-

898

junge Frau, wenn's klopft und fich Kempen ungeniert an den Tisch setzt. Denn Lorensen bleibt doch bald hängen." Sowas gibt's ja gar nicht," unterbrach ihn der Blonde wie jemand, der nur etwas sagen will.

O, Marianne, weshalb bist Du nicht bei uns!" fuhr Nuschke fort, nachdem Schmarr lautlos den großen Mund auf­geriffen hatte. Mir wurde es ordentlich wässerig, als sie die Suppe foftete. Engagiert sie doch, dann kommen wir alle Tage her. Was Blankert?"

-

Medizin in das Waffer, mit dem er dann seinen Schlund füllte, als hätte er vorher ein Fäßchen Heringslake getrunken.

"

Seit Moskau hat man keinen ähnlichen Brand gesehen," wizelte Blankert. Anton, drehen Sie die Wasserleitung auf." Ja, mein Sohn, gib mir noch eins," gurgelte Walzmann hervor und reichte ihm das leere Glas. Sehr gut, Dein Rot­wein, sehr gut," sagte er dann zu Nuschke, aber siehst Du, mein Arzt hat mir heute Mäßigung verschrieben. Dia. Ich werde zu fett. Ich soll mager werden. Bin überhaupt jezt ,, Natürlich, natürlich, ich male fie," gab dieser zurück. auf vier Wochen nicht zu sprechen. Gebt Euch keine Mühe. Der Alte hat Pinke... Uebrigens war sie schon mal heim- Von morgen ab! Belästigt mich nicht. Ich muß ins Zucht­lich verlobt, Schmarr weiß es. Mit einem Leutnant. Aus der haus, mein Brotherr wünscht es. Dja. Dort gelingt so' ne Sache wurde aber nichts. Er soll eine sizen gehabt haben, die Kur auch besser... Aber wenn Du da unten im Sonnenland ihm viel Merger machte. Und da hat Heilke nein gejagt... unter irgend einer Pinie sißt, dann schreib mir eine Karte. Wer also Marianne heiratet, friegt zwei in einer. Er liebt Die will ich mir ansehen und dabei an meine schöne Zeit in die Maria, die Trösterin, die Anna hat schon ein andrer ge- Rom denken. Dia. Lang, lang ist es her. Fünfhundert liebt." Taler bekam ich von einer Stiftung für mein Relief damals Sehr geistreich, Du fannst immer die Malerei aufgeben," die Grablegung Christi. Hungerte mich ein Jahr lang unterbrach ihn Nuschke, fuhr dann aber auf Kempen zu, indem damit durch. Olivenöl fraß ich wie Sauerkraut. Man ver­er den leeren Teller mit den Händen verdeckte: Danke, danke! fährt stets anständig mit uns Künstlern, wißt Ihr. Dia. Wir Ich kann doch Deine Erbsensuppe nicht allein aufessen!... sollen uns immer lange dem Volf erhalten. Sorgenlosigkeit Lorensen, fall nicht in den Kaviar, du hast selbstmörderische verkürzt zu sehr das Leben. Und das Beste stirbt darüber." Absichten." ( Fortsetzung folgt.)

Der Blonde fah allerdings etwas verstört aus, aber man fonnte das auch seinem Aerger über die losen Bemerkungen zuschreiben; denn sofort rief er aus: Kinder, laßt doch das Mädel aus dem Spiel. Euch ist auch nichts heilig. Und dir muß ich sagen, Blanfert- sprich nicht immer von Damen wie von Kellnerinnen."

,, Lorensen hat sich gebessert, trinken wir darauf," wehrte fich der Maler lustig und erhob das Glas. Ich sehe schon die Zeit fommen, wo er uns hier im Frad empfängt. Anton zieht sich die Livree an. Du, Kempen , faß in die Tasche."

Eher stirbt er ja," warf Nuschke ein. Lieber zieht er fich selbst' ne Jacke mit blanken Knöpfen über. Leute, was seid Ihr vornehm geworden- Ihr habt jetzt sogar reine Stühle." Blankert schrie aufs neue nach Modellen, und allen Ernstes wollte er sich selbst dazu auf den Weg machen, man solle ihm nur die Adressen geben. Er war erst beruhigt, als Kempen ihm den Gesundbrunnen nannte, was ihm doch zu weit zu sein schien.

Schmarr, der eine Sardine nach der andern verschlang, benußte eine Pause, um auf das zurückzukommen, was er in­zwischen in sich verarbeitet hatte. Ja, es ist so, Fräulein Heilke hat Pech mit dem Leutnant gehabt," begann er wie aus der Versenkung. Bildhauer Land sagte es mir, der beim Professor schuftet. Er kennt die Verhältnisse. Sie hat lange daran geknabbert."

"

Zum Glück für Lorensen konnte man die Sache nicht breiter treten, denn Blankert, der sich immer gern sprechen hörte, frakte Walzmann an. Der Meister solle sich doch end­lich seinen Flunsch ausziehen, denn er müsse ja neben dem Ofen förmlich schmoren. Und zugleich sprang er auf und ruhte nicht eher, bis er den Alten ausgeschält hatte. Dieser zeigte sich nun in einem dünnen, schwarzen Kamelotjackett, in dem er wie ein Schuljunge stedte; namentlich die Aermel waren so kurz, daß das behaarte Handgelenk weit hinausragte, denn da er nie­mals Manschetten trug, frempelte er das Hemd einfach auf, sobald es nicht mehr ganz sauber war. Sie wollen wohl noch zum Begräbnis gehen, Meister?" zog ihn Blankert auf, als er auch die mächtige schwarze Halsbinde sah, die sich der Unbe­rühmte umgewürgt hatte.

