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Schleierten Augen mitten im Licht, und wo das Dach im Schatten lag, fog es wie Samt. Oben im Wohnhause war es heute still, auch der Streit schien Sonntag zu feiern.
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Der große Hofplatz war durch ein Stafet mittendurch geteilt. Die untere Hälfte bestand hauptsächlich aus einer großen, dampfenden Mistgrube, mit Gangbrettern die Kreuz und die Quer und einigen umgestürzten Schubkarren ganz oben. Ein paar Schweine lagen im Dung vergraben und schliefen, bis mitten unter den Leib in Jauche, eine geschäftige Hühnerschar zerstreute eifrig die viereckigen Haufen Pferdedung von dem Ausmisten des letzten Morgens. Ein großer Hahn stand mitten in der Schar und leitete die Arbeit, er glich einem Verwalter.
Oben auf dem Hof war eine Schar weißer Tauben damit beschäftigt, Körner von dem reinen Pflaster aufzupicken. Vor dem offenen Wagentor ging ein Knecht hin und her und fah den Jagdwagen nach; ein anderer Knecht stand im Tor und putte das Staatsgeschirr.
Der Knecht bei dem Wagen war in Hemdärmeln und frischgeschmierten Kniestiefeln; sein Körper war jung und elastisch und wählte bei der Arbeit viele hübsche Stellungen. Er hatte die Müge ganz tief in den Nacken geschoben und pfiff gedämpft, während er die Räder innen und außen reinigte und verstohlene Blicke nach der Brauftube hinüberfandte. Da unten, unter dem Fenster, stand eine der Mägde und hielt Sonntagswäsche mit nackten Schultern und Armen, das Hemd bis unter die Brüste heruntergestreift.
Das dicke Milchmädchen Karna ging an ihm vorüber, nach der Pumpe hin, mit zwei großen Eimern. Als sie zurückkanı, platschte sie einen Guß Wasser über seinen einen Stiefel, und er sah mit einem Fluch auf. Sie faßte es als Aufforderung auf, die Eimer niederzuseßen, wobei fie vorsichtig nach den Fenstern des Wohnhauses hinüberschielte.
Du hast woll schlecht geschlafen, Gustav!" sagte sie und lachte schelmisch.
Na, Deine Schuld is das jedenfalls nich'," entgegnete er furz angebunden. Kannst Du mir heut meine Arbeitshosen flicken?"
,, Ne! Ich flick nich, wo' ne andere streichelt!"
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Dann scher Dich wieder in Deine Küche rein! Da sind genug, die mir die lumpigen Fliden auffeten, wenn Du nich willst." Er beugte sich wieder über seine Arbeit.
( Fortsetzung folgt.),
Marie Jofeph Chénier.
1811 10. Januar
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1911.
auch die wirfliche Schaubübne nahm
und Marquisen hochmiltig durch Lorgnons geblingelt hatten, da folgte jezt mit leidenschaftlicher Teilnahme das wabre Volt bon Paris den Ereignissen auf der Bühne, die Menge der Vorstädte und Gassen, die sich früber mit der Rolle des gaungaftes widerwillig batte abfinden müssen. Damit war selbstverständlich auch den Tragödien der Boden entzogen, die auf klassischen Stelzen daherfamen, in denen nur Könige, Königskinder und Königsväter und sonstige hoffähige Schmarozer auftraten und die in nichts mit dem wirklichen Leben der Nation zusammenhingen. Jetzt wurde von der Bühne herab die Liebe zum Vaterland oder zur Freiheit und die republikanische Zugend gepredigt und Titel wie" Die Witwe des Republikaners"," Der Tod Marats"," Die patriotische Familie", Das Verbrechen des Feudalismus“ und„ Die Abichaffung des Rönigtums" wiesen auf den Jubalt dieser dramatischen Kunst hin.
