»in, Sie find mein Zeuge.(Lallend): Die verfluchten Warenhäuser werden wir in Stücke hauen, aber Geschäft ist— Jackson:— Geschäft. Ich bin ein frommer Jude. Herr Vruhn. aber es war mir ein Vergnügen, kldieu.(Im Weggehen): Herr vruhn. wie find eigentlich die Usancen in der Prefle? Nimmt man auf Groffinserenlen Rücksicht? Bruhn sfeierlich): In der anständigen Presse— selbstredend I V. Bruhn(teutonenhaft grübelnd): Wir müssen endlich dem Krebsschaden der Warenhäuser zu Leibe dehen. Aber wie? Der Prozest wegen des Jandors war ja sehr nett, aber auf die Dauer ermüdend. Und gefährlich. Wenn man so drei Wochen lang seine Harmlosigkeit beweist, so glauben's einem die Leute am Ende. Man fürchtet die„Wahrheit" nicht mehr, und was dann? ES wäre mein Ruin, wenn mir noch einmal gerichtlich meine Unschuld attestiert würde. Ein Grund mehr, um den Kampf gegen die Warenhäuser mit frischen Kräften aufzunehmen. Aber wen können wir noch an- greifen? Die einen wollen wir nicht angreifen, weil sie die Angriffe vollständig ignorieren, und wir ihnen, ohne Gegen- leistung, nur nützen. Die anderen dürfen wir nicht an« greifen, weil jeder Angriff— laut gerichtlichem Vertrag — 1000 M. kostet. Den Rest können wir nicht angreifen, weil wir ihnen als Groffinseremen Rücksicht schulden. Aber selbst, wenn wir die Rücksicht nicht übten, ginge es nicht; dann würden sie unS die Inserate entziehen. Und dann haben wir erst recht keine Möglich- leit, sie zu vermöbeln. Denn jeder würde lagen: Aha. Erpressung. Er will die emzogenen Inserate wieder fischen. Es gibt mithin in Berlin schlechterdings kein Warenhaus, das wir noch zum Gegen« stand unserer Kritik machen könnten. Alles, was wir über sie bringen, besteht nur noch in Inseraten und(schmunzelnd) sechsfach bezahlten Reklamen. Wir hetzen die nationalen Kunden ja geradezu i n die Warenhäuser, anstan auf fie. Dabei geht der Mittelstand kaput. (Schwermütig): Mein vaterländisches Herz blutet. Dieses steche Judenpack I Es zwingt mich förmlich, seine Inserate zu nehmen, es zu loben, oder zu schweigen. Aber etwas muff geschehen!... Der Redaktionsakquisiteur: Merster I Bringen wir doch einen allgemeinen theoretischen Artikel über Schäden der Waren- Häuser und den Nutzen des soliden Mittelstandes. Ganz ohne persönliche Angriffe, dafür um so wirksamer. Bruhn(verächtlich); Den Quatsch liest kein national gesinnter Mann, auch keine deutsche Frau. Dvmit kommen wir nicht weiter. Der Redaktionsakquisiteur: Nun, vielleicht könnten wir ein kleines Warenbäuschen veranlassen, dah es unS gegen Gratis- inserale erlaubt, es ständig— möglichst blödsinnig— anzugreifen. Dann hätten wir doch einmal zugleich Inserate und Angriffe. Ein tadelloses Alibi! Bruhn(schreiend): Mensch, Gratis inserate I Ist d a« ein Geschäft? Dabei geht der Mittelstand zugrunde, der mir am meisten ans Herz gewochsen ist, der m e i n i g e... Nein, so geht es nicht.(Sorgenvoll): Wie retten wir den deutschen Mittel- stand vor den stemden Schmarotzern?