" Ja, mein Sohn, um dein Talent zu begraben," gab Walzmann trocken zurück. Viel Trauer wird's dabei nicht geben."

Der Maler nahm den Hieb gut auf." Oho," wehrte er sich unter dem Lachen der übrigen. Ich kenne einen, bei dem es Tränen regnen würde, meinen Hauswirt nämlich. Der Mann liebt mich so sehr, daß er mit Ermission droht. Es wird mir nichts andres übrig bleiben, als diesen Stumpfsinn zu por­trätieren. Natürlich' ne jroße Weiße in der Klaue."

" Ja, Meister, was ist denn heute mit Ihnen? Sie trinken ja gar nicht," rief dann Nuschke dem Alten zu, weil es ihm nicht behagte, ihn so einfilbig zu sehen. Und als er sah, daß Sörgel ein großes Glas mit Wasser vor Walzmann hinstellte, fügte er luftig hinzu:" Wollen Sie ein Bad nehmen? Das hat doch noch Zeit, bis ich weg bin. Pfui, Sie undankbarer Gast! Sie planschen ja sogar. Ich werde Ihnen im Traume er­fcheinen."

Mit unverwüstlicher Ruhe hatte Walzmann sein Glas er­griffen und gos Aun den Rotwein tropfenweise wie eine teure

-

Leonhardt Thurneyffer.

Wer durch das Märkische Museum nicht gar zu flüchtig geht, Die näheren und weiteren Anwohner des fennt auch Thurneysser. grauen Klosters hören gelegentlich den Namen verloren nennen, fehen in mittelalterlicher Tracht einen Magier, dem Zauberei nach gefagt wird und der so schnell verschwand als er kam. Der in Gold, Samt und Seide ging, mit vier Pferden vor dem Wagen fuhr, obgleich er nur als ein Goldschmiedegeselle und gar zu Fuß in die Mart tam, der Wagen aus adeligen Häusern hinter fich gehen ließ. obgleich er kein Edelmann und dem Beruf nach nur des Surfürsten Leibarzt war. lehrten für diesen ihren Genoffen gehabt, der ohne irgend eine Nicht weniger Verwunderung und Neugier haben die Ge Schule, ohne eine grundlegende gelehrte Bildung, sie alle doch an Erkenntnis, an Gelehrsamkeit, selbst in fremden Sprachen unbekannter Wölfer zu überstrahlen schien und zu Zeiten auch alle an Glanz und Ruhm des Namens weit übertraf.

Unbestritten wertvolle Entdeckungen und Fortschritte auf den vielen Gebieten, die er ergriff, fagt man ihm nach, zugleich schmäht man ihn als Betrüger, Charlatan, selbst Bucherer, der die Mark ausjog und sich von gestohlenen Kirchenschätzen bereicherte. Könige, Fürsten und Große des Reiches überschütteten ihn mit Gold und Ehren, selbst hielt er einen Hofstaat von mehreren hundert untergebenen, in feinen Kammern fonnte er Schäße an Gold und Schmud zeigen. Dann verschwand alles diefes, Ruhm und Gold und Ehre so schnell und plötzlich, als ob wirklich alles nur des Teufels Blendwerk gewesen, und er starb arm und von niemand

beachtet.

Jenes große Buch des Märkischen Museums. das jedem auffällt, weil es so ganz ieltsam ausichaut, ist selbst ein Abbild von ihm. Da sieht man ein buntes Durcheinander von Namen und Stern­bildern in merkwürdigen, aber fein gemalten Figuren, fieht rätsel­hafte übereinander angeordnete Kreise, die doch durchdacht wirken, und obgleich man nichts versteht, ist scheue Bewunderung vor einem solchen toniequent und geschickt durchgeführten Werk die Folge.

Dies Buch gibt uns die richtige Vorstellung seiner Zeit, die wir heute als finstere Vergangenheit betrachten, aus der um so heller einzelne Stellen leuchten; die ganz Wirrung und Sinnlosigkeit scheint und genau fo exakt alle ihre Bindungen an der Zeitschraube ablief wie die heutige.

Wie weit Thurneysser ein System bleibt, wie sich seine Gelehrten­laufbahn, sein erworbener Reichtum, seine Kenntnisse deuten lassen, zugleich auch die Art, wie sein Stern erlosch, das haben viele als lockende Aufgabe befunden und zu lösen getrachtet.

Bugleich leuchtet es in die fritischen Tage der Wissenschaften in Deutschland hinein, in die Zeit, da die Aftrologie, die Stern­dieses Mannes- alles ergriff, und alles verwertete, was seine Zeit an unheilkunde, als Krankheit graffierte und da der lebhafte, reiche Geist Aberglauben und Vorstellungen befaß. Sein Porträt wird so leicht auch zu einem feiner Zeit, deren Produkt er schließlich war, so groß an Kraft und Wollen und größer noch im Schein und so klein im wirklich Erreichten, im Bleibenden.

Thurneyssers Vater war, ehe er in Basel als Goldschmied seß­haft wurde, Soldat in piemontefiichem Sold gewesen, er bat wohl die Unruhe, die den Sohn stets beherrschte, diesem selbst vermacht, erscheint auch als wenig beschränkt und sticht durch die Art, wie er dem Sobne in schlimmen Tagen beistand, sehr gegen den üblichen Spießzünftler ab.

Der Sohn, 1580 geboren, half dem Vater und hat das Hand­werk noch lange geschickt betrieben; das Steinschneiden, das Arbeiten