Von allen Stücken, die die Zeitgenossen mächtig bewegten und deren Aufführung mit higigem hin und her zu politischen Er eignissen wurde, hat keines eine solche Wirkung ausgeübt, wie die Tragödie des Dichters, der vor 100 Jahren, am 10. Januar 1811 starb: Karl IX. " von Marie Joseph Ebénier . Wenn die berühmte Hochzeit des Figaro " von Beaumarchais das Wetterleuchten auf der Bühne war, das im Jahre 1784 den„ Anzug des großen Weltgewitters berkündete, so war Karl IX. " die Entladung. und mit vollem Bewußtsein wollte Chénier , dessen Lebenslauf seit feiner Geburt im Jahre 1764 wenig Verblüffendes enthält- awei Jahre war er Offizier gewesen und dann mit einem Bühnenstück durchgefallen patriotische Kunst geben und durch sein Drama die Herzen für die Freiheit entflammen. Als seines Lebens besten Ruhm hat er später, auf Starl IX." anspielend, genannt:
Mit ein'gem Stolz wohl darf's ich von mir fagen: Der Muse der Tragödie hab ich in den ersten Tagen, Da uns die junge Freiheit froh beglüdt,
Die patriotische Kofarde an die Stirn gedrückt.
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eines
Wie sehr für Chénier die Schaubühne eine„ moralische Anstalt war, tat er besonders in dem Widmungsbrief an die französische Nation" dar, mit dem er die Buchausgabe feines Starl IX." " Ich widme," einleitete. hieß es da,„ das Werk freien Mannes einem frei gewordenen Volke." Und mit einer besonderen Anrede an die Frauen: Das Theater hat einen ungeheueren Einfluß auf die Sitten der Allgemeinbeit. Lange Beit war es eine Schule der Verführung und Libertinage; es muß au einer Schule der Tugend und Freiheit werden. Die Männer werden von ihm nicht mehr diese füßlichen Eindrüde empfangen, die fie entnerven; fie werden besser und Eurer Liebe würdiger; fie werden wieder Männer sein. Die Sitten des Landes werden fich nicht mehr nach den entarteten Sitten des Hofes bilden...." Und weiter führte der Dichter, fich an die ganze Nation wendend, aus: „ Eure bewundernswerte Konstitution beruht auf der Gleichheit. Verschwinden werden all die Titel, all die antisozialen Unterschiede, all die lächerlichen Abstufungen, die man sich nicht gescheut hat, zwischen Mensch und Mensch anzuerkennen. Wenn Tyrannei und Sklaverei fich abermals offen zu zeigen wagen, soll Euer Theater das Urteil sprechen und in allem ein Nebenbuhler des Theaters von Athen sein. Aber an Euch ist es, an der Nation allein, allein, die bürgerlichen Dichter zu fchirmen, die in diesen glorreichen Streit hinabsteigen, um die Feinde der Nation zu Boden zu schmettern", also alles in allem das genaue Gegenteil einer Kunst, die auf einer höhern Warte stehen will als der Zinne der Partei.
