar. Er bleibt also in Hoffnungstal, so lange er darf( zwei Jahre die Arbeit zuerst in den Dienst der Erziehung. Alle gefunden und ist formell die Höchstzeit), wird dann nach Lobetal abgewimmelt, lebensfrohen Kinder sind erfüllt von Schaffensluft, die im Spiel bleibt dort seine Zeit, wechselt wieder mit Hoffnungstal, um schließ- ihre Auslösung findet. Augen und Hände sind restlos tätig; sie lich in Gnadental bei den Alten" zu landen. Wer will ihn erspähen, ergreifen und wollen Stoffe bewältigen. Was sich irgend­schuldig sprechen? Ist er nicht vielmehr das Opfer des wie bearbeiten und gestalten, formen oder fneten, zerreißen oder Hoffnungstalschen Systems, das feine geregelte ordent- zerschneiden läßt, ist willkommen und findet seine Verwendung. liche Arbeit zu bieten, teinen anständigen Lohn zu zahlen vermag Zunächst, wie der Zufall das Material und die Idee zusammen­und so die Leute schlankweg zum Nichtstun auffordert. führt. Mit der Zeit aber will das Spiel einen bestimmten Zwed Es find viele, wohl über die Hälfte, ehemalige Sträflinge" in haben. Und manche Kinder brauchen Aufgaben, verlangen geradezu Hoffnungstal, die sich unglückseligerweise einmal in einer törichten nach fleinen Pflichten, deren Erfüllung sie belebt und freudig er Stunde in die Maschen des Strafgesetzbuches verfangen und nun in hebt. Da steht das Unvermögen der Mutter oft ratlos dem Bedürf unserer Welt der Scheingerechtigkeit und Scheinmoral feinen Blaz nis des Kindes gegenüber. Wie wertvoll ist in solchen Fällen eine mehr finden können. Es ist von einer rührenden Tragit, wenn diese zweckmäßige Anleitung und Beratung! Leute des Abends von ihrem Leben im Treiben im Gefängnis oder Aus der Erziehungspraxis des Berliner   Pestalozzi  . Buchthaus sprechen. Sie haben dort wohl auch bloß bis 25 Pf. Fröbel- Hauses sind ein paar kleine Bücher hervorgegangen, täglich verdient aber mit einem gewaltigen Unterschied. Sie waren die in diesem Sinne nüßliche Handreichungen gewähren wollen. damals Strafgefangene und sollten sühnen"; ihre Arbeitskraft war Bahllose Mittel zur Freude, zur Tätigkeit und geistigen Bereiche­an Unternehmer verpachtet. Dazu wurde ihnen Arbeitskleidung gerung, die im Hause verborgen liegen, wollen sie heben und nutzbar liefert, es gab Belohnungen, Vergünstigungen, Arbeitsprämien. Und machen. Etwa so, wie ein guter Kindergarten durch Spiel und hier in Hoffnungstal? Nichts von alledem. Hier darf der Kolonist Lust in die Welt der Arbeit und der ernsten Lebensdinge einführt. noch für sein Lumpengeld sein bißchen Kleidung und Schuhwerk ab-( Kleine Beschäftigungsbücher für Kinderstube und reißen und hat er nach sechs Monaten gar 15 Mart Guthaben, Kindergarten. Herausgegeben von Lili Droescher  . Verlag von So tann er dies ruhig ruhig wieder der Kolonie einhändigen, B. G. Teubner, Leipzig   und Berlin  .)

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( Schluß folgt.)

Wege zur Arbeitsschule.