(Angesttengt grübelnd, dann in plötzlicher Erleuchtung):„Ich hab's I... Wir müffen den Mittelstand eben zum wehrhasten Kampf gegen die Konkurrenz der Warenhäuser fähig machen, indem wir ihn stärken. Wir müssen(mit glänzenden Augen und schäumenden Lippen) den Mittelstand zum— Inserieren erziehen, zum Inserieren bei unS! Der Redaktionsakquisiteur: Die Filze inserieren aber nicht. Bruhn(ungeduldig): Ich sagte ja schon: wir müssen fie dazu erziehen. Der Redaktionsakquisiteur: Leicht gesagt, aber... Bruhn: Schweigen Sie, Dummkopf... Erzählten Sie mir nicht neulich, dafc Ihr kleiner Strumpfwarenlieferant mit seinem Dienstmädchen ein Kind gemacht hat? Der Redaktionsakquisiteur: Sehr richtig, obwohl er verheiratet, Vater von sieben Kindern und Mitglied des Männer- bundes für lenkbare Sittlichkeit ist... Das Mädchen war noch nicht einmal 16 Jahre. Und schwachsinnig. Bruhn: Herrlich, schreiben Sie fosort einen Leitartikel über den Skandal. Vergessen Sie ja nicht, zu erwähnen, daß der Mann mit Strümpfen handelt. Der Redaktionsakquisiteur: Aber— Bruhn: Marsch an die Arbeit. Morgen erscheint der Artikel, übermorgen der Mann, und gibt ein Inserat auf. Sie nehmen es an, aber vergessen Sie dabei nicht zu bemerken, daß durch das Inserat natürlich unsere Meinung über seinen Fall nicht geändert wird. Der RedaktionSakquisiteur(murmelnd): Das der- gesse ich nicht, das weiß ich auswendig.(Geht ab.) Bruhn(nachrufend): Und sehen Sie mal nach, ob man von dem Mann, bei dem Sie Käse kaufen, nicht waS weiß...(Innig): Das ist gewiß auch so ein Mittel st ändler, dem ge- holfenwerdenkann., Lssr. Stammt der IVIenfcb vom Hffen ab? Von Professor Otto Hesse . Charles Darwins berühmtes Buch„Ueber die Eni-- Wickelung der Arten durch natürliche Auswahl erschien im Jahre 135?. TS fihtrt-e die Grundlage ffit die moderffe Naiurforschung. Vom ersten Tage an aber ist die darin vorgetragen« Lehre aufs heftigste bekämpft worden. Auf der Naturforscherversammlung zu Oxford im Jahre 1860 veranstalteten die Gegner einen wahren. Sturmlauf gegen Darwin , der nicht selbst anwesend war, und gegen dessen Freund, den ausgezeichneten Zoologen Thomas H u x l e y. der die Lehre Darwins verteidigte. Wie vor 50 Jahren» so gibt es noch heute Gegner der EntwickelungStheorie, die behaupten, der Darwinismus untergrabe die Basis unseres Staats- lebens und führe uns»auf ein schwankendes Meer, welches bis Menschheit schließlich an der Klippe des Unsinnes scheitern läßt". Darwin selbst hatte den letzten Schluß über die Abstammung de? Menschen von einem Stamme, der den Affen verwandt ist, aus seiner Lehre erst dann gezogen, oder doch erst dann ausgesprochen, nachdem die Affenabstammung des Menschen bereits von seinen Freunden proklamiert war. In dem oben erwähnten großen Werke hatte er absichtlich die Darstellung seiner Auffassung über diesen heiklen Punkt vermieden. Er war ein unerbittlich scharfer Denker» und in keiner Periode seines Lebens ist ihm verborgen geblieben» daß das Studium'der Natur, so wie er es betrieb, ihn langsam, aber sicher von der naiven Strenggläubigkeit und kindlichen Frömmigkeit seiner Jugend entfernte. Schon mehrere Fahre vor den: Erscheinen seines ersten Buches über die Entstehung der Arten war die Schöpfungshypothese für ihn keine wissenschaftliche: Erklärung, sondern„nur eine ehrerbietige Form für den Satz. daß es so ist, wie es ist", und im Jahre vor dem Erscheinen des Buches schrieb er an Wallace:„Sie fragen, ob ich den Menschen mit in die Erörterung ziehe. Ich denke, dies ganze Kapitel zu ver- meiden, da es so sehr von Vorurteilen umgeben ist; obgleich ich völlig zugestehe, daß es das höchste und interessanteste Problem für den Naturforscher ist." Der Gedanke nun. daß der menschliche Stammbaum verwandt! sei mit dem Stammbaume unserer heutigen Menschenaffen, ist: seit der Zeit, da ihn bedeutende Vertreter des Darwinismus, wie Ernst Haeckel und andere, mit aller Bestimmtheit ausgesprochen, oft