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Nun lag er und fah den Wolken zu und deklamierte aus Von der Brüffeler Weltausstellung.

Ser Maria Stuart " und war sich nicht recht klar, ob er ein so großer Esel wäre, oder die Menschen hier.

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Jedenfalls war ihm aber klar, daß er wie eine Geiß im Stall hier stand und gerne Sprünge genucht hätte, die er nicht machen konnte. So mußte er sich hüten, sich nicht lächer­lich zu machen.

Es war schon bekannt geworden, daß er viel auf dem Burggemäuer lag und zu den Wolfen fab. Wolfenguder" nannte man ihn deshalb. Und seine Wirtin gab ihm eines Tages zwischen Schinken und Eier den guten Rat, das zu laffen, weil sich schon alle Leute über ihn aufhielten und ihn für nicht ganz klar im Kopfe erklärten.

Das machte ihm so einen Heidenspaß, daß er sich vergaß und der dicken Wirtin eins auf den Hintern hieb.

Dann schämte er sich aber so, daß er meinte, er sei nun ganz und gar unmöglich hier geworden.

Georg der Eiferer sagte: Ha, ha, er fängt an, sich zu fühlen." Nur der Seppel Meyer tröstete ihn und sagte:

Die hat so viele Röcke an, das tut ihr nichts. Bezahl eine Runde, dann ist alles wieder gut."

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Er bezahlte die Runde. Aber er schämte sich noch lange. Die Wirtin war eine gute Frau und trug's ihm nicht nach. Die Herbst war gekommen, die Weinlese war vorüber. Aus den Kellern roch die Gäre des Weins in den Wirt­schaften gab's Federweißen. Der Wald stand in braunem Gold und tausend Prächten das Feld war leer, und das Sterben war in der Welt. Der Philipp lag nicht mehr im alten Burggemäuer, er faß in seiner Stube vor aufgeschlagenen Büchern. Er las nicht. Er starrte nur vor sich hin.

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Draußen der Birnbaum war fahl geworden. Auf den Telegraphendrähten hatten sich die Schwalben versammelt. Und nun waren sie fortgezogen. Nun war die Welt leer, Nun steckte ihr Reichtum in Haus und Keller.

Und ihn hielt's nicht. Er hatte nichts zum Einsammeln und Bewahren gehabt. Er war arm. Und was er hatte, war nicht Gold, sondern Talmi. Elendes Talmi.

Ein Briefchen fam.

Herman Eigner lädt seinen Nachbarn, Herrn Kaiser, zu einer kleinen Herbstfeier im Gasthaus Zur Sonne" auf morgen abend freundlichst ein."

III. Die Heimarbeitsausstellung.

Wir lassen die lärmende Prateratmoſpäre der Hauptavenue hinter uns, durchqueren den Holländischen Garten" und gehen um das deutsche Gebäude herum bis zu einem Gittertor, hinter dem ein fleiner friedlicher Park schlummert. Unwillkürlich steht man einen Augenblick still und blickt, beglückt von dem unerwarteten Bild des Friedens auf die majestätischen Ulmen, zwischen deren Zweigen blumengeschmüdte Häuschen liegen. Sind wir noch auf der Welt­ausstellung? Als Antwort tönt ein Tofen, Streifchen und wildes Lärmen herüber: zur Rechten dehnt sich die riesige" Plaine des Attractions" mit ihren irrfinnigen Rutschbahnvergnügungen und anderem Zauber. Auch der abseitige grüne Winkel, den wir nun betreten, ist noch Weltaus stellungsgebiet. Er birgt, troß seines fröhlichen Nachbars, ein Stüd grauesten Elends. Denn im Kranz der Ulmen und Kastanien, zwischen denen sich die Häusertypen der Internationalen Ausstellung für Arbeiterwohnungen" erheben, steht ein schlichter Bau, deffen Stirnseite in den beiden Landessprachen die Aufschrift Heim­arbeit" trägt.

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Es ist das erstemal, daß ein Land auf einer Weltausstellung nicht nur seinen flimmernden Kulturprunt, sondern auch dessen schmerzliches Geschwister, das Elend seiner Schaffenden zur Schau stellt. Und zur Schau stellt ohne heuchlerische Bose, ohne jeden beschönigenden Schein, mit einer Bollkommenheit des Bildes, das an grausamem Realismus die Berliner Heimarbeits­ausstellung weit übertrifft. Denn das Elend der Heims arbeitssllaven spricht hier nicht nur aus Photographien, statistischen Tabellen, graphischen Darstellungen, aus den ausgestellten Erzeugnisfen mit dem Vermerk der Stundenzahl und des Verdienstes. unter denen als einer der ber­Das Streben der Veranstalter dienstvollsten Genosse Camille Huysmans zu nennen ist nach Wahrhaftigkeit und Vollkommenheit ging weiter. Wenn die Aus­ftellung für Arbeiterwohnungen zeigen will, wie das Heim des Ar­beiters beschaffen sein soll, jo zeigt die Heimarbeitsausstellung, wie es in Wirklichkeit beschaffen ist. Sie führt eine Anzahl von Heimarbeitshäusern aus verschiedenen G genden Belgiens vor, die der belgische Architelt elle mans mit einer bis in die kleinsten Details gehenden Gewissenhaftigkeit nach den Driginalen erbaut hat. In diese Hütten ist nicht nur der Ar­beiter und seine Familie, sein Arbeitsgerät und sein ganzes Mobiliar verpflanzt worden!

