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fo übelnehmsch sein. Siehst Dit, ich bin doch schon ein er­fahrener Mann gegen Dich, und Deine Altklugheit, siehst Du das ärgert mich.

Das wollte ich doch gar nicht," hachte sie und zerdrückte bie Tränen unter den langen Wimpern. Sie sind immer gleich so grob... Märchen werden doch manchmal wahr.. Und wenn ich ein Dummchen bin, weshalb modellieren Sie mich dann? Sie können doch ohne mich den Kopf gar nicht machen. Sehen Sie! Wo bleibt da Ihre Stärke? Ja, amd

Sie gluckste die Worte hervor, die sie zuletzt verschluckte. Kempen   sah aufs neue ihre Recheit darin, und fofort war seine Gutmütigkeit verscheucht. Er, der diese Töpfer­arbeit nur der Not gehorchend machte, nicht dem eigenen Triebe, sollte diese zurechtweisung ruhig einstecken, von diesem Balg sogar? Nein, das durfte nicht geschehen, er mußte den Fürchterlichem zeigen. Geh jetzt, Du brauchst nicht mehr wiederzukommen," herrschte er sie an und erhob sich mit einem

Ruck.

Es ist gut, Herr Kempen  ." Sie stand auf, machte sich rasch fertig, bedankte sich und ging hinaus.

Dieses Ausreißen ohne Sang und Klang hatte er nicht erwartet. Er sah die angenäßte, halbfertige Büste, dachte an die Eile seiner Arbeit, bezwang sich rasch und riß die Tür auf. Noch vernahm er ihre Schritte. Hör mal, Klara, über­morgen laß Dich noch einmal sehen wenn Du willst!" rief er ihr nach.

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Schön, Herr Kempen  , ich werde pünktlich kommen," schallte es zurück. Ich dachte es mir gleich."

Wieder drin im Zimmer, warf er die Tür hinter sich zu, als hätte er einen Feind abgetan. Dann knurrte er seine Wut in sich hinein wie ein bezwungener Held, der still toben muß, um nicht verlacht zu werden.

V.

Der Hochverräter.

S

Aus Briefen Friz Reuters   an seinen Bater. Der Primaner zur Zeit der Juli Revolution.

Wie allenthalben, haben sich auch hier im Verlaufe einiger Wochen Unruhen im Bublifum gezeigt, wogegen aber durch eine ein­gerichtete Kommunial- Garde Gegenmaßregeln ergriffen sind, die in Patrouillendienſte beſtehen, und wo denn alle ohne Unterschied, selbst der Herr Direktor und Dein gehorsamster Sohn, die Wachen be­Spaß also vorbei. Ich hoffe, bei Euch werden die Bürger loyal ziehen; doch nun ist den Leuten die Sache über geworden und der genug sein, um einer solchen Einrichtung nicht zu bedürfen. Parchim  , 8. Oftober 1830.

Der Student in Jena  .

Hier ist alles ganz anders als bei uns, das Volk lebendiger, aufgeklärter; ich möchte Dir bloß gönnen, zu hören, wie richtig so ein Jenischer Bürger über Staat und Staatsverwaltung räfoniert; überhaupt herrscht hier im Weimarischen eine große Spannung in politischer Hinsicht, das Volk verlangt Breßfreiheit und Stände, ja sogar Geschwornengerichte, und Jena   scheint der Mittelpunkt der Liberalen zu fein; alle verbotenen Blätter werden hier öffentlich mit rauschendem Beifalle in den Kneipen vorgetragen und mit An merkungen versehen, die nicht gerade zu den glimpflichsten gehören. Jena  , 25. Mai 1832.

Ich habe mein 23. Jahr begonnen, aber wahrlich sehr unglück­lich, und wenn es nicht beffer wird, so wünschte ich, ich teilte das Los meines Hausgenossen, Ad. Hanpt, der hier neben mir in der Stube liegt, auf dem falten Stroh, und morgen seiner Mutter, der Erde wiedergegeben wird. Jena  , 19. November 1832.

Auf unserer Universität sieht es schlimm aus, sehr schlimm: seit

drei Tagen vor Weihnachten ist fast kein Tag vergangen, wo nicht fürchterlicher Straßentumult von den Studenten ausgeübt wurde, dem Amtmann  , mehreren Professoren und anderen Privatleuten find die Fenster eingeworfen worden, die Bedelle find durchgeprügelt worden, die Wache der Polizei ist demoliert worden; aber alles dies Als Lorensen am anderen Vormittag glücklich ausge- ist noch nichts gegen den Skandal von vorgestern abend, es war ausgefürchterlich; fchlafen hatte, lachte er über den kleinen Merger Kempens, der fürchterlich; erst erhob sich ein Gebrülle, darauf wurden alle Laternen zertrümmert, Fenster eingeworfen und der Beschluß mit der Ber eigentlich weiter nichts bewies, als daß die Künstler ohne störung mehrerer Haustüren und Fensterladen gemacht. Daß ich Modelle nicht leben konnten. Raß sie nur älter sein, dann mich von allen diesen Exzessen entfernt gehalten, wirst Du mir wird sie erst ihre Mucken zeigen," sagte er, denn es war für glauben, bei feinem bin ich tätig gewesen, und doch bin ich vielleicht ihn eine ausgemachte Sache, daß sie auf diesem Wege weiter schon darin verwickelt, denn an demselben Abend kam ich im Dunkeln wandeln würde. Die Männer ließen sich immer mehr ge- nach Hause und ward von einem betrunkenen Philifter.. fallen als die Frauen, denn diese, falls sie noch hübsch und gefallen und angepackt; ich bedeutete ihm... er solle mich ziehen jung waren, wußten meist, wo sie blieben. laffen, dies tat er aber nicht, sondern verlangte meinen Namen zu wissen, und wie ich ihm den nicht sagte, wollte er mich mit einem Brevenier und warf ihn zu Boden. Das ist die ganze Geschichte. starten Knittel... über den Kopf schlagen, da spielte ich das Es ist aber jetzt Militär eingerückt und alles ist ruhig; aber die Strafen, die nun kommen, sind auch fürchterlich... Ich bin ruhig, denn ich bin unschuldig. Jena  , 25. Januar 1833.