wiederholt worden. Ernst Haeckel hat auch versucht, den Stammbaum für den Menschen aufzustellen. Allmählich ist Haeckels Anficht in den Kreisen der Naturforscher herrschend geworden, und noch in einer seiner letzten Arbeiten aus dem Jahre 1308,„Unsere Ahnenreihe", hat dieser Naturforscher einen solchen Stammbaum angegeben, der die verschiedenen, heute lebenden Menschenrassen durch sieben Vorfahrengeschlechter hinaufgeführt bis zu der„gemeinsamen Stammform aller Primaten", d. h. der Menschen und Affen. Von den ersten fünf Gliedern dieser Ahnenreihe ist bis jetzt aber nur ein Glied, die Pachylemuren, die Stamm-- väter der heutigen Halbaffen, fossil' bekannt geworden. Auch die sechste und siebente Stufe, der pliozäne Litkecantsiropus e r e c t u s und der diluviale lilomc, primigenius, sind- nach den neuesten Ergebnissen der Wissenschaft in dieser Reihen- folge nicht mehr mit Sicherheit aufrecht zu erhalten. Anders als Haeckel denkt sich der Straßburger Anatom Schwalbe die Abstammung des Menschen. Nach ihm soll sich der Mensch aus den Halbaffen zum Homo recens, dem modernen Menschen, entwickelt haben. Als Zwischenglied gilt ihm ein Menschenaffe, dessen Unterkiefer man in dem Miozän Frankreichs wiederholt gefunden hat. Ihm folgen die beiden genannten Lilbecantbropus erectus und Homo primigenius als Vorläufer der modernen Menschen. Der Pitliecanüiropus erectus spiel also in den beiden Stammbäumen Haeckels und Schioalbcs eine wichtige Rolle. Nun fand der holländische Militärarzt Eugen Dubais auf Java in den Jahren 1883— 1833 ein fossiles Schädelstück, einen Backenzahn und einen Oberschenkel» die er für Ueberreste des so lange gesuchten Uebergangögliedes zwischen Mensch und Affe hielt. Er gab diesem Wesen eben jenen Namen Piüiecantbropus erectus, d. h. aufrecht stehender Menschenaffe, und man glaubte damals, diese Reste würden die wichtigchsten Beweise für die Affen» abstamnnmg des Menschen sein. Dazu kam ein zweiter Beweis. Lange wußte man schon, daß sich Blut von artverwandten Tieren wie Gift zueinander verhält. Die roten Wutkörper der einen Tierart werden von denen der anderen Art ausgelöst und das Tier, bei dem die Mischung vor- genommen wurde, geht zugrunde. Sind die Tiere aber sehr nahe verwandt, so losen sich die Blutkorpcr nicht auf, sondern die beiden Blutarten mischen sich und das Tier lebt weiter. DaS Blutserum des Menschen löst beispielsweise die roten Blutkörper von Orang und Schimpanse nicht. Also ist der Mensch mit diesen Affen blutverwandt. Endlich noch hatte Schwalbe den Nachweis dafür geliefert, daß im mittleren Diluvium Europas eine äffen- ähnliche Menschenrasse gelebt hatte. Im Jahre 1866 wurden nämlich beim Bahnbau in einer Höhle im Neandertal zwischen Düsseldorf und Elberfeld Knochenreste gefunden, die man einem Menschen der Vorzeit zuschrieb. Schwalbe nannte diesen Homo primigenius oder Neandertalmensch. 1304 wurden Ueberreste derselben Menschenrasse in der Nähe des b- lgischen Ortes Spy in einer Höhle aufgefunden. Seitdem zwei! Ute niemand mehr an der Existenz einer Neandertal-Spy-Menschenrasse. So schien denn die Beweiskette geschlossen und die Affenabstammung des Menschen unabweislich richtig zu sein: Im Pliozän ein Affe mit menschlichen Eigenschaften, im mittleren Diluvium ei? Mensch mit Affen- ähnlichkeit.» und dazu die Blutreaktion, unter d«r lebenden Menschen und Menichenaffen!
Ausgabe
27 (12.11.1910) 222
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