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Die Heimarbeitshäuser sind rechts und links dem Hauptgebäude vorgelagert und jeder Besucher kann darin den Arbeitsprozeß ber folgen und die Räume besichtigen. Ich war unzählige Male dort und jedesmal schob und drängte sich ein Strom von Menschen durch die niederen, schmalen Türen. Hört man da und drinnen im Haupt gebäude alle die Ausrufe des entfezten Staunens, des Mitleids und oft des Bornes angesichts all des Elends, das diese Heimstätten" enthüllen, dann fieht man wieder einmal, wie bequem sich's unsere Eigner war ein merkwürdiger Mann, der sich von allen Gesellschaft eingerichtet hat, daß fie fich das tiefste Elend so schön hier, außer dem Onkel Wolff, unterschied und abhob. Er fern vom Leibe zu halten versteht. Die meisten Gegenstände, die hatte Philosophie studiert und Privatdozent werden wollen. da produziert werden, nimmt jeder täglich in die Hand, trägt fie Da riß ihn eine Nervenkrankheit aus Beruf und Karriere. Er auf dem Leibe, fie dienen den unentbehrlichsten täglichen Bedürf mußte das angestrengte geistige Arbeiten aufgeben und viel niffen und die wenigsten ahnen, daß fie unter Bedingungen ge in freier Luft sich aufhalten. Nun erwies er sich als wahrer schaffen wurden, die selbst dem Indifferenten Grauen einflößen. Philosopher wurde Gärtner . Er hatte einen großen Obst- Beginnen wir beim rechten Flügel, wo wir auf das Häuschen garten, züchtete Erdbeeren und pflegte seine Baumschule. Die eines auswebers aus der Gegend von Courtrai ( Flandern ) Leute haben ihn nicht verstanden und begriffen so manchen bon ftoßen. Da ist die table Arbeitsstube, deren größerer Zeil vom feinen Schritten nicht. Er fragte nicht danach. Er ging seinen Webstuhl eingenommen ist. Ein anderer Raum ist Küche und Wohn­raum. Da arbeitet auch die typische Hilfskraft der Heimarbeiter Weg. Zuweilen nicht ohne Halsstarrigkeit und Fanatismus, familie: das Kind. Die Einrichtung: Ein paar armselige, ber aber geradeaus und unbekümmert. Er hatte sich nach seinem witterte Möbelstüde, da und dort ein Binn oder Meffingstid, eine Krankfein eine eigene Weltauffassung und eine ungebrochene Uhr und ein Christusbild und, eine Maria. Noch eine Rammer unter Dach und zwei unten die Schlafräume" der Weberfamilie. Die Willenskraft bewahrt. Statistit im Innern der Ausstellung gibt die Illustration zu diesem triften Heim: fie belehrt uns über Hausweberlöhne in Flandern und Brabant von 35 Cts., 19 Cts., 15 Cts. und sogar 12 Cts. für die Stunde.

Philipp hatte ihn nur einmal gesprochen. Der Onkel Wolff hatte ihn mit ihm bekannt gemacht. Schon durch seine äußere Erscheinung- langes, lodiges Haar, eine hohe Stirne, bibe Augen, einen geistvollen Kopf- und den Gegensatz der schweren Gärtnerstiefel und des groben Anzugs, war er ihm aufgefallen und interessant erschienen. Nun war er eigentlich stolz darauf, daß er von ihm eingeladen worden war. Die Einladung war für den Samstag abend, das paßte gut zum freien Sonntag. nun hatte er nur noch das Notwendige für feine Schule vorzubereiten und sich weiter keine Sorgen zu machen.

Herbstfest! Der Gedanke zog ihn an. Er dachte an die Weinlese daheim, die so viel Freuden brachte und so lustig war, trop bitterer Kälte oft. Die Schlafhauben hier hatten kaum den Mund zu einem Juchzer aufgetan. Nun dachte er, würde es doch noch ein schönes Herbstfest geben, dem auch der Sinn nicht fehle. Dafür bürgte der Veranstalter. (( Fortsetzung folgt.))

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Ein Nachbar des Webers ist der Arbeiter aus 2oderen ( Dftflandern) der Felle für Hüte verarbeitet. Es ist die traurigste Sütte von allen und zeigt die letzte Armseligkeit ohne einen Schimmer bescheidenster Wohnlichkeit. Die Luft wird trotz des offenen Fensters bom Geruch der Häute verpestet. In einem Nebenraum ist die abgezehrte Frau des Arbeiters mit dem Schneiden und Zurichten der Felle beschäftigt. Auch hier wieder das arbeitende Kind, das, wie fast alle Kinder dieser Arbeiterkategorie, ein Analphabet ist. In seiner Eröffnungsrede sprach der Arbeitsminister Hubert von den gewissen berüchtigten Vorzügen", die schließlich die Heimarbeit habe. Bu ihnen mögen die Klerikalen wohl den für sie ja unzweifelhaft profitablen Analphabetismus rechnen, den die Kinderarbeit hervor rufende und begünstigende Hausindustrie zur Folge hat. Der Bettel draußen teilt über den Familienverdienst mit: Der Mann 21 Fr., die Frau 12 Fr., das 12 jährige Kind 9 Fr. pro Woche.

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Wieder einige Schritte weiter haust in einer Schmiede der Nagelschmied aus Bohan in den Ardennen, wo dieses Ge­werbe zu Hause ist. Sein Gesellschafter und Helfer ist ein Hund, der ihm als Motor" in einem Tretrad dient. Der Hund, freilich ein gutes Tier, findet allgemeines Mitleid. Die eintönige Arbeit des Menschen, der Tag aus Tag ein Nagel um Nagel schlägt, erwedt