Kempen   zuckte mit den Achseln. Es liege ihm nur daran, den Kopf fertig zu machen; dann könne fie Leine ziehen, so weit entfernt als möglich, stieß er beim Pfeifentauen hervor, während er sich an diesem Tage mit nebensächlichen Dingen an der Arbeit beschäftigte. Schon dachte er gar nicht mehr daran, fich die Kleine für die Kunst zu erhalten, denn es grollte wieder in ihm, nachdem er dieje Pille von der Notwendigkeit der Atelierfrauenzimmer hatte herunterschlucken müssen.

Da sie sich niemals etwas verschwiegen, so tischte auch Lorensen gehörig auf. Er hatte eine Menge Bekanntschaften gemacht, sich vortrefflich amüsiert und sogar öfters getanzt, ohne seine Dame mehr als zweimal auf die Füße zu treten. Nac dem er dann noch ein Champagnerglas zerbrochen hatte und so unvorsichtig gewesen war, einer ebenso reifen als un­gemütlichen Schönen die Schleppe mit seinem Abjat lönger als erlaubt festzunageln, hatte er sich aus dem Menschenknäuel herausgewunden und sich möglichst abseits gehalten, dort, wo die Pfropfen am lautesten knallten.

" Ich habs ja immer gesagt, trink nicht so viel," fnurrte Kempen  , der noch größere Dummheiten dahinter witterte und schon die Nachteile jah, die der gemeinschaftlichen Kasse daraus erwachsen würden. Lorensen jedoch war guter Dinge und blickte der Zukunft fröhlich in die Augen. Professor Heilfe, der frühzeitig zu einer reichen Frau gekommen war und ein großes Haus machte, hatte sich seines einstigen Schülers und jetzigen Gehilfen lebhaft angenommen, ihn mit Gönnermiene von Gruppe zu Gruppe geschleppt und immer mit demselben Stich­wort: Ein vielversprechendes Talent" vorgestellt. Als Tafel anhängsel bekam Lorensen sogar die älteste Tochter, die noch im Hause war. Einige würdige Hausmütter ließen es fich nicht nehmen, den blonden Bildhauer mit wohlgefälligen Blick zu betrachten, und so hatte er mündlich drei Einladungen auf einmal erhalten, was ihm Entschuldigung genug erschien, aus Freude darüber bis sechs Uhr noch in einem Café zu fiten, wo der letzte Nickel flöten ging.

( Fortsetzung folgt.))

da er

Was ich Dir jetzt schreibe, ist wahr. Einige Studenten hatten Erzeffe begangen und wurden bestraft; aber auch ein ganz Unschul­diger, nnd das war C. Krüger, wurde vom Senat... ohne alles Berhör, ohne selbst die von ihm angeführten Zeugen seiner Unschuld zu vernehmen... auf vier Jahre relegiert. Daß mich von Jugend auf mein Freund war, fannst Du Dir leicht denken; dieses schändliche Unrecht auf das Aeußerste empörte, Die Graeffe nahmen zu, ich nahm auf Ehre auch gar keinen Anteil baran... An einem schönen Tage mache ich einen Spaziergang, ... wie ich am Abend mich anschicke, nach Hause zu gehen, wurde ich durch einen Bedell und 60 Mann Soldaten arretiert, unter den gröbften Worten gezwungen, bis an die Stnie in den tiefsten Kot zu waten, von den Soldaten gestoßen und am Ende auf die Hauptwache getporfen.; darauf wurde ich um 12 Uhr Mitternacht vor das Universitätsamt gebracht und bekam engeren Stadtarrest, wäre aber von diesem neuen linrecht unterrichtet, in großen Haufen versammelt wahrscheinlich nicht so davongekommen, wenn nicht die Studenten, taut meine Freiheit verlangt hätten. Diese Fälle späterer Un ruhen, wo em Student vom anderen mit Snitteln erschlagen wurde, wo ein anderer von Soldaten mit Säbelhieben verwundet, und mehrere mit Bajonetten gestoßen wurden, gar nicht zu gedenken bestimmten mich, die Universität zu verlassen, ich... ging aus einem Drte, wo man unschuldigerweise schlecht behandelt werden Camburg  , 16. März 1833.

fonnte.

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Water Fritz Reuters, dem Bürgermeister, eine recht ungünstige Auskunft: ( Der Jenenser Professor v. Schröter gibt zu gleicher Zeit dem Ihr Sohn hat zwar an den oben angedeuteten Erzeffen feinen erwiesenen Anteil genommen; als verdächtig erschien er aber der Universität dennoch sehr, und deshalb, wie wegen seines übrigen Lebenswandels, ist er durch einen Beichluß des akademischen Senats im polizeilichen Wege, daß heißt nicht zur Strafe, von hier weg­gewiesen worden.. Seine ganze Zeit hat er mit Studenten­treibereien, Besuchen von Wirtshäusern, Serumlaufen usw. tot geschlagen. Dies ist das Zeugnis, welches ihm alle, selbst alle Studenten geben, die seinen Lebenswandel beobachtet haben. Ich selbst, an meinen Studiertisch gebannt, fann nur bezeugen, daß er meine Vorlesungen so gut wie gar nicht besucht hat. Das übrige