um fich mit alten Sachen neu einkleiden zu laffen. Im ersten Bändchen Das Kind im Hause" zeigt die Bergünstigungen, Arbeitsprämien? Nein, eher noch Abzüge, wenn einmal einer ungeschickt genug sein sollte, ein Arbeitsgerät, eine Herausgeberin, wie der tägliche Pflichtkreis der mütterlichen Arbeit im Hause dem Kinde unzähligfache Gelegenheit zur Betätigung Hade und dergleichen zu zerbrechen.- bietet. In der Küche und am Waschfaß, beim Backen und Staub­wischen, am Nähtisch und in der Bodenkammer fassen die kleinen flinten Hände mit zu; auf dem Markte und im Kuhstall, beim Straßenpflastern und sonstigen Dingen machen die allzeit wiß­begierigen Sinne Beobachtungen und Entdeckungen in Hülle und Fülle. Woher das Mehl kommt und wie das Brot entsteht, wer den Honig bereitet und die Leinwand webt, ist bald kein Geheimnis mehr. Rasch sind zwei kleine Webebrettchen geschnitzt und die primitive Weberei kann beginnen. Ohne viel Mühe ist auch bald eine Bauernstube mit bäuerlichem Hausrat, in der wohl Mutter ihre Jugend verlebte, aus Holz, Pappe, Streichholzschachteln usw. aufgebaut. Auch eine Art Musikkapelle läßt sich zustande bringen und ein kleiner Festzug mit Lampions aus Kürbissen, selbst­gefertigten Stodlaternen, bunten Kränzen und Kappen, die Mäd­chen mit Sicheln, Harken und Körben das ist der Gipfel jubelnder Kinderlust.

Die Psychologie unterscheidet, indem sie die geistigen und feelischen Individualitäten der Menschen um zwei bestimmte Typen gruppiert, eine sensorische und eine motorische Konstitu­tion. Sensorisch deutet auf Sinn, Empfindungsfähigkeit, Intellekt hin; motorisch läßt auf Bewegung und Tätigkeit schließen. Men­schen, deren psychisches Wesensbild in der Hauptsache sensorisch ist, find Theoretiker, Forscher, Grübler; motorische Naturen hingegen gehen in der Praxis, den realen Tatsachen und Zuständen des Lebens auf.

Das zweite Bändchen führt in die Natur hinaus und leitet an zur Naturbeobachtung und Beschäftigung im Rahmen des Natur­erlebens. 2 as schenkt die Natur dem Kinde? Darauf antwortet die Verfasserin Minna Blander, indem sie eine reizvolle Menge wunderlieblicher Naturgaben vor uns ausbreitet: Anofpen und Blätter, Blüten und Haseltäbchen, Flechten und Lannenzapfen. Und alles dies läßt sich zeichnen und malen, aus­schneiden und plastisch nachbilden. Aus Binsen flicht man Körbe und aus Birkenrinde werden Puppenmöbel gefertigt; die Knaben schnißen ein Schiff oder legen ein Aquarium an, pressen Pflanzen oder zeichnen einen Wetterkalender. Jeder nimmt, was die Natur ihm gibt, und je inniger der Umgang, je vertrauter der Verkehr mit ihr wird, desto tiefer werden die Einblicke in das Naturleben, defto freier entfaltet sich der Geift.

Die Verschiedenheit im psychischen Typus tritt auch schon bei Kindern zutage. Wenngleich selten in reiner Ausprägung, so doch unverhüllt und ohne die erzwungenen Konzessionen, die später der Schulbesuch unvermeidlich mit sich bringt. Denn unsere heutige Schule ist ihrer Organisation wie Methode nach so beschaffen, daß sie nur dem sensorischen Typ gerecht wird. All die mehr praktisch beranlagten Naturen, die schwer aus Büchern lernen, sondern viel lieber die Dinge in ihrer Störperlichkeit auf sich wirken lassen, find übel daran. Das ist um so bedauerlicher, als mindestens drei Biertel aller Kinder zum motorischen Typus zu zählen sind. Es ist ein Erfolg der neueren Zeit, durch unablässige Kritik an der Einseitigkeit und Naturwidrigkeit des Lern- und Buchunter­richts die Aufmerksamkeit der Pädagogen für die Forderungen ge­schärft zu haben, die die findliche Natur an die Erziehung stellt. Man erkennt bereits, daß man auf dem bisherigen Wege einhalten und umkehren muß. Mit jedem Tage erwachsen der Drillschule mehr Gegner und der Arbeitsschule mehr Freunde und Be­Die nächsten Bändchen enthalten für Herbst- und Wintertage fürworter. Das macht, weil sich die ganze soziale Entwickelung in eine Fülle von Anregungen zu Spiel und Beschäftigung. Ueber einer Linie bewegt, die ihr Ziel in einer höheren Bewertung und Kinderspiel und Spielzeug" schreibt I ara Zinn Anerkennung der Arbeit findet, auch auf dem Gebiete der Er- und gibt praktische Anleitung zur Selbftanfertigung von Spielzeug. ziehung und geistigen Menschwerdung. So wird zweifellos der Da wird aus Attendeckeln eine Puppenstube, aus Eicheln ein Schule die Zukunft gehören, die das Wissen, Können und Wollen, Puppenservice, aus Batetfnebeln eine Puppenschaufel, aus Streich­bas sie vermitteln soll, durch praktische Darstellung und finnliches Erleben, durch Formen, Gestalten, Stonstruieren und Produzieren im Kinde wedt, entwidelt und zur Vollendung bringt. Sie wird die Grenzen ihres Wirkens über die Wände des Lehrzimmers hinaus erweitern und Garten, Wald und Wiese in ihren Bereich ziehen; sie wird auch über Bücher, Hefte, Karten und Tabellen hinweg Hände, Sinne und Hirn zu Hammer und Säge, Meffer und Schaufel, Winkelmaß und Hobelbank führen und ihnen dort neue ungeahnte Quellen zu geistiger und seelischer Bereiche. rung erschließen.

