7 giftet hat, Anders?... Hast Du nicht von Enthaltsamkeitsvereinen reden hören?" Ja, es war ihm schon so, als sei derlei im Gange in den Nach- bargemeinden.Sind das nicht diese diese, die gar nichts trinken?" Ja. und zu denen gehörte Jürgen auch. Hm!" Anders sandte einen Strahl Tabakssaft aus dem einen Mundwinkel und nahm gleichzeitig mit einem langen Blick Abschied von der grünen Flasche. Mit einem Seufzer legte er dann den Ellbogen auf den Tisch, stützte wie in aufhorchender Stellung den Kopf in die Hand und fragte:Na, wo warst Du denn sonst noch, Jürgen? so heißt Tu doch, nicht wahr?" Oh, ich habe bald hier bald dort gedient, sowohl auf Fühnen, wie auf Seeland und ein paar Winter besuchte ich die Bauern- Hochschule." Der alte Dünenbewohner kniff kritisch die Augen zusammen. Auf der Hochschule! Hast Du denn ein äh Examen ge­macht, damit Du irgendetwas werden kannst?" Examen? N ein!" Ja, was wolltest Du denn da?" Mir sind dort die Augen geöffnet worden; ich lernte das Leben sehen und bekam offene Ohren für alles, was sich rührt und «gt in der Welt. Das ist doch wohl auch etwas wert. Ich habe dort gelernt, was es eigentlich heißt, ein lebendiger Mensch zu sein. Anders!" Mir scheint eigentlich, das war für die lange Reise ein biß- chen wenig! Bist Du noch anderswo gewesen?" Ja, ich diente auch ein paar Jahre in Südjütland." Anders kraute sich mit der Pfeifenspitze hinterm Ohr und meinte etwas spöttisch:Vielleicht war hier zu Hause nicht Platz genug für Dich?" Doch, aber" Jürgen warf mit rascher Bewegung den Kopf zurück,es ist gut, wenn man sich in der Welt umsieht, es erweitert den Horizont!" Hm! Ja, viel Geld hat es Dir wohl nicht gerade eingebracht?" Darum tat ich es, weiß Gott , auch nicht... nein, denn dann war' ich in Amerika geblieben!" Was, Teufel, bist Du auch in Amerika gewesen?" Anders hatte die Pfeife ausgehen lassen und machte ein Gesicht wie jemand, der im Kartenspiel verloren hat. Marie hob langsam die Augen von ihrem Nähzeug und sandte den beiden«inen ängstlichen Blick zu. Kjesten, die hinten vom Ofenwinkek aus der Unterredung gefolgt War, flocht nun die Frage ein, wie lange er dem Mikkel Peter in Tauch diene. Nun wurde Anders wieder lebendig:Ja, was sagst Du nun zu einem solchen Mann?" N nu, im Grunde ist er ja ein gutmütiger Mensch; aber mit seinem Verstand ist es nicht weit her." Das stimmt, Jürgen! Das ist auch meine Meinung." Ein von ihm angerissenes Streichholz zischte und sprühte.Mit seinem Verstand ist es wirklich nicht weit her." Bäk! Bäk! Was tut nun solch ein Mann eigentlich den Tag über?" Bäk! Bäk! Einen Teil des Tages bringt er ja damit zu, daß er aus seines Vaters Meerschaumpselfen raucht und in seiner Mutten Betten liegt." Das mag wohl etwas von den Dingen sei«, die er kann, ha, ha, ha!" lachte Anders. Und dann frißt er sich wohl beinahe einen Buckel an." Er hat schon einen nicht so kleinen, scheint mir~ nu/ baß er vorne sitzt, he, he!" Sie lachten beide.Stimmt es etwa nicht, Jürgen, wie? he! he!" Er lachte wieder über seinen Einfall und dampfte dabei vergnügt.Uns anderen geht es nicht so; bei uns will sich kein Fett ansetzen." Plötzlich flog ein Schatten über das Gesicht des Alten. Im Herbst kam eine gange Gesellschaft angezogen mit ihren Hunden und allem möglichen, hier über mein Land, und da wurde ich wütend auf ihn. Ich jagte sie alle miteinander davon.. war das nicht etwa mein gutes Recht! Mikkel Peter aber wurde niederträchtig. Er mutz sich ja immer aufspielen, weißt Du wohl!" Ich kenne sie wohl, Anders! Ich kenne all die kleinen, spitzen Worte! Aber vielleicht wird es noch mal anders werden, vielleicht bricht noch mal eine andere Zeit an; denn es ist Früh» ling in derLuft, Anders!" rief Jürgen mit jungen, strahlen­den Augen. Der alte Dünen-Häusler jedoch wand sich bei diesen Worten förmlich auf seinem Sitz und ivar ganz unsicher, als er bemerkte: »Ja, das will sagen äh wir haben ja augenblicklich Herbst, ober äh ein Prachtwetter ist es. das steht fest." Kjesten trat näher und schaute auf die alte jütländische Uhr, die zwischen Fenster und Küchentür an der Wand hing und mit ihren großen Bleigewichten in langsamem Tempo die Zeit angab. Dann räumte sie die Kaffeetassen beiseite, trocknete mit ihrer Schürze die feuchten Ring« ab, die diese auf dem Tisch hinter» lassen hatten und sagte:Ihr habt ja viel miteinander zu fchimcken, Ihr Mannsleute; aber nun mußt Du doch wohl mal nach dem Vieh sehen, Anders, und ich will mich um das Essen be» kümmern." Anders blinzelte und fragte schelmisch:Aber was sollen denn nur Jürgen und Marie so lange anfangen?" Ach Du» Du alter Bock!" neckte sie und gab ihm einen leichten Stoß. Er lachte herzlich. (Fortse�ung folgt.)