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Die große franzöfifche Revolution ist ein Musterbeispiel jener bürgerlichen Revolutionen, von denen Karl Marg in feinem„ AchtDer Erfolg gab dem Wollen des Dichters recht. Schon 1788 zehnten Brumaire" spricht: ihre dramatischen Affekte überbieten sich, Menschen und Dinge scheinen in Feuerbrillanten gefaßt und die war das Stück entstanden und es behandelte in ziemlich primitiver Ertafe ist der Geist jedes Tages. Auf hohem Kothurn schritt dieie Weise, ohne fiberwältigendes dramatisches Talent eine zurückliegende Revolution dahin, mit tragischem Faltenwurf und weitausholender Episode der französischen Geschichte, die bluttriefende Bartholomäus Geste, und oft glich das revolutionäre Paris mit Katastrophen und nacht. Aber das Stück mußte einschlagen wie ein Ausschnitt aus Apotheosen einer riesigen Schaubühne, auf der die Volksmasse den der lebendigen Gegenwart, denn jede Szene war voller AnHaupthelden fpielte, nur daß die fallenden Köpfe und spielungen. Dieser verächtliche König, der gleichwohl gegen sein Kronen nicht aus Wachs und Pappe oder Goldpapier eigenes Volf finstere Bläne schmiedet und das Blut franzöfifcher ganz der sechzehnte Ludwig! dachte man waren. Aber unter Bürger versprint Diefe im Parlett. Königin Mutter fremdem Geblüt, der Revolution einen schier märchenhaften Aufschwung, bon Medici, die ihren Sohn als böser der aber gleichwohl nicht verwunderlich war, da dieser bürgerliche die Katharina ganz die Defterreicherin!" Klaffenkampf dem Theater die Freiheit und dem Schauspieler die Dämon zu jeder Untat anstachelt ftaatsbürgerliche Gleichheit brachte. Jedem der verschiedenen Theater lief das Geflüster durch die Banfreiben, ganz die Marie Antoinette ! war unter den bourbonischen Ludwigen der Kreis seines Spiel- Und nicht minder wurden die Ausfälle gegen die Klerisei begrüßt programms eng umgrenzt, dem einen blieb das Schauspiel, dem und der ehrliche, freimütige Stanzler l'Hopital, der den Sieg der andern die Oper, dem dritten die Komödie, dem vierten Stücke mit Freiheit und den Sturz der Bastille voraussagt, als die Stimme Den Behörden, gutem Ausgang vorbehalten, und mit tausenderlei obrigkeitlichen des revolutionären Bürgertums selbst gefeiert. Schikanen wurden die Bühnen heimgesucht, nur um der vornehmsten, namentlich dem ängstlichen Maire Bailly, schien es freilich bedenklich, der Comédie française , mit ihrem klassischen Repertoir und ihrem ein Stück aufführen zu laffen, das einen Vorgänger Ludwigs XVI. Monopol auf Tragödien die Vorherrschaft zu sichern. Die Revolution als blutbefudeltes Scheusal hinstellte, und erst die NationalversammSchuf Wandlung. Ein Defret der Nationalversammlung vom 18. Januar lung mußte dem Drama den Weg frei machen. 1791 verkündete die Gewerbefreiheit auch für das Theater und neue Bühnen schossen wie die Pilze aus dem Erdboden. Auf dem Rathaus lagen einmal gleichzeitig nicht weniger als 78 Anzeigen von neu zu eröffnenden Theatern, und jeder Direktor durfte spielen, was ihm in den Sinn fam oder aufs Pul: flog. Auch die gesellschaftliche Stellung der Schauspieler wandelte sich. Hatten sie vordem als verächtliche Komödianten zum uneh.lichen Volfe gezählt, so besaßen fie fürder die Rechte jedes anderen Bürgers, waren wählbar und Wähler und der eine oder andere gehörte wohl als Offizier der Nationalgarde an. Endlich bot auch das Publikum einen anderen Anblick als ehedem: wo Vicomtes aus goldenen Dosen geschnupft
Die erste Aufführung sah das Théâtre de la nation, wie die frühere Comédie française seit dem Bastillensturm hieß, am 4. Nobember 1789. Robespierre hat das Théâtre de la nation einmal einen widerlichen Schlupfwinkel der Aristokratie" ge aber das war nannt, später, als der berühmte Talma mit einem Teil der Darsteller abgegangen war und eine neue Bübne, das Theater der Gleichheit gegründet hatte. Am 4. November 1789 wenigstens wagte sich feine Oppofition hervor, wenngleich man wußte, daß sich verdächtige Burschen mit Pistolen in den Rodtaschen im Barkett berumdrückten und Chénier taum Zeit fand, alle die Drohbriefe erbitterter Royalisten zu lesen. Georges Duval erzählt