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holzschachteln eine Eisenbahn, aus Federn eine Windmühle und aus Kirschternen ein Mosaitspiel gebaut. Mehr auf das Nüßlich­feitsprinzip lenkt Emma Humser die kindliche Arbeitsluft hin, indem sie zeigt, wie Geschenke von Kinderhand" an gefertigt werden können. Zupfpuppen und Kleider dazu, einfache knüpfarbeiten, Hängematten und Brotbeutel, Ballneße und Berlen fetten sieht man da entstehen. Weiter versucht sich die wachsende Geschicklichkeit an Ausnäh- und Applikationsarbeiten, Papier, Tuch, Leder- und Korbflechterei usw. Fröbels Forderung, bei Spiel und Arbeit das Kind frühe zum Nachdenken zu führen", Es ist interessant, zu beobachten, wie man gegenwärtig in den findet in weitgehendem Maße Beherzigung. Ein besonderes Gebiet Kreisen der Erzieher tastend die Wege zu gewinnen versucht, die der Kinderbeschäftigung pflegen schließlich Hildegard Gierte zu dem schönen Ziele führen. Ueberblickt man die pädagogische und Alice Davidsohn in ihrem Bändchen Allerlei Biteratur der letzten Jahre, merkt man deutlich die Schwen- Papierarbeiten". Es ist erstaunlich, welche Unmenge von fung und den langsamen Aufstieg. Während man auf dem Lehrer- Lebensformen sich dem kindlichen Geiste allein durch Falten und tage in Köln   noch mit fühler Ablehnung der Frage der Arbeits- Ausschneiden vermitteln läßt. Der Papierkorb wird zu einer erziehung gegenüberstand und diese schroffe Haltung um jene Zeit wahren Spielzeugquelle, ja mehr noch, geradezu zu einer Vorschule die ganze Literatur beherrschte, ist man auf dem Wege über die für den Elementarunterricht im ersten Schuljahr. Fast keine Vor­Hamburger Kunsterziehungsbewegung einerseits und die Leipziger   ftellung, die der Lehrer bei dem Schulneuling voraussetzen muß, Knabenhandarbeitsbewegung andererseits zu immer größeren Zu- bleibt hier unvorbereitet und unberührt; daneben wird die Empfin geständnissen gelangt, bis man sich durch die resolute Pionierarbeit dung für das Schöne in nachhaltiger Weise gefördert. Nun kann der Landerziehung sheime, die den Beweis der erfolg die Schule mit ihren Aufgaben und ernsten Pflichten kommen. reichen praktischen Durchführbarkeit der Arbeitserziehung lieferten, schließlich sogar zur Tat gedrängt sah. Schon wird in den Schulen dem Zeichnen, Formen, Wandern ein breiterer Raum als früher gewährt, und in der Literatur glänzt das Morgenrot wieder, das das Nahen einer neuen Erziehung ankündigt,

Die Lernschule, die auf das Spiel- und Arbeitsbedürfnis des Kindes keine Rücksicht nimmt, ist heute für viele der A- B- C- Schüßen eine Stätte der Qual, der Langeweile, der ödeften Drillerei und Geistesabtötung. Wie aber gewinnt ihr Betrieb sofort Leben, wie verleiht sie Frische und Freude, wenn die Selbfttätigkeit Einzug