! Die Gründung der Qmvcrlitat Berlin » i. In der zweiten Oktoberwoch« werden sich die Gelehrten der ganzen Welt zusammenfinden, um dem Ruhme der Universität Berlin zu huldigen, die vor hundert Jahren ohne jede Feierlichkeit eröffnet wurde, indem man einfach Vorlesungen zu halten begann. Um so größer wird der Pomp heute sein. Wo man Pracht ent- falten will, scheut man sogar nicht die lärmende Mitwirkung der Internationale. Nur Frankreich hat sich der Einladung und Mit- Wirkung zu dem Neu-Berlinischen Spektakelstück entzogen, obwohl es die Ursache der Begründung gewesen ist: es hat verständlicher- weise nicht vergessen, daß es Berliner Professoren 1870 waren, die erklärten, sich ihres französischen Namens schämen zu müssen. All die Festreden, Festessen, Festschriften, Festzüge aber der nächsten Tage werden die ganze deutsch -preußische Gelehrsamkeit die Achtung vor der wissenschaftlichen Wahrhaftigkeit durch den hartnäckigen Kultus der größten aller Lügen demonstrieren lassen: man wird das Hohenzollcrutum als Hüter und Mehrer der Wissenschaft im allgemeinen und der Universität Berlin im besonderen preisen! Und doch hat jeder amerikanische Milliardär, der seine kapita» listischen Sünden durch Universitätsstiftungen zu sühnen versuchte, mehr für die Pflege der Wissenschaft getan, als sämtliche Hohen- zollern zusammengenommen. Erst hat man Wissenschaft und Pro» fessoren verhöhnt und verachtet; dann in den idealistischen und nationalrevolutionären Zeiten Professoren und Studenten blutig verfolgt und gehetzt: und erst, als die Studentenschaft ihre gesell« schaftliche Zusammensetzung geändert hatte, als aus verdächtig armen und regsamen jungen Leuten höchst loyale Sprößlinge des Adels, der hohen Bureaukratie und der reichen Bourgeoisie ge- worden waren; als die Professoren so sorgfältig auserlesen waren, daß ihre unbedingte Zuverlässigkeit in der Respektierung der ihnen angewiesenen Grenzen über allen Zweifel sich gesteigert hatte, be- gnadete man sie, an der höfischen Tafel bei besonderen Gelegen- hiten zum Ruhme der Monarchie mitessen zu können. In diesem Zustand vollendeter Zähniung befindet sich heute die preußische Universität, insbesondere die Gardeuniversität Berlin . Kein preu- ßischer Kultusminister erkennt heute die unbedingte Lchrfreiheit an. Die große Weltbewegung des Sozialismus hat keinen Ver- treter an der Universität, ja es wird nicht einmal ein Anhänger der Sozialdemokratie auf einem neutralen Lehrstuhl geduldet. Die Studenten dürfen sich nicht zu ernsthafteren sozialwissenschaftlichen Vereinigungen zusammenfinden, geschweige zu sozialistischen Or­ganisationen. Dafür arbeitet die Universität friedlich und innig mit der Polizei und den Spitzeln des Zarentums zusammen, und ihre Professoren müssen sich jämmerlich entschuldigen, wenn sie ein- mal die Liberalen aufforderten, bei einer Stichwahl einem So- zialdemokratcn gegen einen Erzreaktionär zu helfen. Sogar die Organisation verbietet man den Universitätslehrern, oder sie sind vielleicht so gut gezogen, daß sie schon von selbst wissen, daß sie so etwas nicht tun dürfen: an den Hochschullehrertagen der letzten Jahre nahm kein Berliner Professor teil, und keiner unterstützt diese gewerkschaftlichen Bemühungen, die Freiheit der Wissenschaft zu sichern. In der Gründungsgeschicht« der Universität Berlin sind bereits alle Erscheinungen der preußischen Universitätspolitik enthalten: die finanzielle Knauserigkeit, die Regiexungseingriffe in die Selbst» Verwaltung, die Strafprofessuren, die man mißliebigen Gelehrten an die Seite setzt, um ihre» Einfluß zu brechen, die Berufungen über den Kopf der Fakultät hinweg, die Maßregelungen, die Krön- und Polizciprofessorcn. Der Unterschied zwischen damals und jetzt besteht darin, daß man damals weniger Heuchelei trieb und offen den Kasrrnencharakter der Universität aussprach; daß es anderer- seits Männer gab, die sich diesem preußischen Korporalgeist wider- setzten und in schwärmendem Idealismus die Universität als eine Stätte der Wiedergeburt für das Menschengeschlecht auffaßten. Während seiner elfjährigen Regierung gab Friedrich Wil- Helm II. für die sechs preußisch» Universitäten insgesamt 11270 Taler hex, also für Jahr und Universität 180 Taler. Friedrich Wilhelm III. hatte nicht mehr für d:e Wissenschaft übrig; nur die preußisch Reklameuniversität erhielt einige Mittel. Der König sah den Wert der Wissenschaft etwa darin, daß sie Fingerzeige geben möchte, wie man die Hufbeschläge der Militärgänle ver- bessern könnte. So forderte er bei seinem Regierungsantritt 17S8 die Akademie der Wissenschaften auf, nicht fürder die spekulativen Theorien mit gelehrten Entdeckungen zu bereichern, fondern die Einsichten auf wahrhast nützliche Dinge zu richten. Er war ein